"Schmutzige Wäsche waschen mochte ich noch nie"

Hannelore Elsner im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 18.09.2011
Schauspielerin Hannelore Elsner hält nichts davon, sich in ihrem Buch "Im Überschwang" an ihrem ehemaligen Partner Dieter Wedel für die Indiskretionen in dessen Autobiografie zu rächen. So etwas habe sie nie vorgehabt, sagte Elsner.
Stefan Karkowsky: "Im Überschwang", so heißt die Autobiografie von Hannelore Elsner, und das passt wirklich gut. Es ist ein heiteres Buch geworden, ein warmes Buch, kein Blick zurück im Zorn. Hier erzählt eine lächelnd, ohne Reue, eher staunend über all das, was ihr im Leben so widerfahren ist. Und ich bin froh, dass wir mit ihr selbst über ihr Leben sprechen können: Hannelore Elsner, guten Morgen!

Hannelore Elsner: Hallo, guten Morgen!

Karkowsky: Wenn ich mich richtig erinnere, bekamen Sie ihre erste Auszeichnung mit 29, die Goldene Kamera.

Elsner: Ja.

Karkowsky: Das erzählen Sie auch im Buch, und da stockt einem der Atem, weil Sie Ihrer Mutter ausreden, Sie zur Gala zu begleiten. Ihre Mutter stirbt ein Jahr später, und Sie finden dann anschließend in ihrem Kleiderschrank ein Abendkleid, das sie sich gekauft hatte extra für diesen Abend, um neben ihrer Tochter schön zu sein. Was wir im Buch nicht erfahren, ist, was das mit Ihnen gemacht hat.

Elsner: Ja, also, das haben Sie jetzt ein bisschen pointiert erzählt. Ich bekam damals die Goldene Kamera für ein Tschechow-Stück, "Iwanov". Ich war damals so, dass ich diese Gesellschaft, den Springer-Konzern, gerade nicht so toll fand, ja, und ich war halt eben, mit der Goldenen Kamera, war ich ja da mittendrin, und ich habe zu meiner Mutter gesagt: Komm, also, das sind ganz blöde Leute. Ich freue mich zwar über die goldene Kamera, aber da musst du nicht hin, da musst du nicht dabei sein. Und es klingt natürlich jetzt sehr dramatisch.

Natürlich wollte sie öfter mit und ich habe immer gesagt: Das ist nichts, das ist sowieso nichts Besonderes. Da habe ich selber mein eigenes Licht unter den Scheffel gestellt, ja? Was der Tod meiner Mutter mit mir gemacht hat, das kann ich jetzt hier nicht so vor mich hin erzählen. Ich glaube schon, dass ich die richtigen Worte gefunden habe, auch um den Lesern zu beschreiben, wie das für mich war, als meine Mutter so plötzlich gestorben ist, als ich 30 war, und sie erst 59. Und sie war ja gar nicht krank, sie ist einfach plötzlich gestorben. Das war schrecklich für mich. Aber das konnte ich nur schreiben in meinem Buch, und das kann ich jetzt hier nicht so erzählen.

Karkowsky: Die große Wärme, das Positive an Hannelore Elsner, das durchzieht Ihre ganzen Erinnerungen. Man hört beim Lesen ihre Stimme. Das fand ich erstaunlich und angenehm, die klingt immer ruhig und aufgeregt. Und in besonders intimen Momenten wie diesem, da blenden Sie ab – im Film würden wir dann Ihr Gesicht sehen in Großaufnahme. Wenn es ein Film wäre über Ihr Leben. Und da würde Ihre Mimik uns alles verraten: Den Schmerz, die Lust, die Abgründe. Im Buch geht das nicht, da lassen Sie uns an einigen Stellen dann doch mal alleine, wo Sie sagen: Hier geht es zu weit, hier ziehe ich den Vorhang zu. Also, ein Striptease, ein Seelen-Striptease sollte ihr Buch also nicht sein. Oder?

Elsner: Nein, ganz bestimmt nicht. Das kann ich auch gar nicht. Deswegen ist es ja schon so lange her. Deswegen habe ich zum Beispiel von den letzten zehn Jahren zum Beispiel gar nichts geschrieben. Das ist mir noch zu nah, als mich daran zu erinnern. Ich kann zum Beispiel über mich jetzt – würde ich kein Buch schreiben können. Aus der Entfernung, aus dem Rückblick konnte ich das erzählen. Und ich habe auch keinen Vorhang davor gezogen. Und ich habe auch nichts verschwiegen. Das heißt, alles, was da steht, empfinde ich wirklich so und ist auch wirklich so gewesen. Und die Dinge, die ich nicht schreiben wollte, habe ich nicht etwa beschönigt oder so, sondern die habe ich einfach nicht geschrieben.

