Schriftstellerin Olga Tokarczuk über Polen

Polnische Verhältnisse lesen

Die polnische Autorin Olga Tokarczuk signiert in Białystok ihren Roman "Jakobsbücher", in dem sie den Vielvölkerstaat Polen-Litauen aufleben lässt.
Die polnische Autorin Olga Tokarczuk signiert in Białystok ihren Roman "Jakobsbücher", in dem sie den Vielvölkerstaat Polen-Litauen aufleben lässt. © picture alliance / PAP / Artur Reszko
Von Sabine Adler · 11.12.2016
Olga Tokarczuks neuer, bisher nicht übersetzter Roman erregt die national-konservativen Gemüter in Polen. Das Land strebt zunehmend nach Homogenität, Nationalismus ist gefragt. Olga Tokarczuk schreibt dagegen an. Mit ihr versucht Sabine Adler "Polnische Verhältnisse zu lesen".
Es war die angeblich "übermäßige Beschäftigung mit polnisch-jüdischen Themen", weswegen die Leiterin des Polnischen Kulturinstituts in Berlin gerade abberufen wurde. Die Kunst- und Kulturszene der Stadt protestiert. Doch auch anderswo werden polnische Kulturinstitute zunehmend gemaßregelt, Institutsleiter entlassen, Kooperationen beendet.
Kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und Gegenwart ist nicht erwünscht, Patriotismus und Nationalismus gefragt. Polens Kulturminister Piotr Glinski forderte kürzlich mehr Kulturprojekte, die die Polen mit Stolz auf ihre Geschichte erfüllen. Gegen diese Kultur der Geschichtsvergessenheit schreibt die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk an.
Schriftstellerin Olga Tokarczuk im Gespräch mit Sabine Adler
Schriftstellerin Olga Tokarczuk im Gespräch mit Sabine Adler© Deutschlandradio / Sabine Adler
Sie mahnt ihre Landsleute, sich nicht nur den Heldengeschichten der Nation zuzuwenden, sondern auch ihre widersprüchlichen und dunklen Kapitel zu beleuchten. Tokarczuk, die in der Einsamkeit des niederschlesischen Eulengebirges lebt, greift auch öffentlich in die Debatte ein, sie sprach sich gegen die Abschottungspolitik der national-konservativen Regierung in Warschau aus. Das brachte ihr jüngst heftige Proteste ein. Mit "Jakobs Bücher" ist ihr ein Wurf gelungen, prämiert in der Heimat und in Schweden als "Buch des Jahres" ausgezeichnet. Die deutsche Ausgabe ist noch nicht in Sicht. Im Mittelpunkt des historischen Romans steht die schillernde Figur Jakob Frank, der im 18. Jahrhundert vom Judentum zum Islam konvertierte und schließlich zum Katholizismus übertrat.
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