Sarah McKenzie

Junger Jazz mit Einflüssen aus aller Welt

Die Jazz-Sängerin Sarah McKenzie und Gitarristen Jo Caleb im Studio 1 von Deutschlandradio Kultur
Die Jazz-Sängerin Sarah McKenzie und Gitarrist Hugo Lippi zu Gast bei Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio Kultur / Leila Knüppel
Sarah McKenzie im Gespräch mit Matthias Wegner · 01.02.2017
Die Jazz-Sängerin Sarah McKenzie wurde in Australien geboren, studierte in den USA und lebt mittlerweile in Paris. Im Interview spricht sie über ihre Vorbilder, ihre Einflüsse und warum sie gerade besonders froh ist, in Europa zu sein.
Die 29-jährige Sängerin Sarah McKenzie wurde im australischen Melbourne geboren, studierte dann am Berklee College of Music in Boston und ließ sich 2015 nach ihrem Studium in Paris nieder. Ihrer aktuellen Wahlheimat hat sie nun das neue Album "Paris in The Rain" gewidmet, auf dem sie von einer erstklassigen amerikanischen Band begleitet wird und auf dem der Erfolgsproduzent Brian Bacchus die Produktion übernommen hat. Ist das der Beginn einer großen Karriere? Sarah McKenzie ist zu Gast im Deutschlandradio Kultur und erzählt, warum sie sich für Paris entschieden hat, wer ihre Vorbilder sind und was sie von Donald Trump hält.

Das Interview im Wortlaut:
Deutschlandradio Kultur: Sie singen das Stück 'I’m old fashioned'. Ein alter Standard, von Jerome Kern und Johnny Mercer vor vielen Jahren geschrieben. Hat dieser Song für Sie eine persönliche Bedeutung: Sind Sie selbst altmodisch?
Sarah McKenzie: Ich denke schon, denn ich habe eine alte Seele in mir. Ich liebe die Eleganz zum Beispiel der 40er Jahre, habe einen großen Hang zur Nostalgie und zu romantischen Dingen. Deswegen wollte ich auch diesen Song und die entsprechende Aussage auf meinem Album haben: 'Ich bin altmodisch', 'I’m old-fashioned'.
Deutschlandradio Kultur: Sie sind in Melbourne, Australien, geboren, haben später am berühmten Berklee College of Music in Boston studiert, sind dann aber nicht in den USA geblieben, sondern sind 2015 nach Paris gezogen. Warum?
Sarah McKenzie: Ich bin nach Paris gezogen, weil ich beim französischen Impulse-Label unterschrieben habe. Für mich war es die logische Folge, dann auch gleich dorthin zu ziehen. Und das, obwohl ich vorher noch nie in Paris war.

Große Jazztradition in Europa

Deutschlandradio Kultur: Sind Sie - wenn man die ersten Tage von Donald Trump als amerikanischer Präsident verfolgt - froh, dass sie aktuell nicht mehr in den USA leben?
Sarah McKenzie: Ich fühle mich sehr glücklich und privilegiert, dass ich ausgerechnet in dieser Zeit nach Europa gekommen bin. Aber auch weil viele meiner amerikanischen Jazzhelden, wie Duke Ellington oder Quincy Jones - eine gewisse Zeit in Paris und generell in Europa verbracht haben, um aufzunehmen oder aufzutreten und dabei auch die Kultur aufgesogen haben. Es gibt ja wirklich eine große Jazztradition hier in Europa. Insofern bin ich sehr froh, hier zu sein.
Deutschlandradio Kultur: Das neue Album heißt "Paris in the Rain", aber es gibt dann auch Stationen zum Beispiel in Rom (When in Rome) heißt eine Nummer oder auch in Brasilien (mit einer Jobim-Nummer). Ist Heimat für Sie an einen geografischen Ort gebunden?
Sarah McKenzie: Auf diesem Album ist das Reisen auf jeden Fall ein wichtiges Thema für mich. Ich habe die USA nach meinem Studium in Berklee verlassen, ohne ein Visum für ein bestimmtes Land zu haben. Ein ganzes Jahr bin ich wie eine Vagabundin zwischen Paris, London, Portugal, Australien und Italien hin und her gereist. Und deswegen gibt es auf dem Album auch diese ganzen Songs: "Tea for Two" bezieht sich zum Beispiel auf England. Zurzeit ist tatsächlich die Musik meine Heimat. Meine ursprüngliche Heimat ist nach wie vor Australien, aber ich folge zurzeit vor allem meiner Musik. In ihr stecken meine Leidenschaft und meine Träume.
Deutschlandradio Kultur: Swingende Musik erlebt gerade einen großen Aufwind. Die Leute tanzen auch plötzlich wieder zum Jazz. Wie ist das bei Ihnen, ist Ihnen dieser Aspekt wichtig, die Menschen auch eher über den Körper, als über den Kopf zu erreichen?
Sarah McKenzie: Am liebsten über die Seele… Aber das ist wirklich eine interessante Frage. Mir ist auch die Technik nicht so wichtig, wie mein Ausdruck als Musikerin und Stilistin. Ich möchte gerne vor allem einen bestimmten Sound haben. So wie das auch eine Shirley Horn hatte oder Duke Ellington. Auch Oscar Peterson konnte man bei jeder gespielten Note sofort heraushören und identifizieren. Ich möchte ebenfalls eine Musikerin sein, die einen eigenen Stil hat und damit die Menschen in ihrer Seele anspricht.

