"Schon ein bisschen schizophren"

Björn Luley im Gespräch mit Susanne Führer · 26.03.2013
Obwohl durch den EU-Rettungsplan Zypern vorerst gerettet zu sein scheint, gibt es weiterhin europa- und deutschlandfeindliche Proteste. Viele Zyprer wissen aber dennoch, dass "die Banken hier eine Politik gemacht haben, die die Volkswirtschaft ins Strudeln gebracht hat", sagt Björn Luley, Leiter des Goethe-Institut in Nikosia.
Susanne Führer: Vielleicht haben Sie es gerade in den Nachrichten gehört, die Banken auf Zypern sollen nun erst am Donnerstag öffnen. Das ist aber wohl nur eine der kleineren Unannehmlichkeiten, Zypern muss harte Auflagen erfüllen, die härtesten von allen Ländern, die bisher ein Rettungspaket der Europäischen Union in Anspruch genommen haben. Wie lebt es sich unter diesen Bedingungen? Das will ich nun von Björn Luley wissen. Er leitet das Goethe-Institut in Nikosia. Guten Tag, Herr Luley!

Björn Luley: Guten Tag!

Führer: Tja, die Banken sind geschlossen, die Bankautomaten geben nur begrenzte Summen aus – kommen Sie noch hin mit Ihrem Geld? Können Sie Ihren Kaffee noch bezahlen?

Luley: Ja. Kein Problem, und die meisten Zyprer können das auch. Und ich bin eben gerade aus der Mittagspause, als ich zum Institut ging, noch mal durch die Hauptverkehrsstraße in Nikosia gegangen. Die Leute sitzen im Café, die Läden sind geöffnet, es gibt keine Schlangen. Es gibt nur ganz viele Kamerateams, die vor einer Bankfiliale stehen und warten. Und ich weiß nicht, welche Vorstellungen die haben. Wahrscheinlich erwarten sie irgendwelche Handgreiflichkeiten, wenn die Banken wieder aufmachen, übrigens nicht am Donnerstag – unsere Information hier ist, dass sie am Freitag erst wieder aufmachen.

Führer: Die Information ändert sich ja auch ständig. Also, offenbar sind nur die Journalisten in Aufruhr, aber die Zyprer nicht.

Luley: Ja, den Eindruck muss man leider haben, denn auch wenn man mit den Zyprern spricht – natürlich ist das Gesprächsthema Nummer eins, weil die Zukunft sich doch etwas verdüstert hat, vor allen Dingen eben für die vielen Mitarbeiter, die im Finanzbereich, vor allen Dingen bei Banken arbeiten. Aber ansonsten geht das Leben seinen normalen Gang, die Leute gehen zur Arbeit, sie können tanken an den Tankstellen, sie bekommen auch Geld an den Geldautomaten, also von irgendwelchen Untergangsstimmungen ist das Land wirklich weit entfernt.

Führer: Dabei sind die Auflagen ja nicht ohne. Also, Anleger müssen einen großen Teil ihres Vermögens abgeben, 30 bis 40 Prozent ist da die Rede, wenn man über 100.000 Euro da liegen hat, und das betrifft ja nicht nur die berühmten russischen Oligarchen, sondern auch mittelständischen Betrieb. Die Banken werden zerschlagen, der Finanzsektor, von dem Zypern ja hauptsächlich …

Luley: Nein, nein, Moment! Die Banken werden nicht zerschlagen. Es geht vor allen Dingen um eine der beiden großen Banken, die Laiki-Bank, die also seit Monaten schwächelt, und die soll, ja, in eine Good bank und eine Bad bank aufgeteilt werden, wobei also die Good bank mit der Bank of Cyprus zusammengelegt wird. Und die Bad bank, ich meine, das haben wir ja auch in Deutschland teilweise, die muss eben die Kredite, die nicht mehr zurückgezahlt werden, in irgendeiner Form dann abschreiben. Aber es ist nicht so, dass jetzt das Bankensystem zerschlagen werden soll.

Führer: Gut, aber der Finanzsektor insgesamt soll drastisch verkleinert werden, und von dem hat ja Zypern bisher zu großen Teilen gelebt.

Luley: Das ist richtig, ja.

Führer: Das heißt ja – ich meine, ich bin jetzt hier nicht die Wirtschaftsfachfrau, aber nach allem, was ich dazu gelesen habe, die Arbeitslosigkeit wird kräftig steigen, die Wirtschaftsleistung schrumpfen.