Karkowsky: Nun sind Sie aber auch eine Schauspielerin, die ja vor allem vom Boulevard angehimmelt wurde für die Erotik, die sie ausstrahlt. Eine sehr, sehr schöne Frau – und ein paar winzige Einblicke in dieses Schlüsselloch gewähren Sie uns ja doch. Es gibt da die Duschszene mit einer Freundin, es gibt zahlreiche Eroberungsversuche von Jungregisseuren bis hin zu jordanischen Ministern. Wir erfahren nicht ganz explizit, ob die immer alle abgewehrt wurden. Aber wir sind zum Beispiel quasi bei ihrem ersten Mal dabei, ganz züchtig, ohne Details, und dann steht da dieser Satz: "Sexualität hat für mich immer mit Liebe zu tun, auch mit Achtsamkeit und Achtung." Haben Sie das ihr Leben lang durchgehalten?

Elsner: Ja. Also, für mich auf jeden Fall. Und wenn es auch vielleicht manchmal nicht ganz gestimmt hat, so habe ich doch das gebraucht, um das zu leben, was ich leben wollte. Aber ich meine jetzt, Sexualität – also, diesen Kinderkram, den ich da beschrieben habe mit den Unkeuschheiten in der Klosterschule und so weiter, das sind ja nur ... ja gut, es hat schon mit der erwachenden Sexualität zu tun. Aber es ist in dem Sinne nicht erotisch, finde ich. Also, die Erotik kommt ja sowieso sehr viel später, nachdem man die ganze Suche danach irgendwie mal hinter sich gelassen hat.

Karkowsky: Aber wenn Sie da so deutlich unterscheiden, unterschieden haben auch, zwischen Sexualität und Liebe, wie konnten Sie denn dann umgehen mit diesem Begehrenden, von den vielen ...

Elsner: Nein, nein, nein, ich habe ja eben nicht unterschieden!

Karkowsky: ... von den vielen Männern, die halt ja im Grunde genommen nur die schöne Frau wollten, und die vielleicht gar nicht so an Liebe gedacht haben.

Elsner: Dann habe ich mir das so zurecht gemacht, dass das Liebe ist, also von mir aus. Ich meine, die konnten ja sowieso machen, was sie wollten. Wenn ich die wollte, dann passierte da was – und dann habe ich die halt auch geliebt, meinetwegen. Ein bisschen.

Karkowsky: Ihr Sohn Dominik, dem Sie das Buch widmen, ist ihr gemeinsamer Sohn mit dem Filmregisseur Dieter Wedel, den Sie nur ein einziges Mal überhaupt erwähnen im ganzen Buch, dessen Namen Sie nur einmal nennen. Und Sie sagten mal in einem früheren Interview: Wedel ist nicht der Vater von Dominik, er ist sein Erzeuger. Und diese bitteren Töne von damals finden sich in ihrem Buch jetzt nicht mehr wieder. Sind Sie milder geworden oder sind das auch Sachen, die Sie lieber für sich behalten und nicht in so einem Buch nach draußen bringen wollen?

Elsner: Natürlich sind das Dinge, die ich nicht nach draußen bringen möchte, und wenn ich das früher mal gesagt habe, dann meinte ich natürlich auch etwas anderes, wenn ich sagte, er ist nicht der Vater. Ich meinte, er ist nicht ein Mensch, der ihn hat aufwachsen sehen. Er war ja nie bei uns, von Anfang an nicht. Also, so habe ich das gemeint, das war also keine Beschimpfung, sondern das ist einfach eine Tatsache. Nur weiß ich jetzt – und das weiß ich eben durch meinen Sohn –, dass er natürlich der Vater ist. Und so muss man ihn auch bezeichnen. Aber das ist jetzt nicht mehr meine Sache, das ist jetzt die Sache wirklich zwischen Vater und Sohn.

Karkowsky: Gab es da auch etwas, was Sie gelernt haben aus Wedels Autobiografie, dass Sie unter keinen Umständen das tun wollten, was Sie ihm vorgeworfen haben, nämlich eine unerträgliche Melange aus Unwahrheiten und Indiskretionen, dass Ihr Buch so diskret geworden ist?

