Schnelles Internet für Ostafrika

Helmut Asche im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 23.07.2009
Der Afrikanist Helmut Asche bezeichnet den Anschluss Ostafrikas an das Internet über Glasfaserkabel als "entscheidende Umentwicklung". Damit beginne sich eine "seltsam zweigeteilte Entwickung" zwischen schnell wachsendem Mobilfunk- und wenig entwickeltem Internet-Bereich zu schließen, sagte er.
Liane von Billerbeck: Wer in Ostafrika ins Internet wollte, der musste das bis jetzt über einen Satelliten tun. Von heute Abend ist das anders, da wird die Glasfaser-Kabelverbindung SeCom angeschlossen. Und auf dieses Kabel werden in Ostafrika große Hoffnungen gesetzt: für Wirtschaft, Kultur, Bildung und Politik. Professor Helmut Asche, studierter Volkswirt und Soziologe, war in Afrika für die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit tätig, viele Jahre auch als Regierungsberater in Burkina Faso, Ruanda und Kenia, und ist jetzt geschäftsführender Direktor des Instituts für Afrikanistik an der Universität Leipzig. Und von dort ist er telefonisch zugeschaltet. Ich grüße Sie!

Helmut Asche: Guten Morgen, Frau von Billerbeck!

von Billerbeck: Wie wichtig ist diese Glasfaserverbindung, also Internet für Ostafrika?

Asche: Ja, das ist schon eine ganz entscheidende Umentwicklung, die wir da haben. Sehen Sie, in Afrika hatten wir bislang zwei ganz unterschiedliche Trends, die man auch im Kopf nicht richtig zusammenkriegte. Wir hatten auf der einen Seite die Mobilfunkrevolution, die dazu geführt hat, dass Afrika der am schnellsten wachsende Mobilfunkmarkt in der Welt ist, übrigens auch zeigt, dass sich moderne technische Revolutionen auch in Afrika in gleichem Tempo praktisch durchsetzen lassen wie in anderen Weltregionen, das war der eine Trend. Und auf der anderen Seite hatten wir das, was man mit dem schönen englischen Fachwort "Digital Divide" beschreibt, die digitale Teilung der Welt, unter der Afrika am meisten gelitten hat, was den Zugang zum Internet angeht. Und diese seltsam zweigeteilte Entwicklung – ganz modern, ganz viel im Mobilfunkbereich und relativ wenig im Internetbereich –, das fängt jetzt an, sich zu schließen.

von Billerbeck: Was hat es eigentlich bisher gekostet, wenn sagen wir ein Kenianer ins Internet wollte?

Asche: Ach, das war unglaublich teuer. Ich will Ihnen jetzt nicht die Preise in Kenia-Schillings nennen, aber Afrika ist die teuerste Internetregion in der Welt. Es kostet 100-, in einigen Fällen bis zu 1000-fach denselben Preis, den wir heute in Deutschland zahlen, um ein entsprechendes Datenpaket im Internet zu bekommen.

von Billerbeck: Nun hat es ja eine Weile gedauert, bis so ein Kabel da heute Abend angeschlossen wird, und es werden Länder angeschlossen, die ja auch politisch nicht ganz stabil sind. Wie schwierig war das, so eine Verbindung herzustellen?

Asche: Ja, die Firma SeCom, die jetzt das erste der Kabel in Betrieb nimmt, die hat in einigen Ländern schon zu kämpfen gehabt, und die Regularien für Kommunikationstechnologiebetreiber sind immer noch schwierig in einigen Ländern. Das gilt auch für Ruanda oder Äthiopien im Mobilfunkbereich. Ist auch klar, was der Hintergrund ist, den kennen wir sogar aus unseren deutschen Erfahrungen: Es hat ja in all diesen Ländern bis vor ein paar Jahren einen staatlichen Telefonmonopolisten gegeben, der nun allmählich den Markt öffnen und abgeben muss, und das ist natürlich mit intensivem Lobbying verbunden und geht kaum irgendwo friktionslos. Aber man muss auch da sagen, dass bis auf wenige afrikanische Länder, die ich jetzt eben schon genannt habe, die Öffnung dieses Marktes für mehr Wettbewerb schon ziemlich rasch jetzt vorangekommen ist.

von Billerbeck: Sie sind ja an der Leipziger Uni Professor für Wirtschaft und Politik Afrikas, welche wirtschaftlichen Hoffnungen werden jetzt damit verbunden, dass man besser ins Internet kommt?