Sie singt sehr persönliche Versionen bekannter Songs

Deutschlandradio Kultur: Sie haben mit Ende 20 schon eine eigene Handschrift und vor allem einen eigenen Ausdruck gefunden, auch wenn eine gewisse Nostalgie oft präsent ist. Jede junge Sängerin hat auch Vorbilder in der Musikgeschichte und eine der ganz großen Sängerinnen, die es je gegeben hat, wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden: die Sängerin Ella Fitzgerald. Wie wichtig, wie einflussreich war oder ist Ella für ihre eigene Musik?
Sarah McKenzie: Auch das ist eine interessante Frage. Mich haben Instrumentalisten immer stärker beeinflusst als Sängerinnen. Ganz besonders Pianisten wie Oscar Peterson, Gene Harris oder Bill Evans. Ich habe zwar selbst immer gesungen, aber das Piano hat mich im Grunde mehr interessiert. Natürlich liebe ich die Aufnahmen, die Ella mit Oscar Peterson gemacht hat, die waren sehr inspirierend. Allerdings mochte ich immer mehr die Sängerinnen, die noch emotionaler in ihrem Ausdruck waren, zum Beispiel Shirley Horn, der auch die Phrasierung sehr wichtig war, aber die auch en Inhalt eines Songs sehr stark verinnerlicht hat. Ella hatte diese unglaubliche Stimme und eine unglaubliche Virtuosität, und ihr Scat-Gesang war wirklich verblüffend. Scatten spielt bei mir persönlich allerdings kaum eine Rolle. Ich mag es lieber, mich auch ans Klavier zu setzen und meine Songs selbst zu arrangieren – so kann ich mich am besten ausdrücken. Also: ich liebe Ellas Musik und ihren Sound, aber sie ist nicht mein Haupteinfluss.
Deutschlandradio Kultur: Bei Songs, die auch schon Leute wie Ella Fitzgerald gesungen haben, liegt die Messlatte besonders hoch. Sie singen aber dennoch Songs wie "Embraceable You" von den Gershwin-Brüdern oder ein Stück von Jerome Kern und Johnny Mercer. Sind diese Klassiker eine ganz besondere Herausforderung?
Sarah McKenzie: Du kannst Dich nicht mit einer so großen Stimme wie der von Ella Fitzgerald messen. Sie ist so unglaublich. Das Gleiche gilt für Etta James. "At Last" zum Beispiel ist einfach ihr Song. Du solltest lieber die Finger davon lassen. Außer Du findest einen ganz anderen Zugang und arrangierst das Stück so, dass es zu Deinem eigenen Stil passt. Diesen Anspruch habe ich immer. Ich bin nicht Ella Fitzgerald oder Etta James. Ich habe nicht deren kräftige Stimme. Deswegen muss ich eine sehr persönliche Version eines solchen Songs hinbekommen. Jeder Mensch hat nun einmal seine eigene Stimme, auch wenn sich das vielleicht etwas abgedroschen an. Hör Dir zum Beispiel Bob Dylan an, er ist vielleicht kein ganz großer Sänger. Aber er ist dennoch unglaublich. Du musst Deinen Stil finden und Dein Herz und Deine Seele hineinstecken – das ist alles.
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