Schöne neue Arbeitswelt
Wirtschaftskrise, Globalisierung, drohender Klimawandel - die Arbeitswelt hat sich gravierend verändert. Wohin dieser Prozess in den nächsten Jahren führen könnte, untersucht das Hygiene-Museum in Dresden in der Ausstellung "Arbeit, Sinn und Sorge".
Fünf Dinge braucht ein arbeitender Mensch, zumindest sollte er um ihre metaphorische Bedeutung wissen: Krug, Hammer, Papier, Puppe und Schuh sind es, die vielfach variiert als "Ding-Spur" die multimedial hochgerüstete Ausstellung über "Arbeit, Sinn und Sorge" im Hygiene-Museum durchziehen, die keine Orientierung, aber mehr oder weniger feinsinnige Anhaltspunkte bieten. Da ist zum Beispiel der Krug: einmal in Gestalt einer Thermostasse für den gestressten, vom Jetlag geplagten Manager, dann als Gießkanne eines bodenständigen Gärtners. Zum Objekt geadelt, unter Glas präsentiert: Die Blechbrause hat Patina, schaut edel aus – und macht vergessen, dass der Durchschnittsgärtner von heute den Großflächenanbau mit GPS-gesteuerten Automaten bewältigen muss. Vom grauen Arbeitsalltag keine Spur. Stattdessen verweist ein umfunktionierter Ölkanister sehr theatralisch auf die Mühen tansanischer Mütter, in Afrika die tägliche Wasserration zu besorgen. Aber wie soll jemand hierzulande allein durch Arbeit etwas an diesen Verhältnissen in der Dritten Welt ändern?
"Ihre Frage suggeriert ja schon irgendwie so eine fröhliche Ohnmacht. Wenn es darum geht, konkrete Veränderungen zu machen, ist man eigentlich – sofern man nicht gerade Bundeskanzler ist – immer in der Situation der Machtlosigkeit. Und deshalb scheint uns das ein falsches Argument zu sein, zu fragen Wie soll das gehen?"
Realismus, gar der Blick auf ökonomische Bedingungen ist nicht gefragt, wenn Kurator Daniel Tyradellis den Vorhang für sein kunterbuntes, von Gegenwartssorgen unbelastetes Puppentheater lüftet: In animierten Videos fabulieren Marionetten wie der Pizzabäcker oder die Eventgeigerin über ihre Situation im Jahr 2030, verschwenderisch ausgestattet mit Grundlohn und Öko-Geld:
"Es ist super, super, super, super. Weil: in Zeiten wo Pizzeria nicht so – sagen wir mal – läuft, na ich habe Grundeinkommen, das Bürgergeld. – Wenn’s ums globale ökologische Geld geht, da lass ich nicht mit mir spaßen. Ich bin jeden Tag früher auf die Straße gegangen, damit wir es endlich kriegen. Und jetzt haben wir’s, jetzt rückt die Welt mehr zusammen und wir haben uns alle mehr lieb."
Konflikte werden denn auch ausgespart. Zum Leitmotiv "Puppe" sehen wir in einer weiteren Vitrine den Pullover mit Firmenlogo, von einer Kassiererin angeblich gehütet wie ein Augapfel, aus Verbundenheit mit dem Unternehmen. Weder repräsentativ noch glaubhaft diese Loyalität: gab es da nicht die illegale Videoüberwachung, peinliche Verhöre nach längerer Krankheit und den Rauswurf einer Kassiererin wegen Unterschlagung von einem Euro? All das ist hier bereits Schnee von gestern, kommt in dieser verwirrend üppig, aber eben auch sehr beliebig illustrierten Nummernrevue zur "Zukunft der Arbeit" nicht vor. Es fehlt aber auch das Auto. Denn ein Ford könnte ja das Fließband symbolisieren, der Fiat stünde für die typisch italienische Ausbeutung in kleinen, vereinzelten "Schwitzbuden", Volvo erinnerte an die Humanisierung der Fabrik durch Gruppenarbeit und Toyota an das japanische "Kanban"-System, jene "just in time"-Produktion, die heute per Internet und Mobiltelefon noch den letzten Feiertag zum 24-Stunden-Arbeitstag macht. Doch Facetten industrieller Arbeitsorganisation, Hierarchien und Abhängigkeiten, gar das böse Wort von der "Entfremdung" sind im hippen Domizil der Berliner "Praxis für Ausstellungen und Theorie" tabu. Dort geht es nach der Papierform, wie ein Blick in den Materialienteil des Katalogs beweist: eine wirre, einige hundert Seiten dicke Collage von Merkzetteln, Kurzbriefen und Zitatfetzen mit handschriftlichen Anmerkungen – von keinerlei Publikumsinteresse, geeignet allenfalls als Arbeitsnachweis für den Geldgeber, die Bundeskulturstiftung.
