Satirisch und gnadenlos bissig

21.11.2008
Der Kabarettist Gerhard Polt gilt als Urgestein bayerischen Humors. Neun bisher unveröffentlichte Live-Sketche bietet sein neues Hörbuch mit dem lakonischen Titel "Apokalypsen". Frisch eingespielt von bayerischen Bühnen kommt es auf den Tisch. Die Pointen sitzen, das Publikum rast vor Vergnügen.
"Haben doch die mein Geld den Lehman Brothers gegeben. Ich kenn die überhaupt nicht. Ich habe den einen nicht gekannt und den anderen auch nicht. Jetzt haben die mein Geld, glaubst du, dass sich einer von denen bei mir bedankt hätte. Nicht die Rede. Ein Benehmen wie ein Schwein, das ist das letzte. Und jetzt erfahre ich bei der Landesbank, dass ich seit Jahren in Finnland ein Atomkraftwerk finanziere, und da sag ich zu dem: Entschuldigen Sie, rentiert sich denn das Atomkraftwerk. Da sagt der: Nein, keineswegs, überhaupt nicht, sonst täten wir es ja gar nicht finanzieren. Ja, das ist doch überhaupt das Letzte, gell."

Ob Lehman Brothers und Bankenkrach, CSU-Wahldebakel oder andere Apokalypsen, Gerhard Polt bleibt unbeirrt auf der Jagd nach dem Zeitgeist oder dem Zeitgespenst, wie es Karl Valentin nannte. Auch mit 66 Jahren bleibt Polt sich treu, vielleicht sogar noch gereift wie ein guter Wein, satirisch und gnadenlos bissig wie eh und je.

Neun bisher unveröffentlichte Live-Sketche bietet nun dieses neue Hörbuch Polts mit dem lakonischen Titel "Apokalypsen", frisch eingespielt von bayerischen Bühnen auf den Tisch. Die Pointen sitzen, das Publikum rast vor Vergnügen.

Polts Paraderolle ist stets, in die Schuhe wohlanständiger Bürger zu schlüpfen, allesamt Besserwisser: ob CSU-Fan, Allianz-Versicherungsvertreter, empörter Wirtschaftskrimineller, Metzger mit Mozart-Connection, Handtaschenräuber ohne Migrationshintergrund oder Sponsor:

"Ja, ich meine, wissen Sie, ich sag das so in knappen Worten; Sponsoring, das ist heute, ohne das geht es nicht. Sogar der Vatikan, glauben Sie mir es, sogar der Vatikan lässt sich sponsern; das macht Heineken, wenn die in Rom heute ein Mega-Event abfackeln, verstehen Sie, irgend ein urbi et orbi, oder irgend sowas, nein, dann wird das von Heineken gesponsert. Spirituell und so, die machen das. Ja gut, die Frage ist berechtigt, muss ich zu einer Oblate Heineken saufen. Excuse me, ich meine, klar, ich würde auch lieber ein Augustiner dazu nehmen, logisch." Applaus "

Und oft schimmert bei Polt die menschliche Tragödie durch.
In drei der neun Sketche wirft Polt Blicke in Kindheiten:
der erste Ladendiebstahl und der damit verbundene Eierlikörkater, der gescheiterte Versuch, einen Säugling mit Regenwürmern zu füttern, oder andere prägende, frühkindliche Erlebnisse, zum Beispiel das eines Säuglings im Kinderwagen.

" "Und dann ist der Adolf Hitler, ich kann mich gut erinnern, zu mir persönlich hergekommen und hat zu mir gesagt: duziduziduzi, aber ganz normal, wie man mit einem Säugling redet, also nicht so wie er später dann geredet hat, so deutschedeutschedeutsche, nein, ganz normal, ganz normal, und ich muss sagen, wie es ist, ich war von dieser Persönlichkeit, von dieser Ausstrahlung so beeindruckt, dass ich dann ganz still war."

Da wird's auch still im Publikum, denn Polt geht es ja nicht um die Gaudi, ums Theater, obwohl er eine geniale Rampensau mit magischer Bühnenpräsenz ist. Polt versucht subversiv das Schreckliche überhaupt, in Anführungszeichen "konsumierbar" zu machen. "Kaum einmal ist das Furchtbare so unterhaltsam wie bei Gerhard Polt.", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" über Polts vorletztes Solohörbuch "Eine menschliche Sau".

Polts neues Hörbuch "Apokalypsen" steht dem in Nichts nach: Polt at it´s best, gruselig und komisch, musikalisch mit dem entsprechenden Tusch versehen von der Biermösl Blosn. Und wer wissen will, warum er sich dieses Hörbuch anhören soll? Dann kann er endlich mal die schweigende Mehrheit wirklich schweigen hören:

"Moment mal, nein, jetzt bitte, seien Sie mal einen Moment still, sind Sie mal bitte einen Moment still. Hören Sie was? Jetzt? Jetzt hört man´s, jetzt, das ist die schweigende Mehrheit."

Rezensiert von Lutz Bunk

Hörbuch: Gerhard Polt, Apokalypsen,
Kein und Aber Verlag, Zürich 2008, 1 CD, 16.90 €.
Gesprochen von Gerhard Polt. Musik von Biermösl Blosn.