Schulessen

"Wir brauchen einen Ernährungs-TÜV"

Die siebenjährige Isabelle isst am 15.11.2011 in der Mensa der Regionalen Schule in Zingst ihr Mittagessen.
Ein Mädchen beim Mittagessen in der Mensa der Regionalen Schule in Zingst. © picture alliance / ZB / Jens Büttner
Moderation: Liane von Billerbeck · 25.11.2014
"Ätzspinat" und zu Tode gekochtes Gemüse, das muss nicht sein, meint Christian Schmidt (CSU), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Man könne auch mit wenig Geld schmackhaftes und gutes Schulessen zubereiten.
Der CSU-Politiker sagte im Deutschlandradio Kultur, beim Schulessen stehe es in Deutschland noch nicht überall zum Besten. Dies habe eine vom Ministerium in Auftrag gegebene Studie gezeigt, deren Ergebnisse Schmidt heute auf dem Bundeskongress Schulverpflegung in Berlin vorstellen wird. Als Konsequenz sprach sich der Minister für verbindliche Qualitätsstandards und einen "Ernährungs-TÜV" aus, der präzise Vorgaben mache und deren Einhaltung auch kontrolliere.

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Erstens Kartoffelsuppe mit Wienern, Nachtisch: Schokopudding mit Vanillesoße, Soße eher misslungen; zweitens Grießbrei und komische Kirschen, Nachtisch ein Apfel, ganz; drittens Gemüsetaler und Reis, Nachtisch wahlweise Apfel oder Birne. Das waren jetzt mal drei willkürliche Mahlzeiten, an die sich die Tochter von Freundinnen erinnern konnte. Es geht bei uns also um das Schulessen, das ja besonders dann besonders wichtig wird, je mehr Schulen Ganztagsschulen werden. Und Streitpunkte sind fast immer zwei: der Preis und vor allem die Qualität. Wie es darum bestellt ist, das wollte der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft wissen, Christian Schmidt von der CSU, und hat eine Studie in Auftrag gegeben bei der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften, und die hat 1.500 Schulleitungen, 212 Schulträger und immerhin 12.000 Schüler befragt, wie es denn um das Essen steht. Herr Minister, guten Morgen!
Christian Schmidt: Guten Morgen!
"Essen muss auch schmecken"
von Billerbeck: Meist hört man Ihren Namen ja, wenn es um so unappetitliche Dinge wie die Vogelgrippe geht. Haben Ihnen denn nun die Ergebnisse dieser Schulessen-Studie geschmeckt oder sind Sie Ihnen auf den Magen geschlagen?
Schmidt: Na, sie schmecken schon häufig, aber sie haben bei der Aufzählung der Gewichte der Top-Liste der Unbeliebten den Ätz-Spinat vergessen, wenn ich das so sagen darf, oder die Schülerin, die das berichtet hat. Wir wissen ja selbst aus der eigenen Zeit her: Es geht um zweierlei – um gesunde Ernährung, aber auch um attraktive Ernährung. Das Essen muss auch schmecken. Und da habe ich leider bei dieser Befragung, bei der Untersuchung zur Kenntnis zu nehmen, dass es in Deutschland noch nicht überall zum Besten steht. Insofern – zwar nicht auf den Magen schlagen, aber so leicht ätzend ist manches schon.
"Verpflegungsausschüsse" an den Schulen
von Billerbeck: Zur Kenntnis nehmen, sagen Sie: Was heißt das denn nun? Welche Schlussfolgerungen zieht denn nun der Bundesernährungsminister aus dieser Studie?
Schmidt: Konkret, dass wir die Qualitätsstandards für die Schulverpflegung eigentlich verbindlich machen müssen. Wir haben Qualitätsstandards, daran liegt es nicht. Die DGE, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die mit meinem Ministerium verknüpft ist, hat einen entsprechenden Leitfaden herausgegeben. Wir haben in wenigen Bundesländern, im Land Berlin, jetzt ein Gesetz, das die Grundlagen festlegt, wie die Qualitätsstandards sein müssen, und wir haben festgestellt, dass es da bei vielen ganz gut ist, will ich überhaupt nicht bestreiten, aber bei manchen man sich nicht richtig drum kümmert, bis dahin, dass wir – wer soll es kontrollieren? –, dass ich schon der Meinung bin: Da müssen sich die Schulen selbst in ihrer Autonomie auch drum kümmern, beispielsweise mit entsprechenden Verpflegungsausschüssen, na, das klingt sehr beamtenhaft, da werden wir vielleicht noch ein anderes Wort dafür finden.
Aber jedenfalls, dass sich alle zusammensetzen und sagen, okay: Geht das so, mögen das die Kinder, ist es gesund für die Kinder, haben wir Alternativen? Haben wir zu viel Fleisch, haben wir zu viel Süßes, haben wir zu wenig Gemüse? Und was legen wir den Caterern auf, dass die beispielsweise bei dem vorgewärmten Essen nicht drei Stunden lang das vorgewärmte Essen anliefern, sodass das Gemüse nicht nur totgekocht ist, sondern leider auch die Nährstoffe aus dem Gemüse schon draußen sind?
Keine neue Bürokratie aufbauen
