Sanierung des Münchner Gasteigs

"Moment der Erneuerung verpasst"

Das Bild zeigt das Gebäude des Münchner Kulturzentrums Gasteig.
Der Gasteig, Münchens Kulturzentrum, soll saniert werden. © dpa / picture alliance
Von Tobias Krone · 24.10.2018
Für knapp eine halbe Milliarde Euro will München seine Philharmonie sanieren. Nun hat sich die Stadt für den konservativsten Sanierungsentwurf entschieden. Kritiker vermuten dahinter Kalkül und hätten sich "einen großen Wurf" gewünscht.
So sehr die Stadt München sich mit ihren zahlreichen Museen als weithin strahlende Kunstmetropole verkauft, so düster und karg empfängt sie die Musikliebhaber seit 1985. Hoch über dem Isarufer thront seitdem der Gasteig, die Münchner Philharmonie, ein kubischer Fels, oder wie Florian Roth von den Stadtratsgrünen es beschreibt: "Der Gasteig hat ja so ein bissl die Anmutung einer Trutzburg."

Facelifting für die Trutzburg

Zu dieser Assoziation trägt wohl auch die steil aufragende rotbräunliche Klinkerfassade bei, die dem industriellen, historischen Erbe gewidmet ist. Vormals stand hier eine Brauerei, von der den Münchnern heute nur noch die benachbarte Gaststätte etwas sagt: Bürgerbräukeller. Hier scheiterte Georg Elser mit seinem Attentat auf Hitler. Die historische Last des Ortes bekam dann in den Achtzigern mit dem Kulturzentrum ein massives Gegengewicht.
Nun, nach über 30 Jahren, ist es technisch in die Jahre gekommen und soll kernsaniert werden - inklusive einer Neukonzeption der vielfach kritisierten Saalakustik. Und das Gebäude soll zudem ein Facelifting bekommen. So könnte man den Siegerentwurf des Architekturwettbewerbs nennen, den heute der Münchner Stadtrat mit seiner rot-schwarzen Mehrheit abgesegnet hat. Ein fröhlicher Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner sagte zwei Stunden nach der Entscheidung:
"Wir sind wirklich überglücklich. Es ist das Büro, das diese Generalsanierung gestalten wird. Und wir haben hier das Gefühl gehabt, dass wirklich das Einzigartige des Gasteig besonders zur Geltung kommt. Der Gasteig soll nämlich von innen heraus strahlen. Er leuchtet von innen nach außen, aber auch nach innen selber. Es wird ein leuchtendes Band geben, das sich von vorne bis nach hinten durch den Gasteig hindurchzieht, und alles und alle verbindet. Und auch nach außen zeigt, was hier vor sich geht."
Künftig soll also auch der Gasteig strahlen. Das Büro des Münchner Architekten Gunter Henn durchbricht die strenge Mauer mit einer Glasfront, behält aber die Form des ursprünglichen Baus bei. Für den Grünen-Abgeordneten Florian Roth ist das goldene Band schlicht "ein breites Fenster, das so ein bisschen wie der Ausblick aus einer Shoppingmall wirkt, das relativ unorganisch da draufgepappt wird, aber es ist eigentlich kein eigener neuer Charakter, keine neue Anmutung, kein neues Bild in der Stadt zu erkennen."

Der konservativste Entwurf hat sich durchgesetzt

Neuer Charakter - dieser spräche aus den beiden Entwürfen, die es ebenfalls in die enge Auswahl geschafft hatten. Das Stuttgarter Büro Wulf hätte die Fassade in einer Rotunde aufgelöst, die Münchner Kollegen von Auer Weber den Klinker mit einer Netzstruktur ersetzt. Doch geschafft hat es der konservativste Sanierungsentwurf. Kritiker wie Roth vermuten hinter der Entscheidung ein pragmatisches Kalkül: "dass man am wenigsten Krach mit den Urheberrechtsinhabern bekommen wird."
Die Urheberrechte besitzen die vier Architekten des alten Gasteig. Zwei von ihnen, so war bekannt geworden, hatten in einer Denkschrift an die Stadt klargemacht: Wenn sie einer Umgestaltung zustimmen, dann nur dem Henn-Entwurf. Auch die Architekten der unterlegenen Entwürfe haben den Verdacht, dass sich die Stadt erpressen lässt und wollen die Entscheidung jetzt überprüfen lassen. Max Wagner vom Gasteig hält dagegen.
"Ich muss leider sagen, das ist völlig haltlos, dieser Vorwurf. Weil - und ich habe diese ganze Diskussion miterlebt - diese vollkommen unabhängig vom Urheberrecht geführt wurde, nämlich sehr stark von der Funktion her, von den Anforderungen der Nutzer her und, was ich vorhin auch gesagt hatte, von der Öffnung zur Stadt her."

"Warum nicht einen großen Wurf wagen?"

Doch genau mit dieser Öffnung zur Stadt offenbart sich eine weitere offene Flanke, die in einen Rechtsstreit münden könnte. Und zwar mit den Ursprungsarchitekten. Denn auch der Henn-Entwurf enthält eine großzügige Freitreppe hinauf zum Eingang. Die lehnen die Hüter über den Achtzigerjahre-Bau explizit ab: Der massive Bau müsse den Charakter einer wehrhaften Kultur-Bastion behalten. Ein Gedanke, der, zugegeben, nicht mehr ganz in unser Jahrzehnt passt.
"Ich sehe es genau anders herum. Ich denke, in unserer Zeit sollen wir nicht eine Burg sein, die erobert sein will, sondern wir sollen uns öffnen, um einzuladen, das zu sehen, was hier zu entdecken ist."
Zumal der Gasteig nicht nur die klassische Musik beherbergt, sondern auch die Stadtbibliothek und die Volkshochschule. Der kunstsinnige Bildungsbürger nutzt den Gasteig ebenso wie der lernende Realschüler mit Migrationshintergrund. Und diese Durchmischung will Max Wagner mit dem Umbau noch verstärken. Dennoch, Kritiker wie der Oppositionspolitiker Florian Roth glauben, mit ihrer Entscheidung für den konservativen Entwurf heute habe die Stadt einen Moment der Erneuerung verpasst.
"Es ist halt die Frage, ob man, wenn man eine halbe Milliarde Euro ausgibt, da nicht wirklich auch mal einen großen Wurf wagen und notfalls die Auseinandersetzung mit den Urheberrechtsinhabern eingehen sollte, bis hin zu, ich sag mal: Teilabriss."
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