SC Germania-Lechenich

Eine Fußballmannschaft aus Flüchtlingen

Ein junger Flüchtling spielt Fußball.
Ein junger Flüchtling spielt Fußball. © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Von Thorsten Poppe  · 22.10.2015
In der Nähe von Köln hat sich Deutschlands erste Fußballmannschaft gegründet, die nur aus Flüchtlingen besteht und im normalen Ligabetrieb aktiv ist. Ein nachhaltiges Projekt, dass den jungen Kickern das Ankommen erleichtert.
"Good, good, Pressing, Pressing, oh Mann da pfeift er ab."
Der Regen prasselt unaufhörlich hernieder auf das Grün des Kunstrasens. Hier auf einem Fußballplatz vor den Toren Kölns spielt die 4. Mannschaft des SC Germania-Lechenich zu Hause gegen Füssenich-Geich. Nach ein paar Minuten steht es 0:0. Eigentlich ein ganz normales Fußballspiel in der Kreisliga C, der untersten deutschen Spielklasse.
"Chance vergeben."
Die Begegnung wäre normal, wenn nicht ausschließlich Flüchtlinge in der Germania-Mannschaft spielen würden, die in dem 15.000-Einwohner Städtchen Lechenich und seinen Nachbardörfern untergekommen sind. Denn in einem ersten Schritt entschloss sich der Verein im Sommer so eine "Refugees11" auf die Beine zu stellen. Die Idee dazu hatte der Ehrenpräsident Germanias Michael Schmalen:
"Als wir Anfang des Jahres davon hörten, dass zunehmend Flüchtlinge kommen, haben wir als Sportverein was gesagt, da müssen wir auch was tun. Hatten es auch auf Kinder- und Jugendarbeit erst einmal beschränkt. Waren bei der Stadt zur Vorstellung des Konzeptes. Dort hatte die Stadt den Wunsch an uns vielleicht einmal zu überlegen oder nachzudenken, ob wir auch etwas auch für junge Erwachsene machen können. Es hat sich dann herausgestellt, dass zwischen 15-25 junge Leute regelmäßig kommen. Wir haben auch überlegt die Mannschaft so zu belassen, wie sie ist. D.h. also nur aus Flüchtlingen und Asylbewerber, weil die jungen Erwachsenen der deutschen Sprache noch nicht mächtig sind. Die Sprache natürlich neben den international bekannten Fußballregeln eine wichtige Geschichte ist."
Spielberechtigung aus den Heimatländern
Peu á Peu sollen sie so integriert werden. Seit Juli kommen sie deshalb zweimal wöchentlich zum Training. Doch das war Germania nicht genug. Denn in einem zweiten Schritt ist es dem Verein in Absprache mit dem Fußballkreis gelungen, die "Refugees 11" noch nachträglich zum Spielbetrieb anzumelden. Bisher gab es in sechs Spielen einen Sieg und ein Unentschieden, dazu vier Niederlagen. Der eigentliche Sieg ist aber, dass sie hier überhaupt mitspielen dürfen. Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Michael Schmalen musste für alle Spieler in deren Heimatländern die Spielberechtigung einholen. Dabei gelten für die Amateure dieselben Vorgaben wie bei den Profispielern im bezahlten Fußball. Bei Asylsuchenden sogar noch ein bisschen mehr wie Michael Schmalen erläutert:
"Also erst einmal muss die Identität geklärt werden. Das ist schon mal ne relative schwierige Geschichte, dann muss auch geklärt werden, ob in dem Heimatland bereits eine fußballerische Betätigung stattgefunden hat. Und dann kommt es zu einem ganz normalen Spielerpassantragsverfahren mit den entsprechenden Dokumenten. Diese ganzen Recherchen, die ganzen vorbereiteten Arbeiten sind natürlich sehr, sehr intensiv. Aber in solchen Fällen, wo eben sämtliche Dokumenten zusammengestellt werden müssen, Botschaften eingeschaltet werden müssen, der nationale Fußballerband eingeschaltet werden muss, ist es schon bei der deutschen Gründlichkeit eine Herkulesaufgabe für 20 Flüchtlinge aus 10 verschiedenen Nationen dann die entsprechenden Unterlagen dann komplett zusammen zu bekommen!"
