Donnerstag, 28. März 2024

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Universitätsklinik Köln
"Das ganze Krankenhaus ist in einer Umbruchphase"

Bundesweit reagieren Krankenhäuser auf die Coronakrise. Um viele Covid-Patienten aufnehmen zu können, werden zum Beispiel Stationen, wo wenig operiert wird, leergeräumt, erklärte Gerd Fätkenheuer, Infektiologe der Universitätsklinik Köln, im Dlf. Am Wichtigsten sei es, das Pflegepersonal zu schützen.

Gerd Fätkenheuer im Gespräch mit Martin Winkelheide | 24.03.2020
    Blick auf den Haupteingang zur Uniklinik Köln. Ein Hinweisschild weist auf einen stark reduzierten Ambulanzbetrieb hin
    Haupteingang der Uniklinik Köln. Ein Hinweisschild weist auf einen stark reduzierten Ambulanzbetrieb hin (picture alliance/Rolf Vennenbernd/dpa)
    Gut 29.000 Menschen in Deutschland haben sich mit dem neuartigen Coronavirus angesteckt. Das geht aus der Statistik der US-amerikanischen Johns-Hopkins-Universität hervor. Die Zahl der Menschen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, steigt, das spürt auch Professor Gerd Fätkenheuer, Leiter der klinischen Infektiologie der Universitätsklinik in Köln.
    Martin Winkelheide: Die Zahl der infizierten Menschen steigt. Hat das bereits spürbare Effekte auch in der Universitätsklinik in Köln?
    Gerd Fätkenheuer: Ja, wir haben auch in der Universitätsklinik Köln in den letzten Tagen zunehmend Patienten aufnehmen müssen, die schwer erkrankt sind. Das sind sowohl Patienten, die auf einer normalen Station behandelt werden können, als auch solche, die beatmet werden müssen, also auf einer Intensivstation liegen. Wir spüren das sehr deutlich.
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    "Wir müssen uns auf konkrete Therapie einstellen"
    Winkelheide: Soziale Distanz ist ja im Moment ein ganz wichtiges Mittel, um Neuinfektionen zu verhindern. Viele Menschen halten sich auch daran. Ist das als Entlastungseffekt spürbar bei Ihnen an der Uniklinik?
    Fätkenheuer: Nein, das ist nicht spürbar. Wir haben, wie vorher gesagt, mehr Patienten zunehmend in den letzten Tagen. Ich denke aber auch, dass das jetzt noch zu früh ist, um das zu beurteilen. Es braucht ja auch eine Zeit, bis von einer Neuinfektion die Erkrankung dann richtig ausbricht, und wenn sie dann schwer ausbricht, das sind dann auch oft noch mal ein paar Tage. Es wäre jetzt einfach zu früh, um das zu erwarten und beurteilen zu können.
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    Die Rolle der Dunkelziffer bei COVID-19
    Wissenschaftsredakteur Volkart Wildermuth erklärte im Dlf, dass man sich auf die offiziellen Zahlen der mit dem Coronavirus infizierten Menschen nicht ausschließlich verlassen kann. Die Dunkelziffer spielt noch eine zu große Rolle bei den Prognosen.
    Winkelheide: Was sind denn im Moment, sage ich mal, die besonderen Herausforderungen zurzeit, für die Ärzte, fürs Pflegepersonal?
    Fätkenheuer: Zum einen sind die Herausforderungen, dass wir es ja hier mit einer Erkrankung zu tun haben, die doch besonders verläuft. Wir kennen vieles. Das ist parallel wie bei einer Grippe oder bei einer schweren Grippe mit einer Lungenentzündung. Aber manches ist doch sehr speziell. Und da wissen wir zwar einiges drüber schon bereits aus der Literatur, aus Berichten anderer Zentren aus anderen Ländern, aber das ist natürlich immer doch mal noch was anderes, ob man das jetzt selbst sieht und erfährt. Darauf müssen wir uns einstellen, auf die konkrete Therapie der Patienten.
    Dann natürlich die zu erwartende große Zahl von Patienten, die auf uns zukommt. Das bedeutet, dass das ganze Krankenhaus umgestellt wird darauf, viele COVID-Patienten aufnehmen zu müssen. Das bedeutet, dass Stationen, beispielsweise chirurgische Stationen, wo weniger operiert wird, leergeräumt werden und da Platz frei gemacht wird für COVID-Patienten, die wir in den nächsten Tagen erwarten. Das ganze Krankenhaus ist gerade in einer Umbruchsphase, in Vorbereitung auf das, was jetzt in den nächsten Tagen kommen mag.
    "Es ist wichtig, dass sich das Pflegepersonal selbst schützt"
    Winkelheide: Heißt das auch, dass Pflegepersonal anders geschult werden muss? Wie muss ich mir das konkret vorstellen?
    Fätkenheuer: Ja, das Pflegepersonal ist in den Hauptbereichen, Intensivstationen, da ist das Pflegepersonal schon bereits gut geschult, was den hygienischen Umgang angeht. Vor allen Dingen ist wichtig, dass das Personal sich selbst schützt. Das wird natürlich noch mal verstärkt in der Situation. Es werden konkrete Anleitungen gegeben, wie man sich schützen muss, und das wird auch natürlich besonders auf den Stationen noch mal durchgeführt und verstärkt, wo die Patienten dann hinkommen, auf die normalen Stationen außerhalb der Intensivstation.
    Winkelheide: Wie halten Sie den Betrieb eigentlich aufrecht? Sie sagten, eine wichtige Maßnahme ist, das Personal zu schützen. Nun passieren oft immer unwägbare Dinge.
    Fätkenheuer: Ja, natürlich kann auch im Personal jemand krank werden. Das kann erst mal was ganz Normales sein, gar nichts mit der Erkrankung zu tun haben. Das kann sein, dass sich jemand angesteckt hat, auch das haben wir gesehen, aber angesteckt außerhalb der Klinik. Zum Beispiel haben wir Personen gehabt, die sich in Österreich beim Skifahren angesteckt hatten und dann zuhause bleiben mussten. Was wir auf jeden Fall vermeiden wollen, mit allen Mitteln, ist, dass sich Mitarbeiter der Klinik in der Klinik an Patienten anstecken. Das ist das oberste Ziel, was wir vermeiden müssen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.