Schmutzfink der Aufrichtigkeit

Von Karena Lütge und Walter Schübler · 22.06.2012
"Mensch gewordener Nerv. Zerplatzender Intellekt. Fakir, der sich die Nadeln gespitzter Gedanken aus dem Gehirn zieht", so begeisterte sich die Vossische Zeitung nach einem Vortrag des österreichischen Journalisten, Essayisten und Redners Anton Kuh 1920 in Berlin.
Anton Kuh, 1890 in Wien geboren, ist einer der interessantesten Köpfe unter den gern als Kaffeehausliteraten verharmlosten Intellektuellen des Wiener Café Central und des Berliner Romanischen Cafés.

Dabei ist Kuh alles andere als harmlos. Seinem Selbstverständnis nach ein "Schmutzfink der Aufrichtigkeit", stellt Kuh gesellschaftliche und politische Missstände und Bigotterien bloß und reibt sich an geistiger Provinzialität.

Mit Witz und Bosheit entlarvt er die Attitüden prominenter Zeitgenossen; Karl Kraus ist ihm eine Lieblingszielscheibe. Von den Nazis angefeindet, emigriert Kuh 1938 in die USA, arbeitet, statt wie bisher für "Weltbühne" und "Querschnitt", für die jüdische Zeitschrift "Aufbau".

Als er 1941 in New York stirbt, beklagt sein Freund Franz Werfel in einem berührenden Nachruf, "dass dieser Redendste aller Redenden" nun verstummt ist.


DLF 2012