Dienstag, 19. März 2024

Europawahl
Freude am Finanzmarkt

Trotz des Erstarkens populistischer Parteien: Ökonomen erkennen einen mehrheitlich pro-europäischen Kurs. Auch die Ukrainewahl bewerten sie positiv. Der Dax klettert am Tag nach der Europawahl auf ein neues Rekordhoch.

Von Michael Braun | 26.05.2014
    Börsenhändler verfolgen am 14.03.2014 auf dem Parkett der Börse in Frankfurt am Main die Kursentwicklung.
    Der Dax klettert am Tag nach der Europawahl auf ein neues Rekordhoch. (dpa/Boris Roessler)
    Verkehrte Welt: Da werden Euroskeptiker von rechts und links in Griechenland, Italien, England und – in der Dimension überraschend – vor allem in Frankreich massiv von den Wählern unterstützt. Und die Börsen stört es nicht:
    "Ich finde, es hat sich in erschreckender Weise heute Morgen gezeigt, dass die Märkte eigentlich auf diese Ströme überhaupt nicht negativ reagiert haben."
    Das sagt Sebastian Sachs vom Bankhaus Metzler. Die Renditen südeuropäischer Staatsanleihen sind noch weiter gesunken. Das Vertrauen in diese Länder schien also zu steigen. In Frankreich blieben sie zumindest auf niedrigem Niveau stabil. Der Euro zeigte keine Schwäche. Die Aktienindizes erreichten in Deutschland neue Allzeithochs. Überdurchschnittlich die Kursgewinne an der Mailänder Börse. Die Pariser Börse hinkte hinterher, rutschte aber nicht ab. Dass die erstarkten europakritischen radikalen Kräfte an der Börse keine Rolle spielten, dürfte an der Europäischen Zentralbank gelegen haben. Sebastian Sachs:
    "(EZB-Präsident) Mario Draghi hat auch in Aussicht gestellt, dass ab Juni wahrscheinlich noch weitere expansive Maßnahmen auf den Weg gebracht werden. Und solange dieses Umfeld aufrecht erhalten wird, kann sowohl die fundamentale Entwicklung als auch die politische Entwicklung dem Markt nur sehr wenig anhaben."
    Sieg von Front National in Frankreich ein Alarmsignal
    Hinter dem Vertrauen in die Geldpolitik der EZB wächst aber die Sorge, dass die radikalen eurokritischen Kräfte die Reformbereitschaft mindern könnten. Wird der französische Präsident seine jüngst verkündete und schon gekappte Reformpolitik weiter zurückschneiden, also: länger mehr Schulden machen, die Lohnstückkosten weiter steigen lassen? Das könnten die Folgen sein, wenn Regierungen nun auf die erstarkten Eurogegner Rücksicht nehmen würden. Gerade Marine Le Pens Erfolg ist für viele Analysten alles andere als eine gute Nachricht. Thomas Meissner von der DZ Bank:
    "Das ist natürlich schon ein Alarmsignal: Rechtsaußen – das ist nicht das, was wir brachen für Europa, wenn wir Europa voranbringen wollen."
    Holger Schmieding, in London ansässiger Chefvolkswirt der Berenberg Bank, wertet den starken Zugewinn Le Pens als Chance:
    "Insgesamt ist dies ein Warnschuss natürlich für Europas Politiker. Aber es ist kein klares Votum gegen Reformen. Das Ergebnis in Italien kann eher als ein Votum für Reformen verstanden werden. Und das Ergebnis in Großbritannien und teilweise auch in Frankreich drückt ja eigentlich vielmehr ein Unbehagen über Einwanderung aus, statt dass es ein echtes Votum gegen Wirtschaftsreformen wäre."
    Wo die Reformen ansetzen müssen, ist klar: am Arbeitsmarkt, wo oft zu viele Rechte vor allem älterer Arbeitnehmer den Jungen zu den Zugang zum Markt erschweren. Metzler-Analyst Sachs:
    "Die Quoten, die wir in der Jugendarbeitslosigkeit sehen, sind untragbar, schon seit Längerem. Es ist wahrscheinlich richtig, hier von einer verlorenen Generation zu sprechen. Ich glaube, dem Markt ist es wichtig, dass irgendwas angepackt wird. Und aktuell wird halt in sehr vielen Ländern, die es dringend nötig hätten, eher aufgeschoben als angepackt."
    Das zeigt sich dann an der Wettbewerbsfähigkeit: In Portugal, Spanien und Griechenland sind die Lohnstückkosten in der Finanzkrise zwar gesunken. In Italien und Frankreich sind sie dagegen weiter gestiegen.