Schauspielerin Claudia Wiedemer

"Mein Körper ist mein Betrieb"

07:03 Minuten
Claudia Wiedemer ist Schauspielerin, Musikerin und Yogalehrerin. Sie sitzt auf einem Sessel und stützt sich mit dem Ellenbogen auf der Lehne ab.
Die Schauspielerin Claudia Wiedemer hofft auf ein Ende der Diskussion über die Betriebskosten bei der Soforthilfe für Soloselbstständige. © Christine Fenzl
Moderation: Liane von Billerbeck  · 15.05.2020
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Für den Beruf als Schauspielerin hat sich Claudia Wiedemer bewusst entschieden - obwohl sie um die Risiken der Freiberuflichkeit wusste. Sie lobt die Vorteile der freien Szene und ist dankbar für Soforthilfe in der Coronazeit.
Auch ohne die Coronakrise ist es für viele Schauspieler und Schauspielerinnen schwer, von ihrem Beruf zu leben. Claudia Wiedemer hat in Berlin als Yogalehrerin deshalb ein zweites Standbein. Aber sie hat sich für die Schauspielerei sehr bewusst entschieden und nimmt die Folgen der Freiberuflichkeit gern in Kauf.
Schon als junge Frau hatte Wiedemer ein Schlüsselerlebnis, das ihr Leben nachhaltig beeinflusst hat. Sie wurde in Hamburg überfallen und schwer verletzt. Seither lebt sie noch bewusster: "Das hat mir gezeigt, dass das Leben eine sehr fragile Angelegenheit ist", sagt Wiedemer. Diese Erfahrung habe danach alle weiteren Entscheidungen beeinflusst. "Die einzige Währung, die wir alle haben, ist die Zeit, die wir haben, und wir wissen nicht, wie viel wir davon haben", sagt sie.
Deshalb überlege sie sich sehr genau, mit wem und wie oder mit welchen Inhalten sie diese Lebenszeit füllen will. "Das führt zu großer Klarheit." Sie wolle seither nicht mehr mit Menschen arbeiten, die ihr nicht gut tun, sondern lieber mit Leuten, die sie herausfordern und ihr auf Augenhöhe begegnen. Auch Verzicht gehört dabei dazu.

Qualität der freien Szene

Im Hamburger Thalia-Theater habe es ihr beim ersten Engagement nicht gefallen. In der Folge habe sie die freie Szene sehr zu schätzen gelernt. Es werde zu wenig verstanden, welche Qualität dort in der sehr stark inhaltlichen Arbeit liege. Mehr Austausch zwischen festen Häusern und der freien Szene wäre sicherlich fruchtbar.
Dass die prekären Verhältnisse des freien Schauspielerberufs immer wieder sehr belastend sein können, räumt Wiedemer ein. Das werde jetzt in der Coronakrise besonders deutlich. "Ich finde es extrem schön, gerade in Berlin zu leben, wo wir anerkannt wurden für unsere Leistung, für das, was wir auch für Berlin tun", so Wiedemer.

Hilfe in Coronazeit

Es gebe tolle Initiativen wie den "Fonds Darstellende Künste", aber auch die Soforthilfe für Solo-Selbstständige des Berliner Senats. "Ich hoffe sehr, dass diese entsetzliche Diskussion über die Betriebskosten bald ein Ende findet", so Wiedemer. "Mein Körper ist mein Betrieb – ich muss da Essen reintun, ich muss meinem Kopf etwas zu essen geben, meiner Seele, ich muss mich um mich kümmern. Das sind meine Betriebskosten, dafür bekomme ich aber keine Quittung." Die Schauspielerin unterstützt die Idee eines bedingungsloses Grundeinkommens, das sehr viel mehr Kraft freisetzen würde.
Wiedemer sagt, sie fühle sich sehr privilegiert, denn sie habe viel Glück gehabt und oft Unterstützung erfahren. Ihren alleinerziehenden Freundinnen gehe es beispielsweise ganz anders. Sie könnten sich eine solche Haltung nicht erlauben.
(gem)
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