Samurai-Ausstellung

Krieger mit Aubergine auf dem Helm

Stücke, die in der Ausstellung Samurei in der Kunsthalle München zu sehen sind.
Rüstung (Nimaitachidō Tōsei Gusoku), Grathelm (Sujibachi Kabuto) & Halbmaske (Menpō). © The Ann & Gabriel Barbier-Mueller Museum, Dallas Foto: Brad Flowers
Nina Santorius im Gespräch mit Andrea Gerk · 28.01.2019
Mutig, diszipliniert bis in den Tod – der Mythos Samurai lebt bis heute fort. Eine Ausstellung zeigt jetzt Rüstungen der japanischen Krieger. Das ist spannend, denn anders als europäischen Ritter trugen die Samurai auch schonmal bunte Gemüse-Helme.
Andrea Gerk: 2019 ist in München Japan-Jahr, und den Auftakt macht eine Ausstellung in der Kunsthalle, die sich der Pracht des japanischen Rittertums widmet. Die Samurai verkörpern ja das Bild des mutigen Schwertkämpfers und Bogenschützens, der seinem Kaiser unbedingt treu ist bis in den Tod. Diese Treue, aber auch Disziplin und Gehorsam bis zur Selbstaufgabe bildeten den Ehrenkodex der Samurai, der bis heute faszinierend ist. Die Kunsthalle München zeigt nun prächtige Samurai-Rüstungen aus der Sammlung Ann und Gabriel Barbier-Müller, und kuratiert hat die Schau Nerina Santorius, mit der ich jetzt verbunden bin. Guten Abend, Frau Santorius!
Nerina Santorius: Guten Abend!
Gerk: Schon auf den ersten Blick, wenn man auch in den Katalog zu Ihrer Ausstellung schaut, da sieht man ja schon, wie prächtig, bunt und voller Verzierungen diese Rüstungen sind. Inwiefern sind das denn nicht nur Schutzrüstungen, sondern auch quasi so Symbole?
Santorious: Mit Sicherheit spielt die repräsentative Funktion dieser Rüstung eine ganz große Rolle. In den frühen Jahrhunderten, ich sage jetzt mal vor allem im 16. Jahrhundert, als es die Zeit der streitenden Reiche war und quasi Bürgerkrieg herrschte und die Fürsten sich gegenseitig bekämpft haben, da steht die Schutzfunktion noch an aller erster Stelle. Als aber Japan wieder geeint wurde durch Tokugawa Ieyasu und das Shogunat in Edo, dem heutigen Tokyo, begründet wurde, begann eine lange Friedensepoche von circa 250 Jahren. Und das war eine Zeit, in der der Kriegerstand, also die Samurai, eine ganz wichtige Rolle in der Gesellschaft hatten. Das waren circa acht Prozent der Bevölkerung, also sehr viel, und das war die politische und die soziale Elite. Aber das war eine Zeit des Friedens, wo die Samurai nicht gekämpft haben. In der Zeit stand die zeremonielle und die Repräsentativfunktion der Rüstung im Vordergrund.

Prachtvolle Rüstungen bis zum Ruin

Gerk: Das heißt, in den Rüstungen, die man jetzt bei Ihnen sehen kann, haben die gar nicht gekämpft.
Santorious: Es sind Rüstungen dabei, in denen man gekämpft hat. Teilweise sieht man auch tatsächlich die Kampfspuren, also vor allen Dingen die Rüstungen und Helme aus den früheren Zeiten. Aber all das, was aus der Edo-Zeit ist, ist zwischen 1603 und 1868, das ist eher repräsentative Funktion. Die Sachen sind dann teilweise umso spektakulärer: Die Samurai haben das bei Prozessionen, bei Zeremonien getragen. Zum Beispiel hat auch der Shogun, also der oberste militärische Befehlshaber, der geherrscht hat in der Edo-Zeit, versucht, die Macht der Kriegerfürsten kleinzuhalten, indem er sie angewiesen hat, dass sie jedes zweite Jahr von ihren Ländereien in die Hauptstadt reisen und dem Shogun ihre Aufwartung machen mussten – und zwar mit ihrem ganzen Gefolge und sehr, sehr großem Aufwand. Was sie finanziell fast ruiniert hat. Das war auch die Absicht des Shoguns. Diese Prozessionen waren zum Beispiel eine Gelegenheit, um dann diese ganze Pracht und Opulenz dieser Rüstungen zur Schau zu tragen.