Spielanweisungen vor allem auf Deutsch
Zur Halbzeit steht es 1:0 für den Gegner. Trainiert wird die Mannschaft ehrenamtlich von Alois Görgen. Doch er ist hier nicht nur auf dem Fußballplatz Coach, sondern auch für das neue Alltagsleben seiner Kicker. Die deutsche Sprache ist für ihn dabei der Schlüssel zum Erfolg – im Alltag wie auf dem Platz. Erst gestern vor dem Spiel saß er mit seiner Mannschaft im Flüchtlingsheim zusammen, und übte dafür gängige Fußballbegriffe. Damit er nicht immer in zwei Sprachen auf dem Platz Kommandos rufen muss. Deshalb versucht der Trainer auch immer wieder in der Halbzeitpause mehr deutsch als englisch zu sprechen, um seine Mannschaft zu motivieren, die Sprache schneller zu erlernen.
"Du spielst in den Strafraum herein, in den Strafraum reingehen, frontal reingehen. Okay? verstehst du mich? As is say, kick the ball in the 16 Meter Area, okay. Im Moment sind wir auf dem Weg, dass die Jungs glaube ich ab Montag intensiv Deutschkurse besuchen, das wurde jetzt organisiert. Das ist eine wichtige Voraussetzung, dass neben dem Spiel auch nachher eine gute Konversation auf dem Platz möglich ist. Ein Kommando in deutsch und dann in Englisch hinterher, dann ist die Situation schon vorbei. Wir sehen immer mehr, dass die Leute es besser aufnehmen, und sich selber schon mehr in Deutsch unterhalten."
Die zweite Halbzeit beginnt rasant, plötzlich steht ein Germania-Spieler alleine vor dem gegnerischen Torhüter:
"Tor!"
"Der Fußball ist für uns so eine Art Job"
Ausgleich 1:1. Der Jubel ist herzlich, und warm. Jeder spürt hier, dass sich die Flüchtlinge gerne in diese neue Aufgabe stürzen. Und sei es in dem Fall auch erst einmal nur der Sport. Die Integrationsbeauftragte der Stadt Sandy Auert ist ständiger Begleiter der Refugees11 und hat von Anfang an das Engagement unterstützt:
"Es ist unglaublich wichtig eine Tagesstruktur zu bekommen. Das Gefühl zu haben, etwas zu tun zu haben, wer zu sein in diesem Land, gesehen zu werden, gehört zu werden, sich zu beteiligen am gesellschaftlichen Geschehen. Wir machen halt hier die Erfahrung beim SC Germania, dass die Jungs natürlich auch selbst im Gespräch sind. Die Leute haben ein Gesicht, sie haben eine Personality, und es entwickeln sich Freundschaften. Es entwickeln sich vor allen Dingen Normalitäten. Und das ist das lohnenswerte an dieser Geschichte."
Der Regen und das kalte deutsche Wetter machen der Mannschaft im Spiel heute vor allem zu schaffen. Sie sind alle Straßenfußballer, die vorher noch nie auf einem richtigen Fußballplatz, oder regelmäßig in einer Mannschaft gekickt haben. Nach dem erneuten Rückstand geht die Ordnung verloren, auch weil die Kraft der Flüchtlinge mit zunehmendem Spielverlauf nachlässt. Am Ende verliert die Mannschaft mit 1:3. Alle sind enttäuscht, auch der Kapitän Chris Abram Asams aus Ghana. Doch der 25-Jährige ist glücklich hier untergekommen zu sein, und schätzt das Engagement des Vereins hoch ein:
"Ohne Fußball wäre es langweilig, denn wir haben ja hier keine Erlaubnis zu arbeiten. Die ganze Zeit nur an einem Platz zu sein in unserem Flüchtlingsheim, das wäre Langeweile pur. Der Fußball ist für uns damit quasi so eine Art Job, denn dadurch haben wir was zu tun. Der Verein hier reduziert unseren Stress, wir lieben es einfach, hier zu sein...!"
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