Schlechtes Image

Die Milch macht's nicht mehr

Eine schwarz-weiße Kuh und eine Milchkanne.
Frisch aus der Milchkanne: Kuhmilch galt früher als gesunder Muntermacher. Inzwischen dominieren Kritiker den öffentlichen Diskurs. © imago/imagebroker
Von Mandy Schielke · 31.01.2017
Diabetes, Bluthochdruck und Schlafstörungen: Kritiker warnen vor den gesundheitlichen Risiken von Milch. Alternativen wie Mandelmilch boomen. Warum hat die Milch so ein Imageproblem?
"Will hier jemand was Gutes aus Milch? Und viel Kalzium?"
"Zum Glück, ich heiße nicht Müller. Aber die Buttermilch von denen - wenns schön macht!"
Alte Fernsehspots, an die sich viele von uns sicher noch gut erinnern können.

Dies ist die Kurzfassung unseres ausführlichen Features, das sie ab 19:07 Uhr hier in voller Länge nachhören können.

"Im Grunde genommen hat die Milch und die Interessenorganisation, die Stake-Holder der Milch, die haben aufgehört zu kommunizieren."
Sagt Gerald Schömbs, Multiunternehmer und Gründer der PR Agentur Schröder und Schömbs.
"Insofern ist die Milch auch aus unserem Relevant Set, die Produkte und Marken, die uns als erstes in den Sinn kommen, mehr in den Hintergrund geraten. Zumindest was die Produktvorteile angeht. Den USP. Als Produkt ist es natürlich ein Grundnahrungsmittel, das heißt, es fehlt natürlich nicht plötzlich im Supermarktregal. Aber was die Produktvorteile angeht, sind die uns eigentlich nicht mehr geläufig, weil irgendwann mal aufgehört wurde dafür Werbung und Kommunikation zu betreiben. Gar nicht zu kommunizieren, funktioniert eben auch nicht."

Milchwerbung lohnt sich nicht mehr

Und tatsächlich, Werbung für Trinkmilch gibt es derzeit fast gar nicht. Das bestätigt dann auch der Bundesverbandes der Milchindustrie: Milchwerbung lohne sich schlicht nicht mehr. Die Margen seien so winzig, die Molkereien so unter Druck, dass Mittel für Werbung und Marketing nicht zur Debatte stehen. Und während die gesund aussehenden, aktiven Menschen, die vor der Tagesschau ein Glas Milch trinken und dabei unglaublich gut gelaunt wirken, nicht mehr zu sehen sind, werden die Stimmen der Milchgegner lauter:
"Was glaube ich vielen Verbrauchern klar geworden ist, dass unser Einkaufszettel auch unser Stimmzettel ist, wenn es um Tierquälerei geht oder auch unsere eigene Gesundheit."
Felicias Kitali, Ernährungswissenschaftlerin und bei der Tierschutzorganisation Peta zuständig für das Thema Ernährung. Sie selbst ernährt sich vegan - verzichtet also auf tierische Nahrungsmittel - nicht nur auf Milch, Eier und Fleisch, sondern beispielsweise auch auf Honig und berät Menschen, die auch so leben wollen.
"Zusätzlich kommen Studien hinzu, die in den letzten Jahren gezeigt haben, dass Milch zumindest im Zusammenhang steht, mit einer erhöhten Sterblichkeit, gewissen Krebsraten, Akne und das ist glaube ich in den Köpfen angekommen. Die Vorteile, die Milch vielleicht vor tausend Jahren hatte, die sind nicht mehr wichtig für uns."

Watzl: "Milch ist ein gesundes Lebensmittel"

Wer ein bisschen zum Thema Milch recherchiert, findet praktisch an jeder On- und Offlineecke Berichte und Studien über die Risiken des Milchkonsums: Milch macht krank.
"Das eine ist die Diskussion in den Medien und auf der anderen Seite die Sicht und Bewertung der Wissenschaft auf die Fakten, die wir zur gesundheitlichen Wirkung von Milch haben."
Sagt der Ernährungswissenschaftler Bernhard Watzl.
"Und wir haben uns am Max-Rubner Institut konkret die Literatur, die Studienergebnisse, die es zum Thema Milch-Milchprodukte beim Menschen gibt, sehr kritisch angeschaut und das Ergebnis der Untersuchung ist, dass wir in der Regel keine nachteilige Wirkung eines moderten oder üblichen Verzehrs von Milchprodukten kennen, im Gegenteil, wir haben für einige Erkrankungen eher ein leicht verringertes Risiko."
Watzl und seine Kollegen haben viele Studien zum Thema ausgewertet. Milch, davon ist der Wissenschaftler überzeugt, ist ein gesundes Lebensmittel, denn es enthält. Eiweiß, Vitamin B, Jod. Kalzium und Zink. Trotz aller Kritik wird in Deutschland immer noch viel Milch getrunken. 2015, so die offiziellen Zahlen der Milchindustrie, waren es pro Kopf gerechnet 54 Liter im Jahr. Ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr.

Vielfältiger und globaler geworden

Milch ist ein uraltes Lebensmittel. Wir konsumieren es in Mitteleuropa seit Jahrhunderten, vermutlich sogar noch länger. Über Jahrhunderte wurde Milch vor allem in gesäuerter und damit haltbarer Form konsumiert - als Quark oder Käse. Geändert hat sich das erst mit der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts. Milch wurde fortan immer populärer.
Heute ist das, was wir essen und trinken, eine fast ideologische Frage geworden. Außerdem ist das Nahrungsangebot so vielfältig und globaler geworden.
"Und dann löst das Craft Beer das gewöhnliche Pils ab und Pastinaken-Crème löst das Kartoffelpüree ab und ganz bekannt ist auch das Beispiel mit dem Chiasamen, das den Leinsamen übertrumpft, weil es 'in' ist und bestimmte Verbraucher auch anspricht. So hat auch die Milch ihre Konkurrenten gefunden."
Die einen glauben an Milch, weil sie uns so nah ist und doch schon immer zu uns gehörte, die anderen verteufeln sie. Fakten haben es also auch im Milchkosmos schwer. (mcz)
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