Schloss Charlottenburg

Wie die SED ein Schloss bewahren half

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Frontansicht des Schlosses Charlottenburg.
Das Berliner Schloss Charlottenburg ging ebenfalls beschädigt aus dem Krieg hervor. Heute ist es ein Touristenmagnet. © imago/Eibner-Pressefoto/Uwe Koch
Von Anke Schaefer · 16.12.2020
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1950 ließ die DDR das Berliner Stadtschloss sprengen - in den Augen des Westens ein barbarischer Akt. Doch die Ironie der Geschichte: Womöglich wurde dadurch die Sprengung des Charlottenburger Schlosses im Westteil der Stadt verhindert.
Friedrich Aurich, Sohn des Charlottenburger Ersten Schlossgärtners Carl Aurich, erinnert sich nach dem Krieg an die Zerstörung des Charlottenburger Schlosses:
"Am 22. November 1943 kam die Katastrophe. Es begann der bisher schwerste Angriff anglo-amerikanischer Bomberflugzeuge, dessen Zentrum über Charlottenburg lag. Der Mittelbau des Schlosses wurde getroffen, der Turm stürzte ein, der gesamte Knobelsdorff-Flügel brannte aus, ebenso der Ostflügel und der Mittelteil der großen Orangerie."

Margarete Kühn streitet für das Schloss

Weitere Angriffe zerstörten die Schlosskapelle und die Kleine Orangerie. Vom Charlottenburger Schloss blieb nur eine Ruine. Als der Krieg endete, wurden im zerstörten Park Gemüse und Kartoffeln gezogen. Das Schloss? Im Grunde abrissreif.
Sichtlich beschädigte Schloss-Fassade
Kriegsschäden am Berliner Schloss Charlottenburg, hier in einer Aufnahme von 1950.© picture-alliance/akg-images/Gert Schuetz
Eine Frau aber widersprach vehement: Margarete Kühn.
"Margarethe Kühn war in dieser Zeit, 1946, Referentin der Denkmalpflege", erklärt der Leiter des Charlottenburger Schlosses, Rudolf Scharmann. "Vorher, ab 1929, war sie Volontärin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin gewesen. Sie kannte das Schloss also vor der Kriegszerstörung. In der Funktion als Denkmalreferentin beim Magistrat hat sie die Gefahr gesehen, dass diese Gebäude vernachlässigt werden."

Die Sorge galt dem Schloss in Mitte

Zumal der Architekt und Stadtplaner Hans Scharoun, der direkt nach dem Krieg mit dem Plan für den Wiederaufbau der Stadt betraut wurde, nur Augen für das Berliner Schloss in Mitte hatte. Für dessen Erhalt setzte er sich vehement ein, sammelte Gelder, finanzierte erste Instandsetzungsmaßnahmen, organisierte erste Ausstellungen.
Für Charlottenburg hatte er keinen Blick. Und für die KPD, dann SED, waren Schlösser höfische Relikte einer untergegangenen Epoche.
Die Machtverhältnisse änderten sich aber nach der Teilung der Stadt 1948 im Westteil Berlins. Da war Margarethe Kühn schon zur Direktorin der Berliner Schlösserverwaltung aufgestiegen und konnte erste Erfolge verzeichnen. Sie erinnert sich später:
"Der Sicherung der baulichen und künstlerischen Substanz galten die ersten im Sommer 1946 begonnen Instandsetzungarbeiten, die von der britischen Militärregierung besonders gefördert wurden. Anschließend ist mit der künstlerischen Wiederherstellung der Dekorationen - Wand und Deckenmalereien und geschnitzte Eichenholzvertäfelungen - im Erdgeschoss der östlichen Bauteile begonnen worden. Eine mit Chinoiserien bemalte Vertäfelung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die sich in einem ungedeckten Raum des Neuen Flügels befand wurde in den geschützten Nachbarraum übertragen. Diese Restaurierungsarbeiten sind zum großen Teil beendet."

Ein Tee für die Briten

Charlottenburg lag im britischen Sektor von Berlin. "Kühn hat, so heißt es zumindest, die Offiziere und die britische Militäradministration dazu bewegen können, hierher zu kommen", erzäht Rudolf Scharmann.
"Sie hat die Mitglieder der Offiziersfamilien eingeladen, um ihnen die unzerstörten Räume des Schlosses zu zeigen und mit ihnen hier Tee zu trinken. Und sie hat das Bewusstsein geweckt, auch die anderen Räume wiederherzustellen."

"Ein Auslöschen Preußens"

Das allgemeine Bewusstsein nach dem Krieg war auf Neubau ausgerichtet. Historische Bauten, zumal wenn sie den Krieg nicht heil überstanden hatten, wurden abgerissen. Doch dann wurde in Ost-Berlin 1950 das Stadtschloss gesprengt. Von der SED. :
"Der Abriss bedeutete ja gleichzeitig ein Auslöschen Preußens", sagt Rudolf Scharmann. "Dieses Symbol war weg - und hier war dann wirklich im Westteil Charlottenburg das Einzige, was noch an diese Epoche erinnerte."
Plötzlich bekam das Schloss Charlottenburg in West-Berlin eine politische Bedeutung im Kalten Krieg. Denn auch im Westen Berlins gab es viele, die sich an alles, was mit Königen und Hofzeremoniell zusammenhing, nicht mehr erinnern wollten. Insofern ging der Wiederaufbau fast verschämt vonstatten:
"Man hat es teilweise verschwiegen, um nicht als reaktionär oder rückwärtsgewandt abgetan zu werden. Es gab sicherlich viele, die gesagt haben, das ist zu begrüßen. Aber insgesamt gesehen war die Tendenz der Zeit eher gegenläufig."

Auch im Westen riss man Schlösser ab

In anderen Städten sind auch im Westen Deutschlands viele Schlösser abgerissen worden. 1960 zum Beispiel das klassizistische Braunschweiger Residenzschloss. Rudolf Scharmann erklärt das so:
"Verständlicherweise sah man in diesen Relikten der monarchischen Vergangenheit nach dem Untergang eines totalitären Regimes auch nicht unbedingt Symbole, für die es sich lohnte zu leben, zu kämpfen, sie zu erhalten, wo es so viel Dringlicheres zu erledigen gab."
Wer weiß, wie die Geschichte ausgegangen wäre, hätte es nicht die Empörung über den Abriss des Berliner Stadtschlosses gegeben. Ob wir heute in dem barocken Bau das Porzellankabinett, die Schlosskapelle, das Schlafzimmer Friedrichs I. oder die prachtvolle Wohnung der Königin Luise erleben könnten?

"Schloss und Park sind wiedererstanden"

Friedrich Aurich, der Sohn des Charlottenburger Ersten Schlossgärtners Carl Aurich notiert in seinen Erinnerungen:
"Was ich damals nicht für möglich gehalten hätte, ist nun doch Wirklichkeit geworden. Schloss und Park sind wiedererstanden, wenn auch mit gewissen Veränderungen und Verlusten, denn alles Verlorene und Zerstörte lässt sich nicht wieder erschaffen."
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