Luley: Also, das was man hier der Presse entnimmt, ist in der Tat so, dass der Finanzsektor, und das sind ja nicht nur die Banken, sondern das sind auch Finanzdienstleistungen, also die großen Firmen wie Pricewaterhouse oder Deloitte, die eben internationale Rechnungsprüferinstitutionen sind, die alle hier sehr stark vertreten sind. Das ist ein Bereich, der sicherlich weiterarbeiten wird, aber zum Beispiel die Laiki-Bank ist eben eine Bank, die sehr stark hier in Zypern in allen Orten vertreten ist und auch in Griechenland zum Beispiel, wenn die abgewickelt wird, dann wird das sicherlich eine ganze Reihe von Arbeitskräften arbeitslos machen, in der Tat.

Führer: Sagt Björn Luley, er leitet das Goethe-Institut in Nikosia. Herr Luley, ich weiß nicht, wie viel Kontakt Sie jetzt mit Zyprern haben, denn diese Aussicht muss ja doch, denke ich, auf die Stimmung drücken. Herrscht eher Wut oder vielleicht Resignation oder Verzweiflung vor?

Luley: Nein, also Verzweiflung sicherlich nicht, ich meine, es sei denn, bei der Gruppe, die eben doch wahrscheinlich sehr viel Geld verlieren wird durch diesen Schuldenschnitt, also bei den Konten über 100.000, aber das ist sicher nicht jetzt jeder zweite Zyprer. Die Leute waren sehr aufgebracht bei dem sogenannten Ersten Rettungspaket, das also letzte Woche Dienstag hier im Parlament beraten wurde, weil sie gesagt haben, das kann doch nicht angehen, dass es in der gesamten Europäischen Union eine Sicherungsgrenze bei 100.000 liegt, und bei uns wollen sie anfangen bei 20.000. Und da haben die Leute demonstriert, und ich meine auch, zu recht. Und diese Forderung ist ja dann bei der Nachverhandlung dann sehr schnell vom Tisch gekommen.

Und ich glaube, es ist ganz wichtig auch, und es wird auch schon gemacht, dass man hier der Öffentlichkeit reinen Wein einschenkt und sagt: Diese Forderung, eben auch Anleger beziehungsweise Sparer unter 100.000 zur Kasse zu bitten, ist im Wesentlichen eine Forderung gewesen, die von zyprischer Seite kam, um eben die Großanleger, die mehr als 100.000 angelegt haben, nicht über die Grenze von zehn Prozent hinaus abzuschöpfen. Und das war nicht irgendein Druck seitens der EU oder der deutschen Seite, und das muss man den Zyprern sagen. Und wenn man das in einem ruhigen Ton sagt und ohne Überheblichkeit, dann verstehen die das und das wissen die auch. Natürlich sucht man in solchen Situationen immer einen Sündenbock und die Medien, übrigens auch in Deutschland sind immer sehr schnell bei der Hand, irgendwelche wohlfeilen Sündenböcke herauszufinden, aber …

Führer: Wo werden denn die Sündenböcke zurzeit gesucht und gefunden?

Luley: Ja, also heute gab es zum Beispiel vor dem Präsidentenpalast und nicht etwa vor dem zyprischen Parlament, wie "Spiegel online" fälschlich meldete, denn vor dem Parlament stehen drei Polizisten und es ist völlig ruhig dort. Ich bin gerade vor einen Viertelstunde dort gewesen. Dort, wenn da ein paar Studenten oder Schüler demonstrieren mit einem Plakat "Hitler, Merkel, same shit", dann sind das eine Handvoll Leute, ich meine …

Führer: Ja, aber ich wollte jetzt ja nicht über die Handvoll sprechen. Können Sie das irgendwo so einschätzen, wo so größere Bevölkerungskreise, wo sie die Schuldigen sehen – ist es die EU, ist es Deutschland, gibt es auch so etwas wie Selbstkritik, ist es Fassungslosigkeit?

