Schau, schau, die Fleischbeschau

Von Udo Pollmer · 17.04.2011
Die EU plant Änderungen des Fleischrechts. Die Fleischbeschau steht auf dem Prüfstand. Während die Fleischwirtschaft auf Kosteneinsparungen hofft, protestieren Veterinäre, deren Job überflüssig werden könnte.
Das Konzept der Fleischbeschau soll nach dem Willen der EU geändert werden. Die bisher übliche Schlachttier- und Fleischuntersuchung von Schweinen am Schlachthof soll allmählich durch eine Kontrolle im Stall ersetzt werden. Und genau das bringt viele Veterinäre auf die Barrikaden.

Dabei ist die Idee der EU gar nicht so schlecht. Die Beanstandungen in den Schlachthöfen - beispielsweise wegen Tuberkulose - sind heute bedeutungslos. Deshalb will man lieber häufigen Erregern wie beispielsweise Salmonellen auf die Spur kommen. Und dazu sollen schon die Mastbetriebe genauer unter die Lupe genommen werden. Da kann man auch Untersuchungen durchführen, die ein paar Tage brauchen, bis das Ergebnis vorliegt. Im Gegenzug soll die Kontrolle am Schlachthof vereinfacht werden. Das klingt doch ganz vernünftig.

Der Protest der Fleischkontrolleure richtet sich auch weniger gegen dieses Vorhaben, sondern gegen ein strukturelles Problem: Die Kontrolle obliegt der Eigenverantwortung der Fleischwirtschaft. Auch das ist noch nicht brisant, wenn das neutral überwacht wird. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Denn einige Firmen vergleichen, welcher Veterinär oder Fleischbeschauer wie viele Schlachtkörper beanstandet – und dann sieht man zu, wie man die Störenfriede los wird. In der Branche wird von schwarzen Listen gesprochen – da stehen dann häufig jene Veterinäre darauf, die ihren Job besonders ernst nehmen.

In manchen Betrieben laufen die Bänder inzwischen so schnell, dass für die Beschau eines Schweineschlachtkörpers keine zehn Sekunden zur Verfügung stehen. Außerdem ist die Kontrolle natürlich nicht wie von der EU gewünscht "risikoorientiert". Denn da müsste man ja gezielt nach Risiken, auch nach neuen Risiken suchen. Eine ganze Reihe von Erregern, beispielhaft seien Toxoplasma oder Hepatitis E genannt, werden erst gar nicht untersucht. Das aber wäre der Sinn der Regelung gewesen. Gerade in Deutschland ist eine rigorose Fleischbeschau von großer Bedeutung – denn bei uns wird ein erheblicher Teil der Ware roh gegessen, man denke nur an Mett. Da ist das Infektionsrisiko natürlich höher als beim Grillhähnchen.

Auch wenn jetzt vegetarische Zeitgenossen frohlocken mögen – ganz unter uns: Sie sind genauso von diesem Problem betroffen. Denn der Kot infizierter Tiere wird als Naturdünger fürs Gemüse verwendet und damit werden die Erreger auf die Möhrchen übertragen. Wer Gemüse als Rohkost verzehrt, geht das gleiche Risiko ein wie mit 'ner Stulle mit frischem Mett. Sein Risiko ist eher noch größer – denn bis heute gibt’s keine Gemüsebeschau. Deshalb schützt eine funktionierende Fleischbeschau auch den Vegetarier.

Ich habe durchaus Verständnis, wenn Kosten gesenkt werden müssen, und auch dafür, dass die Fleischbeschau keine gerichtsmedizinische Obduktion ist. Aber die Haltung einiger Unternehmen, bei der Fleischbeschau auf Teufel komm raus Geld sparen zu wollen, ist inakzeptabel. Da mischen sie fleißig Omegafettsäuren oder Vitamine in die Wurst, um das Gesundheits-Image zu verbessern, und dafür sparen sie dann bei der Gesundheit.

Es ist nun mal die Pflicht der Fleischwirtschaft, den Kunden vor bekannten und vermeidbaren gesundheitlichen Risiken zu schützen. Dabei ist es – um es in aller Deutlichkeit zu sagen – schietegal, ob dies vom Gesetzgeber erzwungen wird oder nicht. Die Fleischwirtschaft trägt die Verantwortung für ihre Produkte und nicht irgendeine Behörde in Brüssel.

Manchmal, meine Damen und Herren, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, der Rinderwahnsinn habe eine neue Heimat gefunden: in den Chefetagen unserer Fleischwirtschaft. Eine Branche, die auf des Messers Schneide steht, sollte sich diesen Wahnsinn nicht leisten. Mahlzeit!

Literatur:
Hofmann H: Da kannst du gleich eine Münze werfen ... VETimpulse 2011; Heft 3
Guinee P et al: E. coli with resistence factors in vegetarians, babies, and non-vegetarians; Applied Microbiology 1970; 20: 531 - 535
Elder HA et al: Human studies to measure the effekt of antibiotic residues; Veterinary & Human Toxicolgy 1973; 35 (Suppl 1): 31 – 36
BfR: Alte Keime – neue Risiken. Pressemeldung des BgVV 1998/14