Satire auf Youtube

"Attentate auf Gehirne und Lachmuskeln"

Die YouTuber „Datteltäter“ freuen sich am 04.06.2016 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) bei der Verleihung des Webvideopreises über den Preis in der Kategorie "Newcomer"
Die YouTuber „Datteltäter“ bei der Verleihung des Webvideopreises in der Kategorie "Newcomer" © picture alliance/ dpa /Henning Kaiser
Younes Al-Amayra im Gespräch mit Katrin Heise · 26.11.2016
Sie rufen das "Satire-Kalifat" und den "Bildungsdschihad" gegen Klischees aus: Das Kollektiv "Datteltäter" will mit Youtube-Clips Vorurteile bekämpfen. Politsche Bildung und Aufklärung kann mittels Humor und Satire funktionieren, sagt Mitgründer Younes Al-Amayra.
Die alten Medien sind nicht mehr der einzige Ort, wo sich das Gros der Gesellschaft informiert - und auch nicht mehr das, wo sich Wahlkämpfe entscheiden. Was muss man also tun für die politsche Bildung - und wo - damit wir alle uns in den neuen Medien nicht verlieren, sondern alle Stimmen gehört werden? Ihre eigene Antwort darauf haben die Datteltäter gefunden.
Das fünfköpfige Satire-Kollektiv um den Islam- und Poltikwissenschaftler Younes Al-Amayra veröffentlicht seit etwas mehr als einem Jahr in ihrem Youtube-Kanal im Netz kurze provokante Videospots. Damit wollen die Datteltäter angesichts der Angst vor islamistischem Terroror und rechtsextremer Radikalisierung die Stimme der muslimischen Community in Deutschland hörbarer machen und eine Brücke zur Mehrheitsgesellschaft schlagen.
Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur plädiert Younes Al-Amayra, Islam- und Politikwissenschaftler und Gründungsmitglied der des Satire-Kollektivs"Datteltäter" für Humor und Satire und teils auch Provokation im Netz als Mittel, um Stereotype in den Köpfen aufzubrechen.

"Bildungsdschihad" - "Attentaten auf Gehirne und Lachmuskeln

"Humor und Satire sind gute Eisbrecher", sagte Al-Amayra im Deutschlandradio Kultur. "So kann man Leute für sich gewinnen." Die "Datteltäter" setzten mit ihrem Namen oder Begriffen wie "Bildungsdschihad" ganz bewusst auf Reizwörter, deren Ursprung komplett verfälscht worden sei.
"Das sind ja teilweise verbrannte Wörter, die aus muslimischer Sicht eigentlich gar keine Kampfbegriffe sind. Wir füllen sie so, wie sie eigentlich nach unserem Verständnis sind. Deswegen benutzen wir sowas wie Bildungsdschihad oder Datteltäter, weil wir da Attentate auf die Gehirne, auf die Lachmuskeln verüben wollen. Mit Humor."
Die Reaktionen auf die Video-Spots, die das Satire-Kollektiv "Datteltäter" seit etwas mehr als einem Jahr in ihrem Youtube-Kanal im Netz veröffentlicht, seien bis auf einige Shitstorms von der rechten Seite bislang vor allem positiv gewesen. Ihre Botschaften seien wichtig für die muslimische Community in Deutschland, die sich mit Vorurteilen konfrontiert sehe, aber auch, um eine Brücke zur Mehrheitsgesellschaft zu schlagen: "Wenn etwas nicht klar ist. Wenn ich Vorurteile habe, ist das eine Möglichkeit auf uns zuzugehen. Man kann uns anschreiben. Man kann uns fragen."

"Es gibt eine Menge zu tun"

Mit den Internet-Spots der Datteltäter ließen sich auch Menschen mit Vorurteilen gegenüber Muslimen erreichen: "Das ist ja auch eine ganz andere Gefühlsebene, wo du die dann erreichst", berichtete Al-Amayra von Veranstaltungen, auf denen die Spots der Gruppe gezeigt wurden: "Es ist dann auch einfacher, sich vorzustellen, miteinander ins Gespräch zu kommen." Ergänzende Workshops zu den Online-Aktivitäten fänden bereits in Kooperation mit politischen Einrichtungen statt.Eine verstärkte Kombination von offline und online scheitere bislang aber auch an den finanziellen Ressourcen."Es gibt eine Menge zu tun!"
Younes Al-Amayra, Islamwissenschaftler und Mit-Gründer des YouTube-Channels "Datteltäter"
Younes Al-Amayra, Islamwissenschaftler und Gründer von Datteltäter.de© Deutschlandradio Kultur