Luley: Also die – ich kann nur sagen, dass es mit den Zyprern, mit denen ich Kontakt habe und mit denen ich darüber spreche – und ich suche auch das Gespräch, gerade auch, weil ich das Gefühl habe, dass manchmal die Zyprer von einigen ihrer Medien da in eine Richtung gelenkt werden, als wäre jetzt Deutschland das Land, das jetzt hier die Daumenschrauben ansetzt. Die Leute, mit denen ich spreche, die sagen, irgendwie sind wir natürlich schon ein bisschen schizophren, dass wir auf der einen Seite wissen, dass die Banken hier eine Politik gemacht haben, die die Volkswirtschaft ins Strudeln gebracht hat, und andererseits demonstrieren einige hier gegen Europa oder gegen Deutschland, dass uns im Grunde genommen jetzt in dieser Situation hilft vor dem Untergang. Da sind sich intelligente Zyprer, und die meisten sind intelligent, sind sich schon darüber im Klaren. Dass man eher einfältige Leute mit einem Schwarz-Weiß-Bild, das der Realität nicht entspricht, leicht zu Äußerungen wie dem eben zitierten bringen kann, das ist international und das würden Sie auch in Deutschland in so einer Situation finden.

Führer: Gestern war ja Nationalfeiertag in Griechenland, da sind die Menschen mit Zypernfahnen auf die Straße gegangen. Da konnte man ja denken, es gibt da so eine neue Verbrüderung von Griechen und Zyprern.

Luley: Ja gut, das Verhältnis der griechischen Zyprer zu dem vermeintlichen Mutterland Griechenland ist ja nun ein ganz besonderes, und ich meine, das ist zum Beispiel auch einer der Gründe, weshalb die hiesigen Großbanken in den vergangenen Jahren doch in sehr großem, wie sich jetzt herausgestellt hat, zu großem Maße, griechische Staatsanleihen aufgekauft haben, um eben Griechenland zu helfen. Das, ja, gut, das müssen die Griechen wissen, ob das sinnvoll ist. Ich kann nur sagen, bei einer Demonstration letzten Freitag vor dem Parlament habe ich zum ersten Mal eine Demonstration hier erlebt, in denen junge Leute nur zyprische Fahnen getragen haben, keine Fahne von Griechenland oder von Russland oder wem auch immer.

Und ich hab heute morgen mit einer hiesigen Journalistin gesprochen, die sagt, hoffentlich ist diese Situation, in der Zypern im Moment sich befindet, für viele auch mal ein Anlass, nachzudenken, ob eine Identität als Zyprer nicht vielleicht sinnvoller ist, als sich doch häufig mehr zu identifizieren mit dem vermeintlichen Mutterland Griechenland. Bei den griechischen Zyprioten und bei den türkischen Zyprioten mit dem vermeintlichen Mutterland Türkei. Und ich kann diese Hoffnung eigentlich nur teilen.

Führer: Das sagt Susanne Führer: Vielleicht haben Sie es gerade in den Nachrichten gehört, die Banken auf Zypern sollen nun erst am Donnerstag öffnen. Das ist aber wohl nur eine der kleineren Unannehmlichkeiten, Zypern muss harte Auflagen erfüllen, die härtesten von allen Ländern, die bisher ein Rettungspaket der Europäischen Union in Anspruch genommen haben. Wie lebt es sich unter diesen Bedingungen? Das will ich nun von Björn Luley wissen. Er leitet das Goethe-Institut in Nikosia. Guten Tag, Herr Luley!

Björn Luley: Guten Tag!

Führer: Tja, die Banken sind geschlossen, die Bankautomaten geben nur begrenzte Summen aus – kommen Sie noch hin mit Ihrem Geld? Können Sie Ihren Kaffee noch bezahlen?

Luley: Ja. Kein Problem, und die meisten Zyprer können das auch. Und ich bin eben gerade aus der Mittagspause, als ich zum Institut ging, noch mal durch die Hauptverkehrsstraße in Nikosia gegangen. Die Leute sitzen im Café, die Läden sind geöffnet, es gibt keine Schlangen. Es gibt nur ganz viele Kamerateams, die vor einer Bankfiliale stehen und warten. Und ich weiß nicht, welche Vorstellungen die haben. Wahrscheinlich erwarten sie irgendwelche Handgreiflichkeiten, wenn die Banken wieder aufmachen, übrigens nicht am Donnerstag – unsere Information hier ist, dass sie am Freitag erst wieder aufmachen.

Führer: Die Information ändert sich ja auch ständig. Also, offenbar sind nur die Journalisten in Aufruhr, aber die Zyprer nicht.

Luley: Ja, den Eindruck muss man leider haben, denn auch wenn man mit den Zyprern spricht – natürlich ist das Gesprächsthema Nummer eins, weil die Zukunft sich doch etwas verdüstert hat, vor allen Dingen eben für die vielen Mitarbeiter, die im Finanzbereich, vor allen Dingen bei Banken arbeiten. Aber ansonsten geht das Leben seinen normalen Gang, die Leute gehen zur Arbeit, sie können tanken an den Tankstellen, sie bekommen auch Geld an den Geldautomaten, also von irgendwelchen Untergangsstimmungen ist das Land wirklich weit entfernt.

