Schräger, schwarzer britischer Humor

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 13.06.2007
In "Irina Palm" brilliert Marianne Faithfull als naive Witwe Maggie, die als "Kabinen-Oma" zur angesagten Attraktion eines Sex-Clubs wird. "Hot Fuzz - Zwei abgewichste Profis" ist eine schräge Verbeugung vor amerikanischen Buddy-Movies und stellt einen Londoner Polizisten in die britische Provinz, wo er reihenweise in Fettnäpfchen tritt.
"Irina Palm"
Belgien / Deutschland / Luxemburg / Großbritannien / Frankreich 2006 - Regie: Sam Garbarski - Darsteller: Marianne Faithfull, Miki Manojlovic, Kevin Bishop, Siobhán Hewlett u.a.

"Irina Palm" von Sam Garbarski, ein Deutscher Jahrgang '48, der mit 22 nach Belgien auswanderte und heute in Brüssel lebt. Nach mehr als 20 Jahren als Chef einer Werbeagentur begann er 1997 selbst Werbespots zu drehen. Ab 1999 entstanden 3 Kurzfilme. 2003 drehte er seinen ersten eigenen Kinospielfilm: "Der Tango der Rashevkis", ähnlich wie "Alles auf Zucker" von Dani Levy virtuos leicht, tragikomisch und mit einem charmant-melancholischen Lächeln von einer jüdischen Familien-Sippe erzählend. Ein wunderbares Außenseiter-Debüt, das auf zahlreichen Festivals lief und 2004 den Preis der Stadt Jerusalem beim dortigen Film-Festival erhielt.

Sein Nachfolge-Spielfilm "Irina Palm" ist eine Co-Produktion Belgien/Deutschland/Luxemburg/Frankreich + Großbritannien, lief im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale, wurde vom Publikum wie auch von der (Mehrzahl der) Kritik hofiert und gefeiert und bekam dennoch - völlig unverständlicherweise - keinen Jury-Preis zugesprochen. Nicht mal den des Darstellerinnen-Hauptpreises, obwohl die inzwischen 60-jährige Pop-Legende Marianne Faithfull die wohl beeindruckendste schauspielerische Leistung im vielfach so faden Berlinale-Wettbewerbsprogramm ablieferte.

Die Tochter einer österreichischen Baroness und eines britischen Geheimdienstmajors, deren Gesangs-Karriere 1964 mit dem Hit "As Tears Go By" begann und die ihre Schauspielerkarriere 1966 in einem Godard-Film startete ("Made in U.S.A.") und zuletzt als Königin-Mutter in "Marie Antoinette" von Sophia Coppola agierte, spielt die etwas verhuschte Witwe Maggie. Die lebt "grau" wie angepasst wie im Grunde "unterwürfig" in einem langweiligen Londoner Vorort, mit lauter ebenso langweiligen wie versnobten Nachbarinnen. Als ihr heißgeliebter Enkel schwer erkrankt und nur eine teure OP in einer australischen Spezialklinik ihn retten kann, macht sie sich nach London auf, um das Geld zu beschaffen.

Sie heuert, naiv wie unwissend, in einem Sex-Club an. Als Hostess". Sie glaubt, damit sei "Saubermachen und so was" gemeint, wird dann aber als Irina Palm - ob ihrer "magischen Hände" - zur vielbegehrten "wichsenden Kabinen-Oma". Was ihren Sohn auf die Palme bringt, in der häuslichen Nachbarschaft für Erstaunen und Aufsehen sorgt, sie mit der Schwiegertochter Frieden schließen und schließlich sogar dem Clubboss emotional "näherkommen" lässt. Maggie-Irina Palm (auf deutsch: Handinnenfläche) auf ihrer großen Identitäts- bzw. Selbstfindungsreise.

Das hätte natürlich unangenehm-schmuddlig, doof-verlogen bis peinlich werden können, wurde es aber überhaupt nicht, ganz im Gegenteil: Der Film "Irina Palm" ist ein Meisterwerk an wunderbarem Fingerspitzengefühl, an ebenso sanfter wie anrührender Menschlichkeit. Besteht aus feinsten, leisen Pointen und kribbelt lustvoll-amüsant, wenn plötzlich aus einem bekannten "Tennisarm" eine Behinderung namens "Penisarm" auftaucht. Eine zutiefst humane, leichthändig-ironische Tragikomödie, mit viel angenehm-britischer, also lakonisch-doppelbödiger Moral in Sachen bigotter Bürgertum-Heuchelei.