Asche: Na ja, sehen Sie, für Firmenkontakte, auch für Universitäten, selbst für Schulen, das wissen wir ja alle, ist das Internet immer wichtiger geworden. Und bislang eine Internetseite aus Uganda aufzubauen, Produktrecherche aus solchen Ländern, selbst aus Kenia, zu betreiben, war nicht immer ein Spaß. Das lag einerseits eben an den fehlenden Breitbandverbindungen aus dem Kontinent heraus, wo man eben immer über diesen teuren und langsamen Satelliten gehen musste, und es lag daran, dass natürlich die terrestrischen Leitungen, also die Festnetzleitungen, in den Ländern selber in einem miserablen Zustand waren. Sie müssen sich vorstellen, in den Jahren, in denen wir in Kenia gelebt hatten, wir hatten immer zwei, drei Festnetztelefonanschlüsse, nicht, weil wir das so schick fanden, sondern weil immer einer kaputt war, oft auch absichtsvoll nicht funktionierte, sodass man sich dann wieder hinbegeben musste, um das repariert zu kriegen. Die Kombination, die sich jetzt andeutet, große interkontinentale Breitbandkabel und verbesserte Inlandsverbindungen, die zum Teil auch gar nicht mehr terrestrisch sind, also gar nicht mehr auf eine fixe Leitung angewiesen sind, das ist eine enorme Zukunft für Afrika.

von Billerbeck: Deutschlandradio Kultur, Ostafrika wird ab heute online sein, denn heute Abend wir ein Glasfaserkabel angeschlossen, wodurch das Internet möglich und schneller wird. Professor Helmut Asche von der Leipziger Universität ist mein Gesprächspartner. Herr Professor Asche, könnte Ostafrika so etwas werden wie Indien, wenn man den IT-Arbeitsmarkt betrachtet?

Asche: Na ja, das glaube ich aus mehreren Gründen nicht oder jedenfalls nicht im selben Maße. Indien hat als Backoffice für viele westliche Firmen ganz andere Voraussetzungen, auch von der Zahl der Universitätsabgänger, der Fachschulabgänger, als das die ostafrikanischen Länder haben, wo gerade dieser Bereich ja über Jahrzehnte aus ziemlich rätselhaften Gründen vernachlässigt worden ist. Aber es gibt andere Chancen. Nehmen Sie sich die beiden Binnenländer Uganda und Ruanda vor, die es nun wirklich schwer haben, weil auch die Landverbindungen im Verkehr zur Küste runter schwierig sind. Ruanda zum Beispiel hat ein ganz interessantes Projekt: Die möchten die Finanzdrehscheibe für den gesamten ost- und zentralafrikanischen Raum, also gerade um die großen Seen herum, werden. Das ist auch ein vernünftiges Ziel, weil sie sich sagen, na ja, industrialisieren können wir bei uns da in diesem kleinen Binnenland eh nicht groß was. So, für ein derartiges Projekt, was vernünftig ist, braucht man natürlich diese Verbindung, und deswegen ist es ganz wichtig, dass heute eben nicht nur das Kabel selber, sondern auch schon die ersten Inlandverbindungen bis nach Kampala in Uganda rein in Betrieb genommen werden, und demnächst steht dann auch die Verbindung nach Ruanda. Das ist ganz wichtig.

von Billerbeck: Sie hatten es am Anfang gesagt, dass Internet bisher horrend teuer war in Afrika. Welche Afrikaner werden sich das denn in Zukunft leisten können, durch dieses neue Glasfaserkabel und die weiteren Verbindungen?

Asche: Also da gibt’s natürlich schon einen großen sozialen Unterschied. Der Mobilfunk, also das Handy, ist in Afrika ’ne Sache für jedermann, und auch zu unser aller Überraschung, jetzt auch aus der Forschung, ist es wirklich etwas, wofür auch arme und ärmste Bevölkerungsschichten zu zahlen bereit sind. Und das geht ja auch dadurch, dass die Preise dann halt so kleingehackt werden, dass man wirklich mit ganz kleinen Chargen durchkommt. Demgegenüber ist das Internet natürlich jetzt in erster Linie was für gebildete Stände, für gebildete Schichten, auch für einen besseren Anschluss der Unis. Sehen Sie, hier an der Uni Leipzig, wir lesen doch unsere Zeitschriften zum großen Teil gar nicht mehr physisch, also indem wir was in der Hand haben, sondern wir rufen das aus dem Internet auf, alles, was es an wissenschaftlichen Zeitschriften gibt. Nun versuchen Sie das mal in Daressalam bislang, das war ein bisschen schwierig. Und all so was wird sich natürlich verbessern.

von Billerbeck: Was wird das bedeuten für Ihre Verbindungen, für Ihre Kontakte zu Ihren afrikanischen Partnern?

Asche: Ja, wir haben Partneruniversitäten in Afrika, eine in Stellenbosch in Südafrika, in Kamerun justament, Daressalam in Tansania, das erwähnte ich schon, und so fort. Und die Verbindung zu diesen Universitäten, auch der Austausch von großen Datenmengen, Berichten, die zum Teil fünf, sechs Megabytes stark sind, das konnte man ja bislang gar nicht machen, oder man konnte mehrmals um den Block laufen, bis dann die Übertragung schließlich geklappt hat. Also das wird in diesem Bereich ein großes Aufholen möglich machen.

von Billerbeck: Heute Abend wird das Glasfaserkabel SeCom angeschlossen, Ostafrika bekommt dadurch Internet. Nach den Hoffnungen und Folgen fragten wir Professor Helmut Asche vom Institut für Afrikanistik an der Universität Leipzig. Ich danke Ihnen!

Asche: Vielen Dank!