Sachbuch

Konkurrenz bis zum bitteren Ende

Von Edelgard Abenstein · 05.02.2014
Zwei Jahrhunderte lang wurde das Schicksal Mitteleuropas von der Rivalität zweier Herrscherhäuser bestimmt – den Hohenzollern in Preußen und den Habsburgern in Österreich. Der Historiker Ulrich Schlie beschreibt die Gegnerschaft in Doppelporträts.
Die Hohenzollern und die Habsburger. Zwei ungleiche Gegner zunächst, später zwei Partner mit dem gleichen Ziel. Emporkömmlinge die einen, blutjung und ohne jeden "historischen Heiligenschein", die anderen tief verwurzelt in Tradition und selbstverständlichem Machtanspruch. Aber nichts bestimmte die Geschicke Mitteleuropas so sehr wie die Rivalität zwischen diesen beiden Dynastien um die deutsche Vorherrschaft mit fatalem Ausgang.
Ulrich Schlie folgt den Stationen dieser zweihundertjährigen Gegnerschaft in vier Doppelporträts: Maria Theresia und Friedrich der Große, Klemens von Metternich und Otto von Bismarck, Franz Josef I. und Wilhelm II., Kurt Schuschnigg und Adolf Hitler. Er beschreibt, wie sich Preußen aus seiner Abseitsstellung ins Zentrum der europäischen Macht katapultierte, wie Österreich 1866 seine einstige Vormachtstellung bei Königgrätz verlor und wie die beiden gründlich gewandelten Staaten, das im Deutschen Reich aufgegangene Preußen und das nach 1918 auf Zwergenformat geschrumpfte Österreich, in der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs untergingen.
Er lässt seine Geschichte mit dem bekannten Paukenschlag beginnen, als Friedrich der Große 1740 über Nacht in Habsburgs reichster Provinz, in Schlesien einfiel. Nach mehreren Kriegen gegen den Hohenzollern-König hatte das Habsburger Kaiserreich einen Teil seines Großmachtstatus eingebüßt und musste seine Hegemonie mit dem Aufsteiger teilen. Doch führte, wie Schlie zeigt, das Duell mit dem Emporkömmling dazu, dass das Habsburger Reich nach langem Reformstau gezwungenermaßen moderner wurde.
Dem historischen Laien macht Schlie die Lektüre allerdings nicht leicht. Denn er streift die Vorgeschichte des Duells nur: wie Preußen als künstliches Staatsgebilde nach kurzer Inkubationszeit mit der Königskrönung 1701 entstand, während die Habsburger als traditionelle Hausmacht vom Ausgang des Spätmittelalters an fast durchgehend den Kaiser des Alten Reiches gestellt hatten.
Das Buch beleuchtet soliden den Grundkonflikt
Auch das im Titel versprochene "Duell", der Zweikampf ebenbürtiger Kontrahenten mit gleichen, potenziell tödlichen Waffen, lässt sich als Grundkonstellation nicht durchhalten. Was für Friedrich den Großen und Maria Theresia noch gilt, weitet sich im 19. Jahrhundert zwangsläufig zum Dualismus zwischen Österreich und Preußen, bei dem sich allerdings nicht mehr zwei mächtige Gestalten gegenüber stehen. Denn Klemens von Metternich auf der österreichischen und Otto von Bismarck auf der preußisch-deutschen Seite agierten zeitlich versetzt. Metternich, der antinational denkende Architekt der Neuordnung Europas nach dem Wiener Kongress 1815, war bereits aus den aktiven Diensten entlassen, als Bismarck, der Gründer des preußisch-deutschen Kaiserreichs, der die nationale Bewegung für seine Ziele nutzte, am Beginn seiner Laufbahn stand. Vollends asymmetrisch ist die Konstellation zwischen Hitler und Schuschnigg beim Anschluss Österreichs 1938: Von einem Duell kann dabei keine Rede mehr sein.
Auch kommt dem Historiker Ulrich Schlie, der ein hoher Beamter im Bundesverteidigungsministerium ist, allzu häufig der Politiker in die Quere. Nicht nur sprachlich, beim geradezu epidemisch eingesetzten "Konzert der Mächte" etwa, sondern auch bei seinen Reflexionen über das Nationale ohne Nationalstaat im heutigen Europa im Stil einer Fensterrede.
Immerhin beleuchtet das Buch durchaus sachlich und solide den Grundkonflikt um die deutsche Vorherrschaft – und damit ein wichtiges Kapitel der europäischen Geschichte vor allem des 18. und 19. Jahrhunderts.

Ulrich Schlie: Das Duell - Der Kampf zwischen Habsburg und Preußen um Deutschland
Propyläen-Verlag, Berlin 2013
432 Seiten, 24,99 Euro