Schriftstellerin, Journalistin, Kosmopolitin

Von Susanne von Schenck · 13.06.2008
In ihrem großbürgerlichen Schweizer Elternhaus wurde es Annemarie Schwarzenbach zu eng. Es zog sie in die Ferne. Zunächst ging sie nach Berlin, wo sie Klaus und Erika Mann kennenlernte. Später reiste sie als Journalistin nach Persien, Afghanistan und in den Kongo. 1942 starb sie im Alter von 34 Jahren an den Folgen eines Fahrradunfalls.
Thomas Mann nannte sie einen "verödeten Engel": Annemarie Schwarzenbach, Freundin seiner Kinder Erika und Klaus, Schriftstellerin, Journalistin, Fotografin, Kosmopolitin.

Vor 100 Jahren wurde Annemarie Schwarzenbach als Tochter eines vermögenden Seidenfabrikanten in Zürich geboren. Fotos zeigen eine schlanke, androgyn wirkende junge Frau: kurze Haare, ein schön geschnittenes Gesicht, der Blick oft in eine unbestimmte Ferne gerichtet. Frauen und Männer verfallen ihr gleichermaßen.

"Sie hatte ein Gesicht, von dem ich wusste, dass es mich bis ans Ende meiner Tage verfolgen würde."

Schrieb die amerikanische Schriftstellerin Carson McCullers, die sich 1940 in New York unsterblich in die schöne Schweizerin verliebt hatte.

Annemarie Schwarzenbach hat in Zürich Geschichte studiert und ist 1931 nach ihrer Promotion und ihrem ersten Roman nach Berlin gezogen: um dort als freie Schriftstellerin zu leben und um dem Bann der Familie mit ihren großbürgerlichen Vorstellungen zu entkommen. Da hat sie schon Klaus und Erika Mann kennengelernt - ein Wendepunkt in ihrem Leben. Sie bewundert die aktive, politisch hellwache Erika, bettelt um ihre Liebe, schreibt der "Eri" zahlreiche Briefe. Aber Erika Mann hält Annemarie Schwarzenbach auf Distanz. Die junge Frau ist ihr zu labil. Ihr Bruder Klaus teilt mit dem "Schweizerkind" bald die Abhängigkeit von Drogen. Bis zu ihrem Tod wird sie davon nicht mehr loskommen.

Ab 1933 engagiert sie sich auf Seite der Manns gegen die Nationalsozialisten – und gerät damit in Konflikt zu ihrer konservativen Familie.

Und sie reist. Allein dreimal nach Persien, wo sie Claude Clarac kennenlernt, einen französischen Diplomaten, mit dem sie eine Scheinehe eingeht. Und 1939 – ganz spektakulär – nach Afghanistan. Von Genf aus fährt sie mit der Reiseschriftstellerin Ella Maillart im Auto bis nach Kabul.

Annemarie Schwarzenbach führt nun das Leben einer Nomadin, das Unbehaustsein ist ihr Thema und ihre Lebensform. Für Schweizer Zeitungen berichtet sie aus Persien, aus Amerika, aus Afghanistan, später dann aus dem Kongo, wo sie ein ganzes Jahr verbringt. Aber erst als Literatin ist sie ganz bei sich und vergisst die Drogen.

"Langsam, gleichsam musizierend zu schreiben: das gibt mir ein ungeheures Glücksgefühl."

Am 15. November 1942 stirbt Annemarie Schwarzenbach 34-jährig in ihrer geliebten Engadiner Wahlheimat – an den Folgen eines Fahrradsturzes. Mutter und Großmuter vernichten einen Großteil ihrer Briefe und Tagebücher, gegen den Willen Annemarie Schwarzenbachs. Die Schriftstellerin gerät bald in Vergessenheit. Erst in den 1980er Jahren setzt die Wiederentdeckung ihres Werkes ein.