Führer: Dabei sind die Auflagen ja nicht ohne. Also, Anleger müssen einen großen Teil ihres Vermögens abgeben, 30 bis 40 Prozent ist da die Rede, wenn man über 100.000 Euro da liegen hat, und das betrifft ja nicht nur die berühmten russischen Oligarchen, sondern auch mittelständischen Betrieb. Die Banken werden zerschlagen, der Finanzsektor, von dem Zypern ja hauptsächlich …

Luley: Nein, nein, Moment! Die Banken werden nicht zerschlagen. Es geht vor allen Dingen um eine der beiden großen Banken, die Laiki-Bank, die also seit Monaten schwächelt, und die soll, ja, in eine Good bank und eine Bad bank aufgeteilt werden, wobei also die Good bank mit der Bank of Cyprus zusammengelegt wird. Und die Bad bank, ich meine, das haben wir ja auch in Deutschland teilweise, die muss eben die Kredite, die nicht mehr zurückgezahlt werden, in irgendeiner Form dann abschreiben. Aber es ist nicht so, dass jetzt das Bankensystem zerschlagen werden soll.

Führer: Gut, aber der Finanzsektor insgesamt soll drastisch verkleinert werden, und von dem hat ja Zypern bisher zu großen Teilen gelebt.

Luley: Das ist richtig, ja.

Führer: Das heißt ja – ich meine, ich bin jetzt hier nicht die Wirtschaftsfachfrau, aber nach allem, was ich dazu gelesen habe, die Arbeitslosigkeit wird kräftig steigen, die Wirtschaftsleistung schrumpfen.

Luley: Also, das was man hier der Presse entnimmt, ist in der Tat so, dass der Finanzsektor, und das sind ja nicht nur die Banken, sondern das sind auch Finanzdienstleistungen, also die großen Firmen wie Pricewaterhouse oder Deloitte, die eben internationale Rechnungsprüferinstitutionen sind, die alle hier sehr stark vertreten sind. Das ist ein Bereich, der sicherlich weiterarbeiten wird, aber zum Beispiel die Laiki-Bank ist eben eine Bank, die sehr stark hier in Zypern in allen Orten vertreten ist und auch in Griechenland zum Beispiel, wenn die abgewickelt wird, dann wird das sicherlich eine ganze Reihe von Arbeitskräften arbeitslos machen, in der Tat.

Führer: Sagt Björn Luley, er leitet das Goethe-Institut in Nikosia. Herr Luley, ich weiß nicht, wie viel Kontakt Sie jetzt mit Zyprern haben, denn diese Aussicht muss ja doch, denke ich, auf die Stimmung drücken. Herrscht eher Wut oder vielleicht Resignation oder Verzweiflung vor?

Luley: Nein, also Verzweiflung sicherlich nicht, ich meine, es sei denn, bei der Gruppe, die eben doch wahrscheinlich sehr viel Geld verlieren wird durch diesen Schuldenschnitt, also bei den Konten über 100.000, aber das ist sicher nicht jetzt jeder zweite Zyprer. Die Leute waren sehr aufgebracht bei dem sogenannten Ersten Rettungspaket, das also letzte Woche Dienstag hier im Parlament beraten wurde, weil sie gesagt haben, das kann doch nicht angehen, dass es in der gesamten Europäischen Union eine Sicherungsgrenze bei 100.000 liegt, und bei uns wollen sie anfangen bei 20.000. Und da haben die Leute demonstriert, und ich meine auch, zu recht. Und diese Forderung ist ja dann bei der Nachverhandlung dann sehr schnell vom Tisch gekommen.

Und ich glaube, es ist ganz wichtig auch, und es wird auch schon gemacht, dass man hier der Öffentlichkeit reinen Wein einschenkt und sagt: Diese Forderung, eben auch Anleger beziehungsweise Sparer unter 100.000 zur Kasse zu bitten, ist im Wesentlichen eine Forderung gewesen, die von zyprischer Seite kam, um eben die Großanleger, die mehr als 100.000 angelegt haben, nicht über die Grenze von zehn Prozent hinaus abzuschöpfen. Und das war nicht irgendein Druck seitens der EU oder der deutschen Seite, und das muss man den Zyprern sagen. Und wenn man das in einem ruhigen Ton sagt und ohne Überheblichkeit, dann verstehen die das und das wissen die auch. Natürlich sucht man in solchen Situationen immer einen Sündenbock und die Medien, übrigens auch in Deutschland sind immer sehr schnell bei der Hand, irgendwelche wohlfeilen Sündenböcke herauszufinden, aber …

Führer: Wo werden denn die Sündenböcke zurzeit gesucht und gefunden?

