Schriftsteller Patrice Nganang in Haft

"Das ist ein politisches Verfahren"

Der Schriftsteller Patrice Nganang
Der Schriftsteller Patrice Nganang © imago/Leemage
Eric Van Grasdorff im Gespräch mit Frank Meyer · 22.12.2017
Der kamerunische Schriftsteller Patrice Nganang hat im Internet den Präsidenten des Landes verbal angegriffen - und wurde deshalb verhaftet. Die Machthaber würden ein Zerbrechen des Vielvölkerstaates fürchten und die Repressionen verschärfen, sagt Eric Van Grasdorff.
Frank Meyer: In Kamerun wurde Anfang Dezember der Schriftsteller Patrice Nganang festgenommen. Er soll den Präsidenten des Landes Paul Biya beleidigt haben. Im Januar soll ein Verfahren gegen Patrice Nganang eröffnet werden. Afrikanische Schriftsteller haben eine Onlinepetition für seine Freilassung gestartet. Diese Petition haben schon mehrere tausend Unterstützer unterzeichnet, und hier bei uns im Studio ist jetzt Eric Van Grasdorff von der Bildungsorganisation Future Afrique. Seien Sie herzlich willkommen!
Eric Van Grasdorff: Guten Morgen!
Meyer: Sie kennen Patrice Nganang auch persönlich. Haben Sie irgendwas gehört, seit er verhaftet wurde, wie es ihm geht im Gefängnis?

Der direkteste Kritiker des Regimes

Van Grasdorff: Es geht ihm soweit gut. Wie gesagt, es gab diese erste Anhörung. Da ist er anwaltlich auch vertreten worden. Es wird ihm eben Präsidentenbeleidigung vorgeworfen, aber auch etwas mehr: Er hat wohl auf Facebook auch sozusagen dem Präsidenten gedroht, auch den Tod gewünscht. Das wurde erst mal zum Anlass genommen, ihn festzunehmen, und inzwischen wird ihm aber auch ganz andere Sachen vorgeworfen, er habe zwei Pässe, was in Kamerun nicht genehmigt ist. Er hat den US-amerikanischen Pass und den kamerunischen, aber das haben viele Intellektuelle und Politiker. Insofern ist das nicht wirklich ernst zu nehmen. Das ist ein politisches Verfahren gegen ihn, und es bleibt abzuwarten, was daraus wirklich wird. Er hat auf jeden Fall für nicht schuldig plädiert.
Meyer: Und ist das jetzt quasi nur ein Vorwand, diese Vorwürfe, die gegen ihn jetzt erhoben werden? Hatte man ihn schon länger, wollte man ihn schon länger aus dem Verkehr ziehen?
Van Grasdorff: Also er ist einer der unverblümtesten und direktesten und heftigsten Kritiker des Regimes Paul Biya seit Jahrzehnten. Also letztlich seit den 90er-Jahren, wo er in der Studentenbewegung sich politisiert hat und aktiv wurde. Er ist bekannt dafür, dass er den Präsidenten regelmäßig in Debatten, im Internet auch, auf Facebook, direkt kritisiert. Man muss wissen, Paul Biya ist seit 35 Jahren an der Macht, er ist 84 Jahre alt und regiert letztlich aufgrund von Angst. Angst nicht nur, weil er eben ein hochgerüstetes Polizei- und Militärregime führt, sondern auch Angst vieler Kameruner, dass wenn er nicht mehr ist, niemand mehr die Autorität hat, um diesen Vielvölkerstaat zusammenzuhalten. Also diese Angst ist bei vielen Kamerunern wirklich sehr, sehr präsent, weil es eben 270 Sprachen in Kamerun gibt, Kulturen. Da haben viele Angst, dass wenn eben dieser starke Mann nicht mehr da ist, dass es dann auseinanderfliegt, und im Moment, muss man dazusagen, ist eben – es ist offiziell ja ein bilinguales Land –, da ist gerade im Westen des Landes, im anglophonen Teil, eine Sezession im Gange, und die wird heftigst reprimiert durch die Staatsgewalt, und dagegen hat sich Nganang ganz klar gestellt. Er war jetzt mehrere Wochen im Westen des Landes, hat mit vielen Leuten dort gesprochen und hat eben kurz vor seiner Verhaftung einen Brandtext kann man es nennen, in "Jeune Afrique", einem Magazin, das viel gelesen wird, veröffentlicht, und ich denke, das ist der konkrete Anlass für die Verhaftung.

Folter und Festnahmen

Meyer: Werden andere Intellektuelle oder auch Autoren ähnlich unter Druck gesetzt wie jetzt Patrice Nganang durch seine Verhaftung?
Van Grasdorff: Man muss sagen, dass das Regime Paul Biya sich so lange an der Macht hält, hat zum einen damit zu tun, dass es von Frankreich gestützt wird und vom Westen letztlich und sich da immer ziemlich sicher sein konnte, aber gleichzeitig ist es auch ein ziemlich geschicktes Regime. Es ist eine Fassadendemokratie, könnte man sagen. Es ist nicht so, dass da jetzt tagtäglich Leute verschwinden und umgebracht werden. Es werden Leute umgebracht – das muss man ganz klar sagen –, und es werden Leute gefoltert und festgehalten, es kommen Leute, Journalisten, Intellektuelle unter mysteriösen Umständen ums Leben, die teilweise nicht geklärt werden können. Es ist schon ein repressives Regime, aber es ist kein ungeschicktes Regime, und deshalb hat mich diese Verhaftung eigentlich schon etwas erstaunt, weil es ja nur Äußerungen im Internet sind oder im "Jeune Afrique". Das hat bisher dieses Regime nicht wirklich gejuckt.
Meyer: In Kamerun sitzt der Schriftsteller Patrice Nganang in Untersuchungshaft. Wir haben mit Eric Van Grasdorff gesprochen von der Bildungsorganisation Future Afrique. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Van Grasdorff: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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