Eine wunderbar unterhaltsame Charmerei, die mit zwei überragenden Hauptakteuren aufwartet: Der gebürtige 56-jährige Belgrader Miki Manojlovic, mit dem zerknitterten Lebemann-Face, ist seit seinem unvergesslichen Auftritt in Emir Kusturicas grandiosem Meisterwerk "Papa ist auf Dienstreise" (1985) international bekannt (später zum Beispiel auch in den Kusturica-Filmen "Underground" und "Schwarze Katze, Weißer Kater" sowie in "Tor zum Himmel" von Veit Helmer zu sehen). Er spielt den "verhinderten Bogart" mit genau der richtigen Mischung aus geschäftiger Gefährlichkeit plus melancholischer Einsamkeit und dient als überzeugender, passender (Stichwortgeber-)Partner der hier wirklich unglaublich-grandios-virtuosen Marianne Faithfull. Wie diese ihre "Irina" mit sparsamsten, simplen, ruhigen Gesten, Blicken, Bewegungen, mit ihrer spannend-dicht-reizvollen, unangestrengt-naiven, überzeugenden, nahegehenden Körpersprache klug vermittelt, ist überwältigend, sensationell, einzigartig, hinreißend. Ein sensibles wie originelles Kraftpaket von Großmutter, die man einfach gern haben muss, in einem dieser klasse-feinen britischen Sozial-Märchen mit realem Kern und höchstem Unterhaltungswert.


"Hot Fuzz - Zwei abgewichste Profis"
Großbritannien 2007. Regie: Edgar Wright. Darsteller: Simon Pegg, Nick Frost, Jim Broadbent, Anne Reid, Steve Coogan, Timothy Dalton u.a.

Regisseur Edgar Wright (Co-B+R) war schon 2004 mit seinem Co-Autor Simon Pegg für den schrägen Zombie-Jux "Shaun Of The Dead - Ein Zombie kommt selten allein" verantwortlich. Hier nun, in dieser schwarzen Vorjahres-Komödie aus Britannien mit dem Originaltitel "Hot Fuzz" (also so was wie "Ein heißes Faß aufmachen..."), reagieren sie sich in einer Art Action-Parodie ab, die zwischen Klamotte und Gescheit pendelt und den Sehr aktiven Londoner Polizisten Nick Angel (Co-Autor Simon Pegg) in den Mittelpunkt stellt. Nick ist ebenso daueraktiv-hektisch wie erfolgreich wie unbeliebt. Seine Erfolgsquote geht seinem dienstlichen Umfeld buchstäblich "auf den Sack", also wird er in die ruhige Provinz abgeschoben, wo er zunächst sofort Fettnäpfchen auf Fettnäpfchen "beackert".

Doch dann zeigt sich: Hier ist es alles andere als idyllisch, sondern noch viel schlimmer als im vergleichsweise "harmlosen" Hauptstadt-Trubel, nämlich zunehmend krimineller und mörderischer. "Hot Fuzz" ist eine überkandidelte, schwarzhumorige Verbeugung an das amerikanische Spektakel-Genre der Buddy- und Polizei-Movies a la "Stirb langsam", "Lethal Weapon - Zwei stahlharte Profis" oder und vor allem "Bad Boys 1 + 2". Dazu: Schwarzer Insel-Humor, ausgerichtet mit treffsicheren Dialogen und augenzwinkernden Realitätsverweisen (zum Beispiel auf das in GB bereits viel weiter entwickelte System der Video-Überwachung).

Bisweilen absurd-ulkig, natürlich zitatenreich bis zum Abwinken, nicht durchgehend aufregend, mit zotigen deutschen Synchroneinschüben, aber längst nicht so dämlich-peinlich wie Hollywood-Parodien a la "Scary Movie" oder "Fantastic Movie". Sympathisch-launiges Schabernack-Kino der Anspielungen; begrenzt nett-unterhaltsam. Mit zudem einer originellen Augenweide: Ex-007-Darsteller Timothy Dalton läuft als schmieriger Supermarkt-Impressario zu komischer Höchstform auf.