Sankt Martin

Solidarität braucht eine gesetzliche Verankerung

08:15 Minuten
Skulptur, Naumburger Meister, vor 1239. - Die Mantelteilung des Heiligen Martin von Tours, sogenannter Bassenheimer Reiter. - Abguss des Sandsteinreliefs in der katholischen Pfarrkirche St. Martin in Bassenheim bei Koblenz
Besser ein halber Mantel als gar keiner: Sankt Martin gilt als Vorbild für christliche Nächstenliebe. © picture alliance / dpa / akg-images
Gerhard Wegner im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 11.11.2019
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Am Martinstag wird des Heiligen gedacht, der der Legende nach seinen Mantel mit einem Bettler teilte. Heute genügten ehrenamtlich wirkende Helden nicht mehr, sagt der evangelische Theologe Gerhard Wegner. Der Sozialstaat sei mehr denn je gefragt.
Heute ist Martinstag – benannt nach Martin von Tours, Sohn eines römischen Offiziers und selbst bereits in sehr jungen Jahren Soldat. Bis er Krieg und Gewalt abschwor, sich selbst als ein Soldat Christi bezeichnete und sein Leben der Mildtätigkeit widmete. Sankt Martin gilt noch heute als beliebtester Heiliger der Katholischen Kirche. Der Mantel, den er mit einem frierenden Bettler teilte, machte ihn zur Legende und steht stellvertretend für gelebte Solidarität.
Lebensmittelausbage der Hanauer Tafel. Eine Frau reicht eine Tüte mit Brötchen an an einen Bedürftigen.
Lebensmittelausgabe der Hanauer Tafel© imago images / Michael Schick
Aber wie steht es heute um diese Tugenden in unserer Gesellschaft - wer sind die modernen Sankt Martins? Gerhard Wegner, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche (EKD) in Hannover sagt: "Ich tendiere eher dazu, dass man auf neue solidarische Formen, Organisationen und Institutionen guckt, die sich herausbilden und in denen viel ehrenamtliches Engagement steckt. Da geht es gar nicht so sehr um einzelne Helden, sondern darum, dass man gemeinsam etwas macht." Ihm fallen dazu die Hospizbewegung oder die Tafelbewegung ein. Auch, dass die EKD-Synode plant, ein eigenes Seerettungsschiff ins Mittelmeer zu schicken, findet er mutig und unterstützenswert.

Deutliche Zeichen setzen

Vor allem sei es wichtig, in unserer "Ich-Gesellschaft" deutliche Zeichen der Solidarität zu setzen. Aber das lasse sich eben nicht über Werte alleine transportieren, findet Wegner. "Was es braucht, sind institutionelle Ordnungen. Das sind in Deutschland insbesondere die Institutionen des Sozialstaates, die dafür sorgen, dass Solidarität über gesetzliche Regelungen vernünftig verankert wird." Denn man könne nicht nur auf die Haltungen der einzelnen Menschen setzen.
Die von der Großen Koalition ausgehandelte Grundrente hält Wegner für eine ganz wichtige Sache. Altersarmut sei ein großes Problem – und dem könne man mit der neuen Regelung ein Stück weit begegnen. "Ich habe allerdings nicht verstanden, warum man so lange braucht, um zu einem Kompromiss zu kommen."
Ebenso begrüßt Wegner das Urteil zu Hartz IV, das die Jobcenter nicht dazu zwingt, sofort Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger einzuleiten.
(mkn)
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