Sängerin Sivan Talmor aus Israel

Abschied von Armee und Familie

Album-Cover: "Fire" von Sivan Talmor (Ausschnitt)
Mit dem Album "Fire" geht Sivan Talmor neue Wege. © Chaos Records
Von Carsten Beyer · 17.08.2016
Sivan Talmor aus Tel Aviv hat ihre Karriere in einer Militärkapelle begonnen. Nach ihrem Abschied aus der der israelischen Armee musste sich die junge Sängerin erst einmal neu orientieren – beruflich und musikalisch. Herausgekommen ist ihr erstes englisch-sprachiges Album "Fire".
Zu dem Wort "Feuer" gibt es viele Assoziationen: Man kann mit dem Feuer spielen, man kann sich daran die Finger verbrennen oder darin verglühen. Das Feuer, über das Sivan Talmor singt, ist ein stilles, unauffälliges, eines, das im Verborgenen brennt, das aber durch einen Luftzug jederzeit neu angefacht werden kann.
Es ist kein Zufall, dass Sivan Talmor gerade das Lied "Fire" zum Titelsong ihres neuen Albums gemacht hat. Denn entstanden ist es in einer Zeit, in der sie emotional stark aufgewühlt war. Seit über zehn Jahren stand sie mit ihrer Armee-Band auf der Bühne, sie hatte schon mehrere Alben in hebräischer Sprache veröffentlicht und doch war da das Gefühl, in einer Sackgasse gelandet zu sein. Talmor stand vor der Alternative: Entweder lasse ich das Feuer ausgehen – oder ich brauche neuen Sauerstoff…
"Dieses Album ist für mich wie der erste Schritt in ein neues Leben. Die letzten drei Jahre waren nicht schön für mich, weil ich das Gefühl hatte, zu stagnieren. Ich habe dann eine Therapie gemacht und dabei habe ich gemerkt: Ich muss etwas anders machen: Meine Sachen packen und lernen, auf eigenen Füssen zu stehen: Ich kann mich nicht immer nur auf meine Familie verlassen, auf meine Mutter und meinen Vater. Ich muss meinen eigenen Weg gehen."

Familie und Militär als Leitstern

Bis dahin war die Familie immer der Leitstern in Sivan Talmors Leben gewesen – und das israelische Militär. Ihr Vater war Kommandant eines Luftwaffen-Stützpunkts, auch ihre Mutter arbeitete für die Armee – so war es für die junge Sivan naheliegend, ihre Gesangskarriere in einer Militärkapelle zu beginnen.
Viele Jahre lang tourte sie kreuz und quer durchs Land, spielte Cover-Versionen und Popsongs - mal für eine ganze Kompanie kampfbereiter Soldaten, mal für eine Handvoll gelangweilter Wachleute irgendwo in den besetzten Gebieten. Manchmal mussten sie und ihre Band bis zu sechs Konzerte an einem Tag spielen. Eine gute Schule war das, sagt Talmor, doch irgendwann fühlte sie sich ausgelaugt. Sie wollte raus, endlich eigene Lieder schreiben, und ein Publikum erreichen, das nicht nur auf die neuesten Charthits abonniert ist.
Der musikalische Kurswechsel in Richtung Folk, den Sivan Talmor jetzt auf ihrem neuen Album vollzogen hat, hat viel mit Ori Winokur zu tun. Ihr neuer Produzent hat sie ermutigt, sich von eingefahrenen Pop-Klischees zu verabschieden und stattdessen nur noch ihre eigenen Songs zu singen: irgendwo zwischen West Coast Folk, klassischer Ballade und Nouvelle Chanson.

Neuer Sound, neue Sprache

Mit dem neuen Sound kam dann auch die neue Sprache – das mache sie freier, sagt Sivan Talmor, gerade wenn sie über persönliche Dinge singt wie über die bevorstehende Geburt ihres ersten Kindes oder über einen Streit mit ihrem Ehemann:
"Das ist ein bisschen so wie in der Dusche: Wenn ich Englisch singe, fühle ich mich wie hinter einem Duschvorhang: Er ist hell, fast durchsichtig, jeder kann mich sehen. Und doch fühle ich mich geschützt, gerade weil Englisch nicht meine Muttersprache ist, nicht die Sprache meines Alltags. Es klingt vielleicht ein bisschen paradox, aber ich kann auf diese Weise viel offener sein in meinen Texten. Ich muss mich für nichts genieren, ich muss mich nicht verstecken, vor niemandem."
Nur sieben Songs sind auf "Fire" – weniger als 30 Minuten Musik: Und doch hat man am Ende das Gefühl, dass man dieser Frau ein gutes Stück näher gekommen ist durch ihre klaren, wunderbar einfach arrangierten Songs. Dieses Album wird Sivan Talmor mit Sicherheit Türen öffnen. Eine Europa-Tour ist für den Winter geplant und auch erste Einladungen auf Festivals hat sie bereits erhalten. Israel verlassen will Talmor aber nicht.
Sie kann sich sogar vorstellen, in Zukunft wieder für das israelische Militär zu arbeiten. Dann allerdings nicht mehr auf der Bühne, sondern nur noch als Talentscout:
"Israel ist keine einfache Heimat. Mit vielen Dingen, die dort passieren, mit vielen Entscheidungen unserer Regierung bin ich überhaupt nicht einverstanden. Und doch bin ich stolz, Israeli zu sein. Ich bin stolz darauf, wer ich bin, ich bin stolz auf meine Freunde und meine Familie. In Israel leben viele Menschen, ganz unterschiedliche Menschen, und die sind oft ganz anders, als sie im Ausland gesehen werden."
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