"Schluss mit dem Eiertanz"

Hermann Gröhe im Gespräch mit Christopher Ricke · 21.03.2011
Die CDU erwartet von der SPD in Sachsen-Anhalt eine klares Bekenntnis zur Fortsetzung der gemeinsamen Koalition. Was die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz betrifft, ist Gröhe optimistisch. Das gute Ergebnis von Bündnis90/Die Grünen führt er zu einem Teil auch auf die Ereignisse in Japan zurück.
Christopher Ricke: Auch wenn man ein bisschen verliert, man kann doch Sieger sein. Das haben die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt gezeigt. Sieger ist die CDU, auf Platz zwei kommt dann Die Linke, dann die SPD und dann Bündnis 90/Grüne. Die CDU ist zwar geschrumpft, es reicht aber für die Fortsetzung der schwarz-roten Koalition mit der SPD. Die könnte rechnerisch wahrscheinlich auch mit Die Linke, will aber keinen dunkelroten Ministerpräsidenten. Hermann Gröhe ist der Generalsekretär der Bundes-CDU, guten Morgen, Herr Gröhe!

Hermann Gröhe: Guten Morgen, Herr Ricke!

Ricke: Können Sie sich denn auf die SPD in Sachsen-Anhalt wirklich verlassen, sind Sie sich ganz sicher, dass die Roten nicht doch noch mit den Dunkelroten gehen?

Gröhe: Es gibt ein klares Wählervotum, die Wähler wollen die überaus erfolgreiche Politik der letzten Jahre unter CDU-Führung fortsetzen, wir sind mit weitem Abstand auf Platz eins. Ich habe mich schon gefragt, warum es da am gestrigen Abend nicht eine klare Ansage der SPD gegeben hat. Rot-rot-grüne Träumereien schaden dem Land Sachsen-Anhalt, die SPD sollte den Eiertanz wirklich jetzt beenden und sich klar zu einer Koalition bekennen, die laut Umfragen über 70 Prozent der eigenen Wählerinnen und Wähler, also der der SPD, auch wünschen. Das wäre ein guter Schritt für dieses Land, Schluss mit dem Eiertanz, wir stehen bereit zur Fortsetzung der erfolgreichen Politik.

Ricke: Vertrauen Sie der SPD oder misstrauen Sie ihr?

Gröhe: Ich denke, dass am Ende des Tages die erfolgreiche Politik dafür spricht, sie auch fortzusetzen. Aber es hätte uns allen glaube ich als Signal gut getan, wenn die SPD, die ja mit Stolz durchaus über die Leistung der Großen Koalition gesprochen hat – das unterscheidet sie von der Bundes-SPD bei der letzten Bundestagswahl –, wenn sie am gestrigen Abend gesagt hätte, klare Sache, wir machen weiter. Also ich gehe davon aus, dass jetzt erst mal dort die eigenen Gremien tagen, aber der Eiertanz ist nicht schön und ich hoffe, er wird dann beendet.

Ricke: Die CDU ist der Wahlsieger, allerdings ein klein wenig gerupft. 32,5 Prozent ist der gute Teil der Nachricht, minus 3,7 Prozentpunkte der schlechte. Wie schmerzhaft ist das?

Gröhe: Also am Ende des Tages zählt der deutliche Abstand, mit dem wir auf Platz eins gelandet sind. Wir haben einen Wechsel vollzogen in guter Atmosphäre und gleichzeitig ist, nachdem, bei der letzten Wahl ein überaus erfolgreicher und beliebter Landesvater erneut angetreten, diesmal mit Reiner Haseloff jemand das erste Mal angetreten, der hat einen tollen Wahlkampf gemacht, ist ja auch als Mister Wirtschaftskraft für den wirtschaftlichen Aufschwung von Sachsen-Anhalt wesentlich mitverantwortlich. Also, wenn man das sieht, dann können wir sehr, sehr zufrieden sein.

Ricke: Die Verluste bei der CDU, die sind genau so stark wie die Zugewinne bei den Bündnisgrünen. Ich behaupte jetzt nicht, dass Ihre Wähler direkt zu Bündnis 90 gelaufen sind, aber da ist doch was passiert. Welche Rolle hat denn aus Ihrer Sicht die Atomkatastrophe in Japan bei der Wahl in Sachsen-Anhalt gespielt?

