Schöne Klamotte und schäbiger Ernst in Heidelberg

Von Frieder Reininghaus · 19.05.2012
Mit Richard Strauss' Oper "Ariadne auf Naxos" verabschiedet sich der gerade erst 32 Jahre alste Generalmusikdirektor Cornelius Meister nach sieben Jahren aus Heidelberg. Uraufgeführt wurde "Ariadne auf Naxos", für die Hugo von Hofmannsthal das Libretto schrieb, 1912 im kleinen Haus des Stuttgarter Hoftheaters.
Eine flache Bühne, hinter einem Gitterzaun in drei Stufen steil ansteigend und sich perspektivisch rasch verjüngend, zeigt den hochherrschaftlichen Park und das Stadtschlösschen des "reichsten Manns von Wien". Nachempfunden wurde eine Vorstadtbühne in der Zeit kurz vor dem ersten Weltkrieg.

Deren Mode und Uniformen zitiert Sabine Bickenstorfer herbei. Rechts und links, auch wie aus Pappe, Proszeniums-Logen, die ins Spiel mit einbezogen werden. In dem zeigt sich das Automobil als Vehikel des Fortschritts: Ab und zu werden Pappautos in die Szene geschleppt und tun so, als ob sie Gäste für die große Party ausspucken.

Eine Limousine kutschiert Zerbinetta herbei. Sie lässt sich zur Einstimmung auf den heutigen Auftritt erst einmal gründlich von einem Kürassier hin- und hernehmen. Ihre Karosse schaukelt bedenklich und funkelt zu jedem Höhepunkt mit den Scheinwerfern. Der junge Komponist der "Ariadne"-Tragödie, dem Anna Peshes Stimme und bornierten "Kunsternst" verleiht, entdeckt Abgründe.

Lorenzo Fioroni ließ der Klamotte ziemlich freien Lauf und schlug - "Deutschland macht mobil" - mit einer einst aktuellen Zeitung und dem wild um sich schießenden Militär den Bogen zum großen Krieg. Die zwiespältige Tragikomödie Hugo von Hofmannsthals und die ambivalente Musik von Richard Strauss wurde im Oktober 1912 in Stuttgart uraufgeführt. Im Heidelberger "Theaterzelt" verabschiedet sich der junge Generalmusikdirektor Cornelius Meister mit dieser Produktion in Richtung Wien, wo er die Leitung des Radiosinfonieorchesters übernimmt.

Aufs Neue riss der Meister das Auditorium zu einem Begeisterungssturm hin mit seiner Animation der Kontraste, dem ungehemmten Schwelgen im musikalischen Augenblick samt der Zelebration von Musik als "heiligster Kunst".

Den quirligen Vorbereitungen für eine Privatopernaufführung im Wiener Magnatenhaushalt folgt die Tragödie der von Theseus verlassenen Frau - ein Historienstück des frühen 20. Jahrhunderts mit schließlich allzu schwülem Text und einer von Richard Strauss an den Rand des Obszönen getriebenen Musik. Regisseur Fioroni zeigte den Abhub zum Welttheater in einer angeranzten Theatergarderobe, an deren Wand Griechenland-Plakate auf die einsame Insel verweisen. Hier brütet Yannick-Muriel Noah vor sich hin und leidet mit gewaltiger Stimme superstark in den Höhen. Nicht ganz glaubwürdig in diesem Ambiente erscheint die Selbsttäuschung bezüglich des neuen Glücks, das sich mit dem dunklen Bacchus einstellt. Man nimmt es als Rollenspiel, in dem der Baumstammtenor Ta'u Pupu'a das finale Glück mit einem "jungen Gott" in die Höhe stemmt.

Das Bemerkenswerteste am Heidelberger Ariadne-Abend ist das große Solo von Sharleen Joynt: Das Kesse der Stimmführerin einer ins 20. Jahrhundert transponierten commedia dell'arte eskaliert mit dem Singen von grenzwertigen Erfahrungen der Liebe zur Exaltation, deren Artistik man atemlos lauscht. Hat die Sopranistin Joynt schon zuletzt in Dessau als Despina in "Così fan tutte" überzeugt - als Zerbinetta entwickelt sie große Begeisterungsfähigkeit.
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