Samuel Pepys

Tagebücher eines Wendehalses

Der englische Staatssekretär im Marineamt und Tagebuchautor Samuel Pepys (1633-1703) beschrieb auch ausführlich die Ereignisse bei der Flucht vor der "Großen Pest".
Der englische Tagebuchautor Samuel Pepys beschrieb die Flucht vor der "Großen Pest". © imago stock&people
Von Friedbert Meurer, Studio London · 30.11.2015
Vor rund 350 Jahren, im Winter 1649, wurde Charles I., König von England, hingerichtet, die Monarchie wird abgeschafft. Augenzeuge der Hinrichtung und dieser Umbruchszeit ist Samuel Pepys. Dessen Tagebücher werden jetzt in einer Ausstellung in London gezeigt.
Es ist der 30.Januar 1649, als sich in London Ungeheuerliches ereignet. König Charles I. wird zum Schafott geführt und öffentlich enthauptet. Unter den Zuschauern befindet sich der 15-jährige Samuel Pepys, der für das Spektakel eigens die Schule schwänzt. Ein unbekannter holländischer Künstler hat die Szene noch im selben Jahr gemalt. Das Bild eröffnet die Londoner Ausstellung.
"Mit einem einzigen Axthieb wurde er enthauptet."
Auf dem Gemälde streckt der Henker den abgeschnittenen, blutigen Kopf des Königs in die Höhe. Bestürzte Anhänger des Königs tränken ihr Taschentuch in das ausgelaufene Blut.
Als Erwachsener hielt Samuel Pepys die Szene in seinem Tagebuch fest. Er sei damals ein Rundkopf gewesen, ein Puritaner, schreibt Pepys, und er habe gedacht: "Möge der gemeine Kerl verrotten!"
Jetzt, 1660, fürchtete er, als ehemaliger Anhänger Oliver Cromwells aufzufliegen –gerade erst war die Monarchie wieder etabliert worden.
Vom Republikaner zum Royalisten
Pepys hatte allerdings rechtzeitig die Seiten gewechselt und befand sich sogar auf dem Schiff, mit dem der neue König Charles II. im Triumphzug nach London zurückkehrte. Ein weiteres Gemälde aus den Beständen des "Museum of London" illustriert die prächtige Prozession.
Co-Kurator Kristian Martin: "Samuel Pepys war in seiner Zeit an der Universität von Cambridge ein überzeugter Republikaner. Aber er war gewitzt und widerspenstig. Er schaffte es, zur rechten Zeit am rechten Platz zu sein. Er hat sich genau zum richtigen Zeitpunkt vom Republikaner zum Royalisten gewandelt."
War Samuel Pepys ein Wendehals? Damals vielleicht ja – viele, die nicht die Fronten wechselten, wurden allerdings grausam hingerichtet, gemartert und gevierteilt.
Etwa zum Zeitpunkt der Krönung Charles II., 1660, begann Pepys Tagebuch zu führen. Er versteckte es gut und verfasste es in geheimer Kurzschrift – aus Sorge, Schergen des Königs könnten es finden oder auch seine Ehefrau, die er ständig betrog.
Co-Kurator Robert Blyth: "Ich glaube, er fing an zu schreiben, weil er spürte, dass etwas Bedeutsames begann. Die Dinge in England veränderten sich jetzt sehr schnell. Oliver Cromwell war 1658 gestorben, sein Sohn Richard war schwach. Pepys war politisch aktiv und merkte, dass hier Großes passierte. Also begann er, ein Tagebuch zu führen."
Der König ist faul und hat zu viele Affären
Der Besucher der Ausstellung in London kann die Handschrift Samuel Pepys' in einem Notizbuch für die Marine betrachten. Die sechs umfangreichen Original-Tagebücher aber sind leider nicht ausgestellt. Samuel Pepys vermachte kurz vor seinem Tod seine gesamte 3000 Bände umfassende Bibliothek dem Magdalene-College der Universität Cambridge, inklusive der Tagebücher - mit der Auflage, dass sie niemals das College verlassen dürfen.
"Pepys übte bissige Kritik. Der König sei faul. Er nimmt die Staatsangelegenheiten nicht ernst und hat zu viele Affären mit Frauen. Aber Pepys selbst war alles andere als ein Puritaner. Er ging ständig selbst fremd und betrog seine Frau Elisabeth."
Pepys schreibt auch über Sex und zwar sehr explizit – das ist der Grund, warum die Tagebücher erst in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts vollständig publiziert wurden.
Die Londoner Ausstellung illustriert die Epoche machenden Geschehnisse, an denen Pepys selbst beteiligt war oder die er aus allernächster Nähe beobachtete. Er selbst bleibt mit seiner Persönlichkeit und als literarischer Autor etwas blass. Man sieht Operationsbesteck aus der Zeit, mit dem ihm bei vollem Bewusstsein ein quälender Blasenstein entfernt wurde – oder Musikinstrumente und selbstkomponierte Noten aus seinem Besitz.
Wer mehr über Samuel Pepys erfahren möchte, muss auf den exzellenten Katalog zurückgreifen oder noch besser seine Tagebücher lesen.
Mehr zum Thema