Das Interview im Wortlaut:
Katrin Heise: Immer wieder hört man, junge Menschen interessieren sich nicht mehr für Politik oder für gesellschaftliche Debatten, und wenn, dann vielleicht gerade mal ein bisschen oberflächlich, so auf Skandalniveau. Wenn man allerdings ins Netz guckt, dann nimmt man wahr, es gibt unendlich viele politische Botschaften, und eher stellt sich die Frage, wie heben sich eigentlich Beiträge, die zum Beispiel demokratische Debatten, einen echten Austausch von Argumenten oder einen Perspektivwechsel anregen wollen, wie heben die sich eigentlich aus diesem Riesenangebot von Skandal und Meinung ab, wie machen die auf sich aufmerksam – sozusagen politische Bildung im Netz. Vielleicht könnte die sich ja so anhören – hören Sie mal das "Alman-Win-Säuberungspaket":
((Beitrag))
Das war ein Ausschnitt aus dem Video vom YouTube-Kanal Datteltäter, und einer der Gründer der Datteltäter ist Younes Al-Amayra, Islam- und Politikwissenschaftler, außerdem Pädagoge und Deradikalisierungstrainer, er ist zu uns ins Studio gekommen. Schönen guten Tag!
Younes Al-Amayra: Hallo!
Heise: Humor, Ironie, vor allem Provokation würde ich sagen, das sind die Stilmittel der Datteltäter, um sich rauszuheben?

"Wir provozieren natürlich automatisch"

Al-Amayra: Ja, insbesondere die Satire und insbesondere Humor und klar, wir provozieren natürlich automatisch, indem wir bestimmte Dinge halt ansprechen und natürlich auch wahrscheinlich auf die Art und Weise, aber das sind so die Sachen, wo wir halt festgestellt haben, dass wenn man gerade sensible Themen ansprechen möchte und der normale Weg einfach nicht mehr funktioniert, dann muss man sich halt anderer Mittel bedienen. Also gerade Humor und Satire, das sind, wie wir einfach auch ticken. Und deswegen haben wir gesagt, ja, das ist ein guter Eisbrecher, so kann man Leute für sich gewinnen.
Heise: Man muss es allerdings erst mal kapieren, das fängt ja schon beim Namen an. Datteltäter, Kombination aus Attentäter und Dattel, also Krieg und Frieden quasi zusammen, das muss verstanden werden, auch Bildungs-Dschihad kündigen Sie an, diese Ironie muss man erst mal entschlüsseln. Für mich war das immer so der zweite Schritt, vorher müssen Fakten und Tatsachen klar sein. Sie gehen zuerst mit dem Humor ran – als Eisbrecher, sagen Sie. Geht's denn dann weiter mit der Debatte?
Al-Amayra: Na ja, also das, was wir gerade mit diesen Worten tun, ist ja eigentlich etwas, was … also es sind teilweise verbrannte Wörter, die aus muslimischer Sicht eigentlich gar keine Kampfbegriffe sind, sondern eigentlich der Ursprung – und das ist ja auch ein Problem und das ist ja auch ein Grund, warum wir existieren – komplett verfälscht wurde beziehungsweise in eine Richtung geht, die nicht dem Ursprung eigentlich entspricht. Und dann bringen wir Wörter zusammen oder auch Begriffe, die zwar fremd bestimmt werden, was eigentlich nicht sein sollte, und wir füllen sie quasi so, wie sie eigentlich nach unserem Verständnis sind. Und deswegen benutzen wir auch so was wie Bildungs-Dschihad und so was wie Datteltäter, wobei wir da Attentate auf die Gehirne, Attentate auf die Lachmuskeln verüben wollen und das, ja, mit Humor.
Heise: Mit Humor, und erreichen Sie darüber tatsächlich eine Debatte oder bleibt's beim Humor? Dann lachen die Leute und klicken weiter aufs nächste.
Al-Amayra: Ich denke, dass es extrem wichtig ist für die muslimische Community, dass sie zumindest auch eine Form der Stimme haben, dass sie eine Plattform bekommen, wo sie zumindest auch ihre Sichtweise zu hören bekommen beziehungsweise wo sie ihre Sichtweise im Prinzip auch … Also es geht ja auch um Identifikation, wo sie die Möglichkeit haben, hey, okay, da sind Leute, die betreffen die Themen genauso wie uns, sie müssen sich auch diesen Vorurteilen stellen, und hier spricht mal jemand laut und der hat auch noch eine gewisse Reichweite. Für die nicht muslimische Mehrheitsgesellschaft versuchen wir aber auch eine Brücke zu schlagen. Das heißt, wenn sie Fragen haben, wenn etwas nicht klar ist, wenn ich Vorurteile habe und so weiter und so fort, ist das zumindest eine Möglichkeit, übers Internet auf uns zuzugehen, sich in erster Linie zwar unsere Videos anzuschauen, aber man hat ja auch die Nachrichtenfunktion – man kann uns anschreiben, man kann uns fragen.
Heise: Und das passiert?
Al-Amayra: Das passiert.

