Schottland

Nicht alle wollen "Yes" sagen

Eine Person hält mehrere Papierflaggen in der Hand. Sowohl welche mit Schottlands Wappen als auch dem Union Jack.
Sein, oder nicht sein? Im Fall Schottland geht es um die Frage des Unabhängig-Seins. © afp / Ben Stansall
Von Jochen Spengler  · 17.09.2014
Das Schottland-Referendum am Donnerstag verspricht ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern der Unabhängigkeit zu werden. "Yes or no?" - das ist morgen die entscheidende Frage.
Zumindest den Kampf um die Plakatwände und Küchenfenster hat die Unabhängigkeitsbewegung schon gewonnen. Überall in Schottland leuchtet einem das weiße Yes entgegen. Ja zu einem eigenen Staat. Yes ist sexy , wird suggeriert. Es ist eine Botschaft von Optimismus, guter Laune, Begeisterung - und Jubel, wo auch immer der Anführer der Ja-Kampagne und Ministerpräsident Alex Salmond auftritt. Doch das ist nicht das vollständige Bild. Viele Schotten, die für den Erhalt Großbritanniens und gegen die Unabhängigkeit sind, fühlen sich zunehmend eingeschüchtert.
"Es gibt in Schottland ein Schwarz-Weiß-Denken, eine Tradition, Menschen, die nicht hundertprozentig mit einem selbst übereinstimmen, als übel und bösartig zu betrachten und zu beschimpfen. Es ist dieses: Wer-nicht-für-uns-ist-ist-gegen uns. Ein großes Problem."
gibt der Blogger Gerry Hassan zu, selbst ein Ja-Anhänger, den wir in einem Glasgower Café treffen.
Bedrohung kritischer Journalisten
Als Gerry gegangen ist, flüstert uns die freundliche Kellnerin zu, sie werde mit No stimmen. Nein, ins Mikrofon wolle sie das nicht sagen; auch Jim, der Café-Besitzer, ist gegen die Unabhängigkeit, bittet aber um Verständnis dafür, dass er sich nicht öffentlich äußere; seine Frau würde ihn schlachten, denn die habe einen herausgehobenen Posten bei der BBC, und er wolle auch nicht von Kunden attackiert werden.
Die Unabhängigkeitsbewegung hat die Lufthoheit über den Stammtischen erobert und ist wenig zimperlich gewesen, Better-Together-Plakate abzureißen, Andersdenkende niederzuschreien und sie im Internet mit einem Shitstorm aus Beleidigungen zu überziehen. Auch die Bedrohung von kritischen Journalisten oder Unternehmen ist kein Tabu.
"It can be intimidating and it's not very pleasant."
Die könnten einschüchternd sein und nicht sehr angenehm, sagt Ian McGill. Der 37-jährige hat einen markanten, kahl geschorenen Schädel. Auf dem schwarzen Anorak ein roter Button mit No. Ian macht Wahlkampf für Better Together - die No-Seite.
Die Unabhängigkeistbewegugn Yes Scotland trägt traditionell blau/weiß und hofft auf einen Austritt aus Großbritannien
Die Unabhängigkeistbewegugn Yes Scotland trägt traditionell blau/weiß und hofft auf einen Austritt aus Großbritannien© AFP/Leon Neil
"Es gibt eine organisierte Taktik der Ja-Kampagne. Wir würden nicht daran denken, in ihre Versammlungen zu gehen und sie zu stören und zu unterbrechen. Aber die Ja-Kampagne macht das. Sie besteht zwar nicht nur aus SNP-Leuten, aber hauptsächlich."
Tatsächlich wird die breite, bunte Basisbewegung für ein unabhängiges Schlaraffenland im Hintergrund von Alex Salmonds Schottischer Nationalpartei orchestriert, deren straffe Kader die Fäden ziehen. Dagegen wirken die Aktivisten der Better-Together-Kampagne oft wie versprengte Einzelkämpfer und Amateure.
"Hello we are just canvassing for the referendum. Would you open the doors please ..."
Ian klappert mit zwei Helfern in Edinburghs Osten eine Mehrfamilienhaus-Siedlung ab, befragt Wähler über ihre Wahlabsichten, verteilt Flugblätter.
"Hi, how are you doing ..."
Suzanne ist 32, jung verheiratet. Ein No-Plaket hängt sie nicht ins Fenster aus Angst, es könnte eingeworfen werden. Aber sie wird gegen die Unabhängigkeit stimmen:
"I'm voting no. Why are you voting no?
Weil wir eine Hypothek abzahlen und ich einen Job habe, will ich keine Veränderung und Unterbrechung. Es wäre unsicher und ich befürchte, sie müssten die Steuern erhöhen."
"Hi Sorry to bother you ..."
Auch Scott, ein 26-jähriger im Nachbarhaus ist für ein Nein.
"I am a No-Voter."
"Uns geht's einigermaßen gut. Warum das ändern? "
Ian nickt. Er ist Mitglied der Konservativen Partei , er glaubt fest an den Sieg des Nein-Lagers und ist zufrieden. An diesem verregneten Nachmittag trifft er nur auf Wähler, die etwas zu verlieren haben und deswegen gegen Schottlands Alleingang stimmen wollen.
Cameron hat intensiv für den Verbleib Schottlands im Vereinigten Königreich geworben
Auch Ians Parteichef David Cameron hofft darauf, dass sich morgen die so genannten "Shy No's", die eingeschüchterten Gegner der Unabhängigkeit an der Wahlurne als schweigende Mehrheit entpuppen.
"Verlieren Sie nicht den Glauben daran, was dieses Land ist und sein kann.. Kehren Sie nicht der besten Familie von Nationen weltweit den Rücken. Bitte wählen Sie zusammenzustehen, unser United Kingdom zu retten!"
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