Schröder contra Merkel

Von Ulrich Ziegler · 05.09.2005
Und da sage noch einer die Menschen seien politikmüde. Fast 21 Millionen Fernsehzuschauer saßen gestern vor den Bildschirmen. Eine Einschaltquote, die höchstens noch die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft erreicht, vorausgesetzt sie kommt bei der Weltmeisterschaft im kommenden Jahr ins Endspiel.
Aber was haben Sie gesehen, was wollten sie während der 90 Minuten erfahren? Waren sie wirklich an Inhalten interessiert, oder wollten die Meisten nur sehen wie Sie oder Er sich schlägt? Ging es wirklich um Steuerkonzepte, um außenpolitische Positionen oder vor allen Dingen um die Frage wer besser kontert, wer komplizierte Dinge besser erklären kann, wer glaubwürdiger auftritt?

Trennen lässt sich das nicht. Gerhard Schröder, der oft als "der Genosse der Bosse" kritisiert wurde, entdeckte die traditionellen Werte der Sozialdemokratie "Solidarität und soziale Gerechtigkeit."
Angela Merkel, die Herausforderin, hofft mit neoliberalen Vorgaben die Kräfte der Wirtschaft zu entfesseln, um damit die Voraussetzungen für mehr Arbeitsplätze zu schaffen.
Das Fernsehduell der Spitzenkandidaten war interessant, unterhaltend, vielleicht sogar informativ, aber an der Grundstimmung im Land wird sich auch nach dem gestrigen Abend nicht viel ändern.

Fünf Millionen Arbeitslose sind einfach zu viel, die Netto-Neuverschuldung des Bundes ist zu hoch, und nach wie vor wird man den Eindruck nicht los, als ob Gerhard Schröder viel zu spät mit den Reformen begonnen hat, für die er jetzt so leidenschaftlich wirbt und die er teilweise gegen den harten Widerstand aus den eigenen Reihen durchsetzen musste.

Schröder kann bestenfalls hoffen, den Schaden für seine Partei zu begrenzen. Aber der alte Fuchs weiß auch, dass möglicherweise ein Prozent mehr für die Sozialdemokraten eine schwarz-gelbe Regierungskoalition verhindern kann. Er allein kann dafür sorgen, dass die Sozialdemokraten wenigstens als Juniorpartner der CDU mitregieren können, wenngleich ohne ihn. Vielleicht ist es das, was ihn zusätzlich antreibt: Schadensbegrenzung für seine Partei. Wie sagte doch SPD-Chef Franz Müntefering: "Opposition ist Mist". Dennoch wäre es unfair, Schröder nur reinen Machterhalt zu unterstellen.

Beide Spitzenpolitiker, Schröder wie Merkel, wollen, dass es dem Land besser geht. Welche Rezepte dabei besser wirken weiß man frühestens in ein, zwei Jahren.

Fast 21 Millionen Fernsehzuschauer haben das Streitgespräch zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und seiner Herausforderin Angela Merkel gesehen.
Darüber wird geredet: In den Familien, mit Freunden, am Arbeitsplatz. Wenn solche Diskussionen dazu führen, dass mehr Menschen zur Wahl gehen, dass sie sich nicht von der Politik abwenden, dass sie sich mit den politischen Angeboten der bürgerlichen Parteien auseinandersetzen, dann war die gestrige Veranstaltung ein voller Erfolg.