Schriftsteller Clemens Setz

"Ich dachte, ich bin immer derselbe. Das stimmt nicht"

Schriftsteller Clemens Setz
Schriftsteller Clemens Setz © Max Zerrahn
Moderation: Ulrike Timm · 09.04.2018
Für sein neues Buch hat Clemens Setz nur noch Textbausteine geliefert: In "Bot. Gespräch ohne Autor" fischt ein Algorithmus aus seinem digitalem Tagebuch zufällige Antworten auf Interview-Fragen heraus und montiert sie neu. Der österreichische Schriftsteller ist auf der Suche nach Verwandlung.
Und das Wunderkind der österreichischen Literatur landet damit einen Coup: "Bot" enthält erstaunlich poetische Passagen.
Ein weiteres Kapitel in der Erfolgsstory des jungen Schriftstellers, dessen Werke von überraschenden Wendungen leben, die ihn im Fall von "Bot" selbst überraschen.
"Ich habe mich selbst immer für einen äußerst statischen Menschen gehalten. Eine statische Existenz, die eigentlich wenig Variationen hat im Leben, auch wenig Anreiz zur Verwandlung. Und wie Elias Canetti irgendwo bemerkt hat, ist die Verwandlung das Wichtigste im menschlichen Leben überhaupt. Das ist das, was eigentlich den Sinn verleiht, einer der vielen Möglichkeiten.
Und ich habe immer gedacht, das fehlt mir. Ich bin immer derselbe. Aber das stimmt dann doch nicht. Wenn man sich alte Tagebucheinträge ansieht, vor allem wenn man sie dann neu montiert und in neuen Zusammenhängen sieht."

Ernst Jandl führte ihn zum Schreiben

Schon sein Weg zur Literatur könnte einem Roman entsprungen sein: Als eingefleischter Computerfreak konnte er jahrelang nichts mit Büchern anfangen, erst durch eine Krankheit und die Begegnung mit einem Gedicht von Ernst Jandl fand er zum Schreiben.
"Ich habe dieses Gedicht gelesen, das waren nur wenige Zeilen. Es war dann so eine Art Epiphanie. Die Existenz wird durchglüht von einer Sache, die so winzig aussieht auf dem Blatt Papier. Und ich hatte nicht gewusst, dass so etwas geht, dass man solche Trauer und Bewegtheit empfinden kann mit sechzehn."
Ernst Jandl bei einer Lesung im Jahr 1992.
Ernst Jandl bei einer Lesung im Jahr 1992.© imago/gezett Deutsches Theater / Kammerspiele Ernst JANDL
Anfangs reizten ihn Geschichten voll düsterer Gewaltfantasien, heute will er von Dingen "mit Eigenleben" erzählen.

Leidenschaft fürs Obertonsingen

Der vielfach begabte studierte Mathematiker hegt noch eine weitere Leidenschaft: Das Obertonsingen. Er erlebte diesen vielstimmigen Gesang bei einem Konzert.
"Ich habe da geheult vor Rührung während des Konzerts. Ich wollte das unbedingt können und habe Kurse gefunden. Die Technik ist sehr leicht zu erklären, aber leider muss man sehr lange üben, bis man die kleinen Bewegungen beherrscht im Mund."
Clemens Setz hat sich selbst lange als Eigenbrötler wahrgenommen, der sich mit großer Intensität in die Welt seiner Romane vertieft. Sein Umgang damit habe sich aber mit dem Älterwerden verändert.
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