Überwiegend positive Reaktionen

Heise: Wie sind die Reaktionen?
Al-Amayra: Überwiegend positiv. Wir haben zwar schon auch ein, zwei Shitstorms abbekommen, das eher vom rechten Lager, also wenn wir wirklich Hass bekommen, dann überwiegend vom rechten Lager, die uns natürlich immer wieder vorwerfen, dass wir so was wie ein Wolf im Schafspelz sind, dass wir eigentlich etwas predigen, was sich gut anhört, aber in Wahrheit sind wir alle Radikale und wollen eigentlich das Land unterwandern.
Heise: Aber ein Shitstorm ist ja eben auch keine produktive Auseinandersetzung. Zu der kommt es aber doch, also jetzt nicht unbedingt vielleicht mit den Rechten, aber kommt es zu einer Auseinandersetzung nicht nur mit dem eigenen Dunstkreis?
Al-Amayra: Ja. Ich nehm mal vielleicht ein Beispiel: Gestern war ich auf einem Podium in München gewesen, und das war vom, ich weiß nicht welches Ministerium das war, aber es war ein bayrisches Ministerium, und da waren wir, und da konnte man sich das so ungefähr so vorstellen, teilweise sehr CSU-belastet und das Publikum hatte dann teilweise Fragen gestellt, wo ich einfach echt, Wow, Mann, es gibt ne Menge zu tun und so. Und das waren gebildete Menschen. Das waren keine hasserfüllten Menschen, nein, es waren einfach … was dieses Thema betrifft, hatten sie eine große Unkenntnis. Und dann waren sie ziemlich überrascht, als sie dann mit unseren Videos konfrontiert wurden, da wurden sie überrascht. Das heißt, der Stereotyp wurde nicht erfüllt, sondern er wurde gebrochen, und damit mussten sie erst mal umgehen, aber sie haben gelacht. Und das ist ja eine ganz andere Gefühlsebene, wo du die dann erreichst, und da ist es dann einfacher auch, sich vorzustellen, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Heise: Aber dann höre ich, dass es letztlich im Netz ist, aber jeder alleine gelassen mit dem, was er sich gerade anguckt – letztlich politische Bildung oder eben Austausch doch wieder nur so face to face oder vielleicht in der Schule oder so funktioniert.
Al-Amayra: Das wäre natürlich ideal, eine Online-Offline-Version, aber wir sind halt klein, wir haben auch nicht die finanziellen Mittel, um überall zu sein. Aber ich denke, es gilt, genau so was zu stärken, dass man sich eben genau so Player sucht, mit denen zusammenarbeitet, und dann könnte man auch Worksh… Wir werden ja auch angefragt für Workshops, wir werden angefragt für Vorträge, das machen wir, aber das machen wir alles noch neben einem Hauptjob und neben einem Hauptjob an YouTube sozusagen. Das ist extrem viel Arbeit, was da ist.
Heise: Also politische Bildung nicht nur online, nicht nur per YouTube, sondern am besten in der Kombination online-offline, da ist es am sinnvollsten, sagt Younes Al-Amayra von dem Datteltäter-YouTube-Kanal, übrigens auch auf "funk", dem ARD/ZDF-Jugenddigitalprojekt zu sehen. Danke schön!
Al-Amayra: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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