Luley: Ja, also heute gab es zum Beispiel vor dem Präsidentenpalast und nicht etwa vor dem zyprischen Parlament, wie "Spiegel online" fälschlich meldete, denn vor dem Parlament stehen drei Polizisten und es ist völlig ruhig dort. Ich bin gerade vor einen Viertelstunde dort gewesen. Dort, wenn da ein paar Studenten oder Schüler demonstrieren mit einem Plakat "Hitler, Merkel, same fit", dann sind das eine Handvoll Leute, ich meine …

Führer: Ja, aber ich wollte jetzt ja nicht über die Handvoll sprechen. Können Sie das irgendwo so einschätzen, wo so größere Bevölkerungskreise, wo sie die Schuldigen sehen – ist es die EU, ist es Deutschland, gibt es auch so etwas wie Selbstkritik, ist es Fassungslosigkeit?

Luley: Also die – ich kann nur sagen, dass es mit den Zyprern, mit denen ich Kontakt habe und mit denen ich darüber spreche – und ich suche auch das Gespräch, gerade auch, weil ich das Gefühl habe, dass manchmal die Zyprer von einigen ihrer Medien da in eine Richtung gelenkt werden, als wäre jetzt Deutschland das Land, das jetzt hier die Daumenschrauben ansetzt. Die Leute, mit denen ich spreche, die sagen, irgendwie sind wir natürlich schon ein bisschen schizophren, dass wir auf der einen Seite wissen, dass die Banken hier eine Politik gemacht haben, die die Volkswirtschaft ins Strudeln gebracht hat, und andererseits demonstrieren einige hier gegen Europa oder gegen Deutschland, dass uns im Grunde genommen jetzt in dieser Situation hilft vor dem Untergang. Da sind sich intelligente Zyprer, und die meisten sind intelligent, sind sich schon darüber im Klaren. Dass man eher einfältige Leute mit einem Schwarz-weiß-Bild, das der Realität nicht entspricht, leicht zu Äußerungen wie dem eben zitierten bringen kann, das ist international und das würden Sie auch in Deutschland in so einer Situation finden.

Führer: Gestern war ja Nationalfeiertag in Griechenland, da sind die Menschen mit Zypernfahnen auf die Straße gegangen. Da konnte man ja denken, es gibt da so eine neue Verbrüderung von Griechen und Zyprern.

Luley: Ja gut, das Verhältnis der griechischen Zyprer zu dem vermeintlichen Mutterland Griechenland ist ja nun ein ganz besonderes, und ich meine, das ist zum Beispiel auch einer der Gründe, weshalb die hiesigen Großbanken in den vergangenen Jahren doch in sehr großem, wie sich jetzt herausgestellt hat, zu großem Maße, griechische Staatsanleihen aufgekauft haben, um eben Griechenland zu helfen. Das, ja, gut, das müssen die Griechen wissen, ob das sinnvoll ist. Ich kann nur sagen, bei einer Demonstration letzten Freitag vor dem Parlament habe ich zum ersten Mal eine Demonstration hier erlebt, in denen junge Leute nur zyprische Fahnen getragen haben, keine Fahne von Griechenland oder von Russland oder wem auch immer.

Und ich hab heute morgen mit einer hiesigen Journalistin gesprochen, die sagt, hoffentlich ist diese Situation, in der Zypern im Moment sich befindet, für viele auch mal ein Anlass, nachzudenken, ob eine Identität als Zyprer nicht vielleicht sinnvoller ist, als sich doch häufig mehr zu identifizieren mit dem vermeintlichen Mutterland Griechenland. Bei den griechischen Zyprioten und bei den türkischen Zyprioten mit dem vermeintlichen Mutterland Türkei. Und ich kann diese Hoffnung eigentlich nur teilen.

Führer: Das sagt Björn Luley. Er leitet das Goethe-Institut in Nikosia. Danke für das Gespräch, Herr Luley!

Luley: Bitte schön, auf Wiederhören!

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