Salman Rushdie: "Golden House"

Eine schrecklich faszinierende Familie in New York

Buchcover: Salman Rushdie: "Golden House"
Salman Rushdies neuer Roman spielt in New York © imago / Bertelsmann Verlag
Von Johannes Kaiser · 19.10.2017
Im Mittelpunkt des neuen Romans von Salman Rushdie "Golden House" steht ein Vater mit seinen drei Söhnen. Die reiche indische Familie ist aus Indien nach New York emigriert. Ein Dokumentarfilmer wittert ein schreckliches Geheimnis und ist ihnen darum auf der Spur.
Nein, diesmal keine Märchen, keine Mythen, vielmehr tagesaktueller Realismus, wenn auch in ein poetisches Kleid gehüllt. Salman Rushdies neuer Roman spielt in New York und beginnt mit Obamas Machtantritt und endet mit Donald Trumps Präsidentschaft. So politisch und engagiert war der Autor noch nie. Allerdings hat er das Erzählen nicht verlernt. Er weiß wie in besten Tagen Geschichten zu erfinden, die skurril und abenteuerlich sind. Seine Protagonisten verblüffen mit facettenreichen Charakteren.
Im Mittelpunkt des Buches steht eine aus Indien nach New York geflohene Familie, das heißt ein Vater und seine drei Söhne. Deren Oberhaupt ist Nero Golden, nomen est omen, ein extrem reicher Mann, doch niemand weiß, womit er sich sein Geld verdient hat. Über seine Herkunft wie die seiner Söhne schweigt er. Aber die Vergangenheit wird ihn einholen, wie uns Rushdie gleich an Anfang des Buches verrät und damit unsere Neugier weckt.


Auf der Frankfurter Buchmesse sprachen wir mit Salman Rushdie über sein neues Buch:
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© Deutschlandradio / David Kohlruss

Ein junger Dokumentarfilmer

Ihre Geschichte wird uns vom jungen Nachbarn erzählt: dem Drehbuchautor René Unterlinden. Die Familie fasziniert ihn und er spürt, dass sie ein schreckliches Geheimnis verbirgt und genau deswegen will er sie zum Mittelpunkt eines Dokumentarfilms machen und schleicht sich in die Familie ein.
Das erlaubt Rushdie die Perspektiven des Erzählens zu wechseln: Einmal beschreibt er die einzelnen Personen der Familie, und was sie in New York unternehmen, dann lässt er seinen Erzähler sich Hintergrundgeschichten für seine Protagonisten ausdenken. Weil sie so viel verschweigen, schreibt er fiktive Briefe, erfindet ganze Drehbuchszenen mit der Familie.

New Yorks Kulturszene aufs Korn genommen

Salman Rushdie nutzt seine erfundene Familie, um über zahlreiche aktuelle Themen zu reden. Familienoberhaupt Nero hat eine kriminelle Vergangenheit in Indien. Also erzählt uns Rushdie von Korruption, kriminellen Clans und Terrorismus in Mumbai. Der eine Sohn ist sich seiner sexuellen Orientierung nicht sicher. Also dekliniert der Schriftsteller alle Gender-Varianten New Yorks durch.
Ein anderer Sohn ist Autist mit einer Begabung fürs Programmieren, leidet zugleich aber unter einer sozialen Phobie. Der dritte Sohn ist Künstler. Das erlaubt es Rushdie, ironisch New Yorks Kunst- und Kulturszene aufs Korn zu nehmen. Ständig werden Filmszenen erörtert und Lieblingsregisseure erwähnt. Rushdie neigt sowieso dazu, seine umfassende Bildung überdeutlich herauszustellen, indem er immer wieder Zitate von Philosophen von der Antike bis heute in den Text einstreut, seinem Erzähler ein geradezu enzyklopädisches Wissen mitgibt. Das ist manchmal etwas ermüdend.

Trump als Comicfigur

Politisch ist eindeutig, wie Rushdie denkt: Er macht aus Trump den fiesen Joker aus den Batman-Comics. An einer Stelle heißt es über dessen Wahl: "Das Amerika, das ich liebte, vom Winde verweht."
Auch wenn für Amerika finstere Zeiten anbrechen, die indischstämmige Familie schließlich von ihrer Vergangenheit eingeholt wird, die in einer Tragödie mündet, so gesteht Rushdie zumindest seinem Erzähler einen versöhnlichen Schluss zu. Als wolle er sagen: Noch ist nicht alle Hoffnung verloren.

Salman Rushdie: "Golden House"
aus dem Englischen von Sabine Herting.
C. Bertelsmann Verlag, München 2017
512 Seiten, 25 Euro

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