Doch Papier ist nicht nur geduldig – es zählt hier auch zu den fünf Symbolen für die Arbeit: nicht einfach mit dem handfesten Verweis auf das immer wichtigere Büro, sondern – philosophisch hübsch geschraubt – als ursprüngliches Produktionsmedium für ein "System der Zeichen". Früher hieß so etwas Buch, und darin haben Reporter wie Studs Terkel in Chicago oder französische Soziologen vom Schlage Pierre Bourdieus mit Interviews ausgeleuchtet, wie es tatsächlich an Fließbändern, Supermarktkassen und vor Computern zugeht. In Dresden dagegen haben die Ausstellungsmacher den Film zum "Leitmedium" erkoren – gewiss nicht in dokumentarischer Absicht. Ihre Reise in eine "Arbeitswelt" fernab jeder Realität gleicht Inszenierungen, die ein Bühnenkritiker treffend als "Rübenrausch-Theater" kennzeichnete. Zu sehen ist, was den Kuratoren gerade so durch den Kopf ging, und das war am Ende kein großer Gedanke, sondern eben nur so eine Idee:
"Wir wollten das so durchlässig machen wie möglich. Dass man sagt: Okay, Du magst das anders sehen, das find‘ ich in Ordnung. Ich zeige Dir nur hier, wie wir uns das gedacht haben."
Service:
"Arbeit, Sinn und Sorge"
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
25.06.09-11.04.10
"Ihre Frage suggeriert ja schon irgendwie so eine fröhliche Ohnmacht. Wenn es darum geht, konkrete Veränderungen zu machen, ist man eigentlich – sofern man nicht gerade Bundeskanzler ist – immer in der Situation der Machtlosigkeit. Und deshalb scheint uns das ein falsches Argument zu sein, zu fragen Wie soll das gehen?"
Realismus, gar der Blick auf ökonomische Bedingungen ist nicht gefragt, wenn Kurator Daniel Tyradellis den Vorhang für sein kunterbuntes, von Gegenwartssorgen unbelastetes Puppentheater lüftet: In animierten Videos fabulieren Marionetten wie der Pizzabäcker oder die Eventgeigerin über ihre Situation im Jahr 2030, verschwenderisch ausgestattet mit Grundlohn und Öko-Geld:
"Es ist super, super, super, super. Weil: in Zeiten wo Pizzeria nicht so – sagen wir mal – läuft, na ich habe Grundeinkommen, das Bürgergeld. – Wenn’s ums globale ökologische Geld geht, da lass ich nicht mit mir spaßen. Ich bin jeden Tag früher auf die Straße gegangen, damit wir es endlich kriegen. Und jetzt haben wir’s, jetzt rückt die Welt mehr zusammen und wir haben uns alle mehr lieb."
Konflikte werden denn auch ausgespart. Zum Leitmotiv "Puppe" sehen wir in einer weiteren Vitrine den Pullover mit Firmenlogo, von einer Kassiererin angeblich gehütet wie ein Augapfel, aus Verbundenheit mit dem Unternehmen. Weder repräsentativ noch glaubhaft diese Loyalität: gab es da nicht die illegale Videoüberwachung, peinliche Verhöre nach längerer Krankheit und den Rauswurf einer Kassiererin wegen Unterschlagung von einem Euro? All das ist hier bereits Schnee von gestern, kommt in dieser verwirrend üppig, aber eben auch sehr beliebig illustrierten Nummernrevue zur "Zukunft der Arbeit" nicht vor. Es fehlt aber auch das Auto. Denn ein Ford könnte ja das Fließband symbolisieren, der Fiat stünde für die typisch italienische Ausbeutung in kleinen, vereinzelten "Schwitzbuden", Volvo erinnerte an die Humanisierung der Fabrik durch Gruppenarbeit und Toyota an das japanische "Kanban"-System, jene "just in time"-Produktion, die heute per Internet und Mobiltelefon noch den letzten Feiertag zum 24-Stunden-Arbeitstag macht. Doch Facetten industrieller Arbeitsorganisation, Hierarchien und Abhängigkeiten, gar das böse Wort von der "Entfremdung" sind im hippen Domizil der Berliner "Praxis für Ausstellungen und Theorie" tabu. Dort geht es nach der Papierform, wie ein Blick in den Materialienteil des Katalogs beweist: eine wirre, einige hundert Seiten dicke Collage von Merkzetteln, Kurzbriefen und Zitatfetzen mit handschriftlichen Anmerkungen – von keinerlei Publikumsinteresse, geeignet allenfalls als Arbeitsnachweis für den Geldgeber, die Bundeskulturstiftung.
Doch Papier ist nicht nur geduldig – es zählt hier auch zu den fünf Symbolen für die Arbeit: nicht einfach mit dem handfesten Verweis auf das immer wichtigere Büro, sondern – philosophisch hübsch geschraubt – als ursprüngliches Produktionsmedium für ein "System der Zeichen". Früher hieß so etwas Buch, und darin haben Reporter wie Studs Terkel in Chicago oder französische Soziologen vom Schlage Pierre Bourdieus mit Interviews ausgeleuchtet, wie es tatsächlich an Fließbändern, Supermarktkassen und vor Computern zugeht. In Dresden dagegen haben die Ausstellungsmacher den Film zum "Leitmedium" erkoren – gewiss nicht in dokumentarischer Absicht. Ihre Reise in eine "Arbeitswelt" fernab jeder Realität gleicht Inszenierungen, die ein Bühnenkritiker treffend als "Rübenrausch-Theater" kennzeichnete. Zu sehen ist, was den Kuratoren gerade so durch den Kopf ging, und das war am Ende kein großer Gedanke, sondern eben nur so eine Idee:
"Wir wollten das so durchlässig machen wie möglich. Dass man sagt: Okay, Du magst das anders sehen, das find‘ ich in Ordnung. Ich zeige Dir nur hier, wie wir uns das gedacht haben."
Service:
"Arbeit, Sinn und Sorge"
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
25.06.09-11.04.10