Sachbuch: "Der Wille zum Wissen"

Helden der Wissensgesellschaft

Eine Box mit Notizen des Schriftstellers Arno Schmidt, steht am 08.01.2014 in seinem ehemaligen Haus in Bargfeld (Niedersachsen).
Arno Schmidts Zettelkasten © picture alliance / dpa / Christoph Schmidt
Ulrich Johannes Schneider im Gespräch mit Moderator Felix Weyh · 25.06.2016
Für den Philosophen Ulrich Johannes Schneider ist Genauigkeit und intensive geistige Reflexion die Grundlage für eine effektive Vermittlung von Wissen. Das Sommerheft der "Zeitschrift für Ideengeschichte" widmet sich den besten Wegen der Vermittlung von Daten und Fakten.
"Bücher sind komplizierte Maschinen", sagt der Direktor der Leipziger Universitätsbibliothek Ulrich Johannes Schneider. Sie speichern Wissen, aber sie geben es nicht immer bereitwillig her.
So kommt es beim Übergang vom alten Buch zur neuen digitalen Datenbank durchaus zu Verlusten: Bildtafeln großartiger Werke wie Albrecht Dürers Abhandlung über Fortifikationsarchitektur von 1527 lassen im Digitalisat schon mal den Bildteil missen – der Nutzen des Buches ist online damit perdu. Doch zeigt sich im Vergleich, "dass die Weigerung, Falttafeln aufzuklappen, keine Eigenwilligkeit einzelner Angestellter ist", vermerkt ein entsprechender Aufsatz im Sommerheft der Zeitschrift für Ideengeschichte mit dem Schwerpunktthema "Der Wille zum Wissen".

Seiten umblättern reicht nicht

Wissen bedeute "eine eigene Herausforderung jenseits des Blätterns", befindet Ulrich Johannes Schneider im Gespräch. Als promovierter Philosoph ist der Bibliotheksdirektor aber von einem universalen menschlichen Wissensdrang überzeugt: "Ich weiß nicht, ob man anthropologisch bestimmen kann, bis wohin der Wille zum Wissen reicht. Ich weiß nur, er ist immer da. Und er ist immer stark."
So stark, dass er bisweilen kuriose Blüten treibt. Etwa im freiwilligen enzyklopädischen Projekt Wikipedia, in dem ganze Editionskriege ("edit wars") um Kleinigkeiten geführt werden. Muss man im Artikel über Immanuel Kant das Wort "nothwendig" mit "h" oder ohne "h" schreiben? Und warum wird über Wissen solch banaler Art überaus heftig gestritten?

Roh oder gekocht?

"Weil es gar nicht banal ist", meint Ulrich Johannes Schneider, denn erst Genauigkeit und intensive geistige Reflexion verwandle Daten und Fakten in Wissen. Im Heft wird dazu der Historiker Peter Burke zitiert: "Ich würde zwischen Information und Wissen immer unterscheiden, in dem Sinne, dass Information relativ ‚roh‘ ist, Wissen hingegen verarbeitet. Ich behaupte gerne, es sei 'gekocht'."
Cover: Zeitschrift für Ideengeschichte: Der Wille zum Wissen
Cover: Zeitschrift für Ideengeschichte: Der Wille zum Wissen© Cover: Zeitschrift für Ideengeschichte: Der Wille zum Wissen
Die Köche dieser geistigen Nahrung sind für den Leipziger Bibliotheksdirektor unverzichtbar, auch wenn es mit den Lexikonverlagen aus eigenem Verschulden bergab ging; auch dazu lässt sich ein informativer Beitrag lesen. "Ich halte die Enzyklopädisten für wahre Helden in unserer modernen Wissensgesellschaft", betont Schneider.
Mit den vorliegenden Aufsätzen der Zeitschrift für Ideengeschichte rücken diese Helden einen Moment lang zurück ins Rampenlicht.

Ulrich Johannes Schneider u.a. (Hg.): Der Wille zum Wissen
Sommerheft der Zeitschrift für Ideengeschichte
C.H. Beck, 128 Seiten, 14 Euro

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