Elsner: Nein, nein. Da habe ich überhaupt nicht dran gedacht, da kann ich mich nicht, auch wirklich nicht in einen Topf werfen, weil sowas hatte ich nie vor, hatte ich auch nie im Sinn oder in meinem Herzen oder in meinen Gedanken. Und ich sage Ihnen was, ich habe das gar nicht gelesen. Ich habe dieses Buch nicht gelesen. Ich habe nur in den Medien diese schrecklichen Überschriften gesehen und dachte: Das finde ich jetzt ein bisschen unappetitlich.

Karkowsky: Gab es denn niemals diesen Reiz, es manchen Leuten wenigstens heimzuzahlen – wenn wir uns mal große Biografien der letzten Jahre anschauen: Keith Richards verspottet Mick Jagger, Phillip Lahm seinen ehemaligen Trainer Jürgen Klinsmann, Hannelore Elsner nicht.

Elsner: Nein, das liegt mir so fern. Also, erstens mal will ich überhaupt niemandem was heimzahlen. Das habe ich gar nicht in mir. Und wenn, dann habe ich es längst gemacht oder einfach direkt mit ihr oder mit ihm gesprochen. Und es ist längst erledigt. Und ich weiß nicht, irgendjemand hatte sogar ein bisschen Angst und sagte zu mir: Du schreibst aber nicht das oder das? Und dann habe ich gesagt: So was Hässliches kommt nicht in mein schönes Buch! Und schmutzige Wäsche waschen mochte ich noch nie. Das will ich auch nicht lesen, übrigens.

Karkowsky: Gibt es denn gar keine dunkle Seite an Ihnen?

Elsner: Ich bin total dunkel. Und wenn man aufmerksam liest, dann spürt man schon meine dunklen Seiten. Was heißt dunkel, ich meine, dunkel, abgründig heißt ja nicht unbedingt schlecht. Natürlich bin ich auch gemein, ja? Aber nicht so lächerlich oberflächlich, indem ich jemandem was heimzahle. Das geht dann schon ganz anders.

Karkowsky: Sie verraten uns am Ende des Buches einen Traum. In diesem Traum sagt Oskar Roehler zu Ihnen, Sie seien immer zu brav gewesen und zu feige. Denken Sie das von sich?

Elsner: Ja, manchmal. Natürlich könnte ich mir vorstellen, ich könnte auch mal ein bisschen gemeiner sein. Aber vielleicht spiele ich das lieber. In Rollen. Ja, brav ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich will mich nicht zu veräußern, ich will mich nicht so ausgeben in der Öffentlichkeit. Also, privat ist da schon einiges mehr los.

Karkowsky: Das Wichtigste an Ihrer Erzählung, schreiben Sie, ist Ihnen, dass man Ihr Herz hört. Ich finde, das ist Ihnen sehr gut gelungen.

Elsner: Danke!

Karkowsky: Irritierend ist ein einziges Kapitel, da wechseln Sie nämlich in die dritte Person. Da schreiben Sie nicht mehr Ich, sondern da schreiben Sie über sich: Sie hat ... , und so weiter. Das sollten Sie mir noch erklären.

Elsner: Na, das ist, wenn Sie so wollen, meine dunkle Seite, die ich so genau in diesem Buch – in diesem, vielleicht gibt es ja noch mal irgendwann eines – nicht beschreiben wollte, dieses Mädchen, das immer lacht und was eigentlich verloren ist. Das sind ja die zwei Seiten, und deswegen ist auch auf dem Titelblatt dieses helle Foto, dieses lachende, vorne, und hinten ist das etwas dunklere.

Also, ich finde – die sind auch beide an einem Tag gemacht worden, diese Fotos, und ich finde, das passt auch sehr gut zusammen, und auch der Titel "Im Überschwang", das ist ja für mich eben dieses Rauf und Runter, und dieses hohe und tiefe, und helle und dunkle. Also, diese zwei Kontraste, und in diesem Kapitel "Das versteckte Kind", wenn man das genau liest, dann stehen da alle Verletzungen drin, alle Erniedrigungen, die man als Kind und als Mädchen erlebt, ja?

Karkowsky: Und das ging dann nur in der dritten Person zu erzählen?

Elsner: Das ging für mich nur in der dritten Person, ja.

Karkowsky: Hannelore Elsner, herzlichen Dank, dass Sie bei uns waren! Ihre Erinnerungen heißen "Im Überschwang – aus meinem Leben". Erschienen ist dieses Buch im Verlag Kiepenheuer & Witsch.

Elsner: Dankeschön!


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