Schmetterlingswappen und Fischhelm

Gerk: Und wenn die so einen Repräsentationscharakter hatten, kann man die quasi lesen, also haben diese Zeichen, die da auf den Rüstungen sind, auch eine Bedeutung? Ist das wie so ein Text?
Santorious: Ja, in vielerlei Hinsicht. Ein Punkt ist sicherlich eine Familienzugehörigkeit. Also die Rüstungen haben oft ein Wappen – "mon" heißt das auf Japanisch. Das ist meistens eine Kreisform oder sind verschiedene Pflanzen oder Tiersymbole oder auch irgendwelche Muster drin.
Es gibt zum Beispiel in unserem ersten Raum, der diesen Kriegerfürsten gewidmet ist, eine Rüstung von der Ikeda-Familie, eine der fünf mächtigsten Samurai-Klans, das ist ein Schmetterlingswappen. Und der ist auf den einzelnen Bestandteilen der Rüstung überall zu sehen. Man kann sozusagen an der Rüstung erkennen, welcher Samurai-Familie das zugeordnet ist, das ist ein Punkt.
Dann gibt es aber, was auch bei den Helmen besonders schön zu beobachten ist, ganz verschiedene Einflüsse aus der Religion: also buddhistische Wächtergottheiten, Wächterlöwen. Das ist spektakulär, weil es sie auch ganz stark noch mal von europäischen Rüstungen unterscheidet. Es gibt Pflanzen und Tiere, zum Beispiel einen Auberginenhelm, also wirklich in der Form einer Aubergine, wo man dann oben tatsächlich so den Stil drauf sieht. Diese Frucht ist ein Glückssymbol in Japan.
Es gibt eine Helmart, die nennt sich "kawari kabuto", also ungewöhnlich geformter Helm, und da wird sozusagen der ganze Helm zum Beispiel als Fisch gestaltet oder als eine Pflanze, als ein Bambussprössling oder als ein Dämon. Das ist ein bisschen so wie unser Pappmache, was wir kennen, ein ganz leichtes Material. Das wird aus Papier oder Leder, das wird mit Lack vermischt, und dann hat man eine sehr stabile, aber sehr, sehr leichten Aufbau. Man merkt das auch, wenn man die Helme hochhebt: Die sind einfach nicht so schwer. Da hat man einfach eine ganz, ganz große gestalterische Vielfalt, diese Helme zu schmücken und da auch bestimmte Dinge mit auszudrücken. Also es geht in der Regel um Schutz auf der einen Seite und Abschreckung auf der anderen Seite.

Ritter in bunten Rüstungen

Gerk: Ich nehme an, das haben ja wahrscheinlich auch richtige Künstler oder Meister hergestellt. Das ist ja dann eine richtige Meisterleistung, so eine Rüstung zu kreieren.
Santorious: Absolut. Also an der Herstellung einer Rüstung waren immer verschiedene Handwerker beteiligt, also zunächst einmal Schmiede und Kunstschmiede, aber auch Lederhandwerker, Weber und Sticker. Das unterscheidet die japanischen Rüstungen auch noch mal maßgeblich von europäischen. Im äußeren Erscheinungsbild ist das alles Metall, und die japanischen Stücke sind erst mal schon mal farbenfroher durch diese Seidenschnürung, die haben in der Regel eine Farbe, manchmal aber auch absichtlich mehrere Farben. Es kommen unterschiedliche Materialien und Techniken und Dekortechniken zum Einsatz.

Blutrünstige Schönheit

Gerk: Die Samurai-Kultur gibt es ja in dem Sinn jetzt im heutigen Japan nicht mehr, aber trotzdem ist das ja weltweit etwas, was Menschen fasziniert und was auch Künstler inspiriert, Filmemacher. Was denken Sie, woran das liegt, warum sind die Samurai so ein Mythos bis heute?
Santorious: Ich denke, dass diese Ambivalenz eine ganz große Rolle spielt. Es ist einerseits vielleicht dieser Ehrenkodex Bushido, der Weg des Kriegers, das ist die Loyalität bis in den Tod, dieses große Ehrgefühl.
Andererseits darf man aber auch nicht vergessen, dass das einfach unfassbar grausam war. Wir zeigen in der Ausstellung zum Beispiel auch ein Theaterrequisit aus dem Kabuki-Theater, das ist ein abgeschlagener Kopf. Das war ganz normal, dass man die abgeschlagenen Köpfe als Trophäe mitgenommen hat. Die wurden dann von den Frauen präpariert und gezeigt. Es ist beides: Es ist einerseits diese unvorstellbare Präzision und höchste Qualität in der Kunstfertigkeit dieser Objekte, und das ist wahnsinnig faszinierend. Das ist ein Detailreichtum, der wirklich Spaß macht, wenn man davorsteht. Wenn man vor so einem Helm steht, man verliert sich da drin und entdeckt bei jedem immer wieder neue Dinge. Diese Verbindung von Kultiviertheit einerseits und dieses Kriegerische andererseits, das, glaube ich, übt schon eine große Faszination aus.
Gerk: Nerina Santorius, Kuratorin an der Kunsthalle München, vielen Dank für dieses Gespräch!
Santorious: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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