Schuldirektor Bernd Steioff

"Die Ganztagsschule ist kein Reparaturbetrieb"

07:54 Minuten
Ein Lehrer unterrichtet an einer Gemeinschaftsschule in Berlin und hilft einer Schülerin. Drumherum sitzen weitere Schülerinnen und Schüler.
Auch wenn die Ganztagsschule die Schwierigkeiten, die Schüler mitbrächten, nicht ausgleichen könne - Studien zeigten, dass sie aber sozial besser unterstützen könne, sagt Schulleiter Bernd Steioff. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Moderation: Liane von Billerbeck  · 20.01.2020
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Vor zu hohen Erwartungen an die Ganztagesschulen warnt Schuldirektor Bernd Steioff. Sie könne das Ausmaß an Beeinträchtigungen bei den Kindern nicht ausgleichen, dennoch biete sie große Chancen. Die sind auch bei einer Konferenz zu diesem Schultyp Thema.
Die Ganztagsschule sei kein Reparaturbetrieb für die Gesellschaft, sagt Bernd Steioff, Schuldirektor einer Ganztagsschule in Brechen in Hessen. Es gebe viele sozial und emotional beeinträchtigte Kinder. Die Schule könne das nicht ausgleichen, auch wenn viele Studien zeigten, dass Ganztagsschulen mehr Zeit für Schüler und Schülerinnen hätten und sie sozial besser auf die Spur bringen könnten.

Rhythmisierung des Unterrichts

"Aber es kann nicht sein, dass es dann heißt, das Kind ist ein bisschen beeinträchtigt und ist sogar verhaltensoriginell, das geben wir jetzt an die Ganztagsschule", sagt Steioff. Dieser Schultyp biete zwar viel mehr Zeit für Unterricht und mehr Zeit für die Kinder. Den Lehrern ermögliche die Rhythmisierung des Unterrichts, gegen einen "Burn-out" vorzubeugen. Denn man müsse nicht ständig im 45-Minuten-Takt unterrichten, sondern habe mehr Zeit, das einzuüben, was man Schülern und Schülerinnen vorher beigebracht habe. "Dann entspannt das die Situation."
Eine Schülerin probt mit ihrer Schulklasse in einem Musikraum der Wilhelm Bracke Gesamtschule in Braunschweig (Niedersachsen). 
Auch Freizeitaktivitäten sind in den Ganztagesschulen Teil des Programms. © picture-alliance/dpa/Julian Stratenschulte
Auch die Familie werde entlastet, so der Schuldirektor, denn die Eltern könnten beruhigt arbeiten gehen und müssten keine Sorge haben, dass die Kinder schlecht versorgt wären. Am Abend könnten Väter und Mütter dann mit den Kinder spielen und müssten nicht nachträglich die Aufgaben erledigen, die eigentlich in der Schule von den Fachleuten geleistet werden sollten. Hausaufgaben sollten nicht bei den Eltern, sondern bei dem entsprechenden Fachlehrer oder Klassenlehrer gemacht werden. Die Politik sollte allerdings etwas nachsteuern, um da eine Doppelbesetzung hinzubekommen.

Auch Spiel und Spaß

Die Ganztagsschule biete Anspannung und Entspannung, denn nur so könne Lernen gedeihen. Es sei wichtig, dass die Kinder gerne in die Schule gingen. "Wenn wir nur von morgens um 7 bis um 17 Uhr die Kinder mit Lernstoff vollstopfen würden, dann würden sie wahrscheinlich nach zwei, drei Monaten nicht mehr kommen wollen", sagt Steioff. Das Lernen müsse mit Erleben, Spiel und Spaß verbunden werden.
Mit der Ganztagsschule befasst sich heute in Berlin eine Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung und heute erscheint eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des Bundesfamilienministeriums.
(gem)
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