Gröhe: Ich denke, für die Wählerinnen und Wähler der Grünen – auch das belegen Umfragen – eine große, nicht die Wahl entscheidende, da ist es, auf sehr niedrigem Niveau, wenn Sie die letzte Wahl ansehen, zu einer deutlichen Steigerung gekommen. Allerdings sind die Bäume wahrlich nicht in den Himmel gewachsen. Aber ich denke schon, dass sich in dem relativ starken Anstieg der Grünen auch die Ereignisse der letzten Tage rund um Japan niederschlagen. Auf der anderen Seite zeigt das Wahlergebnis denn doch auch, dass Panikmache aus Berlin die Wählerinnen und Wähler nicht bestimmt hat, sondern sie haben sehr genau nachgedacht darüber, was ist für unser Bundesland Sachsen-Anhalt das Beste. Also haben sie eine landespolitische Entscheidung im Kern getroffen.

Ricke: Sie müssen dennoch dieses Ergebnis, das auch nicht nur landespolitische Anteile hat, natürlich jetzt in die Strategie mit hineinnehmen. Wir schauen auf Rheinland-Pfalz, wir schauen auf Baden-Württemberg: Reicht es da für die CDU, einfach Kurs zu halten?

Gröhe: Ja ich bin eben überzeugt davon, dass die Wählerinnen und Wähler auch am nächsten Sonntag in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz, bei den Kommunalwahlen in Hessen fragen, was ist für uns hier das Beste. Sachsen-Anhalt hatte, unter Rot-Rot war es das Schlusslicht unter den Ländern, Böhmer hatte es nach vorne gebracht. Das haben die Wählerinnen und Wähler honoriert, wollten, dass dieser Erfolgskurs fortgesetzt wird. Baden-Württemberg ist von Bildung und Forschung bis zur niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit in Europa das erfolgreiche Flächenland der Bundesrepublik Deutschland schlechthin. Und ich denke schon, dass die Wählerinnen und Wähler, je näher der Wahltag rückt, auch mit dieser Entscheidungsfrage sich befassen werden: Wollen wir, dass unser Land Baden-Württemberg auf dieser Erfolgsspur bleibt? Und da bin ich für Stefan Mappus und die Seinen sehr optimistisch. Und die Wählerinnen und Wähler in Rheinland-Pfalz haben nun in den letzten Jahren einen SPD-Filz erlebt, zu dem eine Klatsche des Landesrechnungshofs für die Schuldenorgien ebenso gehörte wie der Verfassungsbruch eines SPD-Justizministers. Da ist es Zeit für einen Neuanfang mit Julia Klöckner und auch da bin ich sehr sicher, wissen die Wählerinnen und Wähler: Wir entscheiden über die Zukunft unseres Bundeslandes. Und deswegen gehen wir mit diesen klaren Ansagen gestärkt durch den Schub des gestrigen Abends in die nächste Woche.

Ricke: In Rheinland-Pfalz gibt es keine Atomkraftwerke, in Baden-Württemberg gibt es vier. Es könnte ja sein, dass die Wähler dort sagen, das Beste für unser Land wäre ja doch der Ausstieg aus der Atomkraft. Und da gibt es ein bisschen Schützenhilfe in Ihrer Partei aus einem anderen Land, wo es auch keine Atomkraftwerke gibt, aus Nordrhein-Westfalen. Oliver Wittke, Ihr Kollege, der hätte ja am liebsten gleich eine Mitgliederbefragung an der Basis der CDU. Ist dieses Thema schon reif, es auch mit der Basis zu diskutieren, oder soll man das doch lieber den Führungsgremien überlassen?

Gröhe: Dieses Thema wurde schon immer sehr intensiv auch an der Basis diskutiert. Wir haben im Rahmen vor drei Jahren der Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms intensiv darüber diskutiert und uns damals festgelegt: Wir wollen keine neuen Kernkraftwerke, wir wollen …

Ricke: … vor drei Jahren war vor Fukushima …

Gröhe: … ja, und deswegen gibt es jetzt auch eine erneute breite Diskussion. Und wir sind ja offenkundig die Einzigen, die nicht nur mit Rechthaberei reagieren, sondern die sagen, alles gehört auf den Prüfstand. Und deswegen: Ja, natürlich, zu einer breiten Diskussion an der Basis. Ob man am Ende das, um was es uns gehen muss – und wir wollen alle den Weg ins Zeitalter erneuerbarer Energien beschleunigen –, auf eine Ja-Nein-Frage für eine Mitgliederbefragung reduzieren kann, da habe ich meine Zweifel, und deswegen sage ich ein klares Ja zu dieser Mitgliederbeteiligung und bin zuversichtlich, dass das auch in den nächsten Wochen an Fahrt aufnehmen wird. Denn in der Tat diskutieren das die Menschen, und deswegen diskutiert es auch eine große Volkspartei.

Ricke: Hermann Gröhe, er ist der Generalsekretär der CDU, vielen Dank, Herr Gröhe!

Gröhe: Vielen Dank, Herr Ricke!