Schaubühne Berlin

Familienschlacht der Kampfkapitalisten

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Nina Hoss brilliert als Regina Giddens. © Foto: Arno Declair, Schaubühne
Von Andre Murmot · 18.01.2014
Lange Zeit war die US-amerikanische Autorin Lilian Hellman von deutschen Theatern ignoriert worden, jetzt wird ihr Stück "Die kleinen Füchse" wieder aufgeführt. In der süffisant-bösen Familiengeschichte ist eine großartige Nina Hoss an der Schaubühne zu sehen.
Keine Reifröcke, keine dicken Stores, keine schwarzen Dienstboten weit und breit: Was sich eigentlich in den amerikanischen Südstaaten zuträgt im Jahr 1900, ist an diesem Abend mit Haut und Haar in die Berliner Schaubühnen-Welt des Thomas Ostermeier hineingezogen worden: Lilian Hellmans antikapitalistische Familiensaga "Die kleinen Füchse", triumphal uraufgeführt am New Yorker Broadway 1939, findet nun in der kühl durchgestylten Unternehmer-Villa mit dunklem Ledermobiliar statt, das man so oder so ähnlich an diesem Hause schon einige Male bewundern durfte.
In der Vorlage dreht sich alles um eine von Großmannssucht zerfressene Familie, die zusammen mit einem Industriellen aus Chicago eine Baumwollspinnerei im Süden errichten will – weil man hier, auch lange nach Ende des Bürgerkriegs, noch immer so prächtig die schwarzen Arbeiter ausbeuten kann. Der Aktualitätsbezug liegt also auf der Hand, wird in der Ostermeier-Fassung aber noch verstärkt, indem alles auf deutsche Verhältnisse heruntergebrochen wird: deutsches Aussprechen der Namen, deutsche Nazi-Vergangenheit, deutsche Investition in Billiglohnländer.
Großes Pathos
In den letzten Jahrzehnten hat man das Stück und seine Autorin hierzulande ignoriert. Dabei repräsentiert Hellmann, die überzeugte Kommunistin, die intellektuelle Streiterin, die Dashiell-Hammett-Lebensgefährtin mit der scharfen Zunge, genau jene amerikanische Dramenliteratur – angesiedelt zwischen Eugene O’Neill und Tennessee Williams, die großes Pathos, sachliche Bodenständigkeit und packende Auseinandersetzungen zu einer süffig-effektvollen Mischung verquirlt, nach der insbesondere große Schauspielerinnen und Schauspieler gerne greifen, um zu zeigen, wie viel Furor in ihnen steckt.
So ist die späte Wiederentdeckung vor allem ein prächtiges Geschenk an den Neuzugang im Ensemble. Nach 15 Jahren am Deutschen Theater steht Nina Hoss nun zum ersten Mal bei ihrem neuen Arbeitgeber auf der Bühne und gibt, ganz Dame von Welt, jene gewittrig böse Regina Giddens, die Tallulah Bankhead am Broadway und Bette Davis in der immer noch faszinierenden Verfilmung von 1941 als Ikone weiblicher Gier verewigt haben.
Bei Nina Hoss ist die Frau, die charmiert, erpresst, manipuliert und über Leichen geht, um sich in der Familienhierarchie nach oben zu arbeiten und den größten Batzen des ausstehenden Geschäftsgewinns einzusacken, selbst eine Getriebene, der von den Männern um sich herum kaum Luft zum Atmen gelassen wird. Also tastet sie sich wie ein eingesperrtes Tier an der Zimmerwand entlang, bevor sie zum Angriff übergeht. Sarkastisch ist sie, flattrig, nervös, sie weint und raucht zwischen den Akten und bleibt doch immer in der ihr eigenen Art unterkühlt, beherrscht – manchmal sogar etwas blass.
Attraktive Angelegenheit
Umwerfend komisch dagegen spielt sich Moritz Gottwald in der Rolle des etwas tumben Neffen nach vorne, der sich bei der Wertpapierunterschlagung dummdreist in die Brust wirft und als allzeit bereiter Prügelknabe der Familie großes weil glaubhaftes Format entfaltet. Ursina Lardis alkoholkranke Schwägerin Birdie wiederum gibt beim virtuos hysterischen Verlieren von Fassung und Würde schon fast zu viel Gas und unterstützt den Eindruck, das an diesem formschön süffisanten Abend, an dem alles glatt gebürstet und einleuchtend daherkommt, eine durchgehende innere Spannung fehlt.
Alle deutlich moralisierenden, altbacken eindeutigen Passagen der Vorlage sind gestrichen worden, die großen Auseinandersetzungen funkeln, Nina Hoss ist fabelhaft anzusehen: Damit wird die Familienschlacht der Kampfkapitalisten zu einer derartig attraktiven Angelegenheit, dass man sie, obwohl sie eine Leiche auf der gigantischen Bühnenbildtreppe zurücklässt, so vergnügt schluckt wie eine klassische Folge Denver-Clan. Allerdings auch ebenso schnell vergisst.
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