von Billerbeck: Das klingt alles ganz schön, was Sie da erzählen. Sie haben auch das Gesetz aus Berlin erwähnt. Das habe ich mir gestern noch angeguckt und war überrascht, was in so einem Gesetzestext alles drin steht. Die Frage ist ja nur: Es gibt ja schon ganz viele Gremien, die sich auch um das Schulessen kümmern, insbesondere die Elternausschüsse sind ja da sehr aktiv. Aber das Problem ist doch auch, dass man oft gar nichts erfährt über die Qualität, die der Anbieter da liefert. Das ist ja oft nicht sehr transparent. Können Sie denn als Bundesminister da etwas dazu beitragen, dass sich das ändert?
Schmidt: Also um die Detailregelungen müssen sich die Schulen und vor allem natürlich die Länder kümmern. Das tun die ja auch. Aber wir haben leider nur in sieben Prozent der Schulen festgestellt, dass es solche Ausschüsse, solche Beauftragten gibt, die sich drum kümmern. Ich finde, das wären die Stellen, an denen die Transparenz auch deutlich werden müsste. Die müssen dann auch den Nährwert, die Nährstoffe, das Nährwertregister sozusagen sehen.
Wir brauchen so etwas wie einen Ernährungs-TÜV, der nicht neue Bürokratie aufbaut, sondern der ziemlich präzise sagt: Das und das sind die Vorgaben, und wir bestätigen, dass wir das erfüllt haben beziehungsweise wir kontrollieren das auch ein Stück nach. Übrigens bleiben die besten Kontrolleure die Schüler selbst.
"Das muss Chefsache werden"
von Billerbeck: Das ist klar, aber Sie sind ja immerhin der Bundesminister für Ernährung. Aber Sie haben es ja selber schon gesagt: Wenn man ein gutes Essen für manchmal tausende Schüler kochen will, das dann in einer Zentralküche, das muss dann durch die halbe Stadt oder übers Land transportiert werden, das wird dann wieder warmgemacht – daraus ein wohlschmeckendes, preiswertes und gesundes Essen zu zaubern, das grenzt doch eher an Zauberei?
Schmidt: Also ohne Zauberstab mit viel solider Arbeit und mit einem guten Management lässt sich da sehr, sehr, sehr viel verbessern. Das ist natürlich eine individuelle Frage für jede Schule. Ich habe über die Schulvernetzungsstellen, die wir in allen Bundesländern unterstützen, finanzieren, ich habe da mit mehreren Millionen Euro in meinem Etat Gelder zur Verfügung, die Beratung und auch die Vernetzung im Sinne von Ernährungskontrolle schon da. Es gibt Best-Practice-Wege, die mir sogar noch lieber sind als gesetzliche Regelungen, die bis ins Detail vorschreiben, wie viel Gemüse wo drin sein muss. Aber die werden bisherig nicht genügend in Anspruch genommen. Das muss Chefsache werden, und es läuft bei vielen immer noch so nebenher.
Eine Frage der Organisation, nicht des Geldes
von Billerbeck: Trotzdem ist es ja gerade sehr schwierig, die Balance hinzubekommen zwischen einem Essen, das gut, gesund und wohlschmeckend ist und auch noch günstig, denn gerade Eltern, die Geringverdiener sind und knapp über den Sätzen liegen, bei denen man Transferleistungen bekommt, für die ist das sehr schwer, sich dieses Essen zu leisten. Wie kann man diesen Spagat hinkriegen?
Schmidt: Es muss nicht überall so sein, wie ich neulich in Bad Kreuznach eine Schulküche besucht habe, bei der Johann Lafer dann selber oder seine Mitarbeiter den Kochlöffel schwingen. Das ist natürlich teuer.
von Billerbeck: Das wäre wirklich wie im Märchen.
Schmidt: Ja, es war auch sehr gut, das Essen, aber das ist natürlich sehr teuer, und da bedarf es viel Unterstützung, das kann man nicht überall machen. Wir können auch mit wenig Geld schon schmackhaftes und gutes Essen zubereiten. Die Frage ist auch der Organisation.
von Billerbeck: Also zurück zur kleinen Schulküche?
Lokale Anbieter stärken
Schmidt: Jedenfalls näher am Schüler, das ist schon gut. Ich setze da auch stark auf die regionalen Bereiche, nicht, dass die supergroßen Caterer alleine das machen. Das ist auch eine Aufgabe, die vor Ort, die die Kleinen gerade, das Handwerk, machen können und machen sollten und dann auch wettbewerbsfähig wären. Ich weiß, dass der Preis immer eine Frage bleiben wird. Wir haben beispielsweise über Fragen zu diskutieren, wie die Mehrwertsteuer umgangen werden kann, umgangen nicht im Sinne, dass sie schuldhaft nicht bezahlt wird, sondern dass sie gar nicht entsteht, jedenfalls zu einem geringeren Steuersatz der sieben Prozent. Da gibt es Modelle.
von Billerbeck: Über die Qualität des Schulessens in Deutschland sprach ich mit dem Bundesminister für Ernährung, Christian Schmidt. Er stellt heute eine umfangreiche Studie über das Schulessen vor. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Schmidt: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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