Sam Wilson: "Im Zeichen des Todes"

So fesselnd wie "Breaking Bad"

Die Silhouette der Freiheitsstatue auf dem Gellert Hügel in Budapest im Schein des Vollmonds.
In Sam Wilsons Thriller "Im Zeichen des Todes" sind die Menschen ihren Sternzeichen gemäß unterteilt. © Peter Lakatos
Von Elena Gorgis · 11.01.2017
Sam Wilson hat mit "Im Zeichen des Todes einen Thriller vorgelegt, der Grundlage einer erfolgreichen Fernsehserie à la "Breaking Bad" werden könnte. In seiner Gesellschaft sind Sternzeichen wichtiger als Bildung oder Geld. Und alle Figuren sind in einem System aus Lügen verstrickt.
Es beginnt mit einem grausamen Mord: Der Polizeichef der Stadt San Celeste liegt mit aufgeschlitztem Bauch in seinem Garten. Neben ihm ein Symbol im Gras: das Sternzeichen Stier. War hier ein Serientäter am Werk? San Celeste ist Teil einer fiktiven Welt, die unserer ganz ähnlich ist. Allerdings bestimmt dort nicht die Hautfarbe, die Herkunft oder das Geschlecht darüber, wer arm und wer reich ist. Stattdessen sind die Menschen in Sternzeichen unterteilt, allein der Zeitpunkt der Geburt entscheidet über ihren Platz in der Gesellschaft: An der Spitze stehen die Steinböcke, sie kontrollieren das Geld und die Institutionen, ganz unten sind die Widder, von Geburt an angeblich gewalttätig, faul und dumm. Klingt absurd?
Es braucht nicht viel, um Quatsch zur Wissenschaft zu erheben, um - ja: - im postfaktischen Zeitalter zu landen. Das zeigt Sam Wilson in seinem Debüt "Im Zeichen des Todes", einer Kriminalgeschichte mit Elementen der Urban Fantasy und Science-Fiction. In San Celeste soll der Mord nicht nur von Detektiv Jerome Burton aufgeklärt werden - loyaler und bodenständiger Stier wie alle Polizisten -, sondern auch von der Astrologin Lindi Childs, ein liberaler und kreativer Wassermann. Sie ermittelt Verdächtige, indem sie Horoskope erstellt. Ihre angeblichen Fakten haben sogar vor Gericht bestand.

Sam Wilson bewirbt sich für Hollywood

Es ist von San Celeste aus nur ein kleiner gedanklicher Schritt zurück zu unserer Welt, in der Fiktion und Realität in politischen und gesellschaftlichen Diskursen nur noch schwer auseinanderzuhalten sind. Aber um unsere Welt geht es in diesem Roman ja nicht, also dürfen wir erwarten, dass - es ist schließlich Genre-Literatur - der bodenständige Detektiv über sich selbst hinauswachsen, gegen alle Widerstände diesen Mord aufklären und nebenher irgendwie noch das ungerechte Gesellschaftssystem beseitigen wird. Wilson, der in Südafrika lebt, einen Master im kreativen Schreiben hat und als Fernsehregisseur arbeitet, macht es uns aber nicht ganz so einfach.
"Im Zeichen des Todes" liest sich wie eine Bewerbung für Hollywood: Hier ist das Skript für die nächste aufregende Fernsehserie nach "Breaking Bad". Und das Gesetz der Serie heißt: Der Weg ist das Ziel. Das Feuilleton übersteigt sich schon seit Jahren in Lobeshymnen über die neue Erzählform Fernsehserie, es heißt, gute Serien seien ebenso erhellend wie gute Romane. Sam Wilson dreht den Spieß einfach um: sein Buch bedient die Generation der Binge-Watcher. Es ist so gut, weil es wie eine fesselnde Serie funktioniert.

Ein System aus Lügen, Vorurteilen und Korruption

Zwar steuert er seine Geschichte genregerecht auf ein krachendes Ende zu, so viel Unterhaltung muss sein, und ja: Auch das Rätsel um den Mord wird gelöst. Aber am Ende merkt man: darum geht es eigentlich gar nicht. Wie auch in "Breaking Bad" gibt es sie nicht, die Heldenrolle. Detektiv, Astrologin, Mörder, Opfer - alle sind sie mit dem System verknüpft, das von Lügen, Vorurteilen und Korruption lebt. Nicht allein dem Plot, sondern ihnen folgen wir fasziniert.
Wilson wechselt in kleinen Kapiteln jeweils die Perspektive, so werden seine Figuren besonders lebendig mit ihren Wünschen, Hoffnungen und Sehnsüchten. Nach bester Serienmanier lässt er uns mitfühlen und zeigt: die Übergänge zwischen Täter und Opfer sind fließend. Kann es da am Ende eine Erlösung für uns Leser geben? Wir ahnen: es wird wohl nichts mit der Realitätsflucht. Ein im besten Sinne beunruhigender Thriller.

Sam Wilson: "Im Zeichen des Todes"
Aus dem Englischen von Andreas Helweg
Penhaligon, München 2016
480 Seiten, 14,99 Euro

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