Russland

Mit Stalin in den Wahlkampf

Eine Frau trauert zum Todestag Josef Stalins am 5. März 2016 an seinem Grab an der Kremlmauer.
Eine Frau trauert zum Todestag Josef Stalins am 5. März 2016 an seinem Grab an der Kremlmauer. © dpa / picture alliance / EPA / Sergei Ilnitsky
Von Gesine Dornblüth · 08.09.2016
Stalin wird in Russland wieder hoffähig: In verschiedenen Orten wurden bereits Büsten des Diktators neu aufgestellt. Die Kommunisten machen in diesem Jahr sogar Wahlkampf mit Stalin.
Aleksandr Gromow zeigt den Lagerraum der Parteizentrale. Auf Gestellen stehen mannshohe Porträts von Lenin und Stalin.
Bei Demonstrationen führten sie die Porträts an der Spitze des Zuges mit, erzählt Gromow. Gromow ist Erster Sekretär der Kommunisten in Chabarowsk, einer Großstadt nahe der Grenze zu China, und er kandidiert für die Duma. Auch in Gromows Büro hängen Stalinbilder.
"Unter Stalin ist das Land stark geworden. Die Menschen haben besser gelebt. Und Stalin war der Oberkommandeur der Sowjetunion, des Siegerlandes im Zweiten Weltkrieg. Deshalb ist Stalin für uns ein Vorbild, so wie Peter der Große seinerzeit. Ein Staatsführer, der das Land auf ein höheres Niveau gehoben hat. Der einen Durchbruch geschafft hat. Was uns jetzt fehlt. Jetzt treten wir auf der Stelle."
In der Zentrale der Kommunistischen Partei Russlands in Chabarowsk
In der Zentrale der Kommunistischen Partei Russlands in Chabarowsk © Deutschlandradio / Gesine Dornblüth
Millionen Menschen fielen Stalins Terror zum Opfer. Sie wurden enteignet, zwangsumgesiedelt, in Arbeitslager gesteckt, erschossen. Aber darüber spricht Gromow nicht gern.
"Allein der Begriff 'Verbrechen Stalins'. Inwiefern 'Verbrechen'? Aus Sicht von Nazis, ja, da ist Stalin natürlich ein Verbrecher. Einige Gegner unseres Landes instrumentalisieren die Frage der Repressionen, um uns zu schaden. Da wird sehr viel übertrieben und an den Haaren herbeigezogen."

"Ihre Sache fortzusetzen, ist Ehre für jeden Bürger"

Der Kandidat aus Chabarowsk liegt auf der offiziellen Parteilinie. Gennadij Zjuganow, Vorsitzender der Kommunisten, hatte sie Ende Juni bei einem Parteitag vorgegeben. Fünf Mal erwähnte er in seiner Rede Stalin und schloss:
"Hinter uns stehen die großen Söhne und Töchter des Sowjetischen Vaterlandes: Wladimir Lenin und Josif Stalin. Ihre Namen erfüllen uns mit Kraft und Stolz. Ihre Sache fortzusetzen, ist Ehre und Verantwortung für jeden Bürger unserer mächtigen tausendjährigen Geschichte."
Auch in anderen Parteien gibt es Stalin-Anhänger. Dmitrij Nosow, Duma-Abgeordneter der rechtspopulistischen LDPR, räumte im Frühjahr in einem Interview ein, er habe ein Stalin-Porträt in seinem Abgeordnetenbüro, Stalin sei einer der größten Politiker des 20. Jahrhunderts gewesen.
Aufgrund dieser Äußerung wurde Nosow allerdings vom Wahlkampf ausgeschlossen. Und Wladimir Schirinowskij, der Chef der LDPR, beeilte sich zu sagen, seine Partei sei gegen Stalin.
Wladimir Wasiljew, Fraktionschef der Kreml-Partei Einiges Russland, besuchte Anfang August ein Museum in einem Dorf in seinem Wahlkreis Twer bei Moskau. In dem Holzhaus soll 1943 Stalin übernachtet haben. Im vergangenen Jahr wurde vor dem Museum deshalb eine Büste des Diktators enthüllt. Wasiljew war in der zu Ende gehenden Legislaturperiode stellvertretender Duma-Sprecher und ist Spitzenkandidat von Einiges Russland in seinem Wahlkreis.

Nur wenig Kritik an neuem Trend

Umfragen zufolge wächst die Zustimmung der Russen zu Stalin. In einer Studie des Levada-Zentrums im Frühjahr gaben 54 Prozent der Befragten an, Stalin habe eine positive Rolle in der Geschichte gespielt. Nur wenige Politiker stellen sich diesem Trend entgegen.
Der Geschichtsprofessor Andrej Zubow kandidiert für die Oppositionspartei Parnas für die Duma. Er forderte in einer Fernsehdebatte, Russland müsse endlich die totalitäre Sowjetvergangenheit aufarbeiten und die Verbrechen des kommunistischen Regimes verurteilen.
"Eine Menge Straßen, Städte, sogar Bezirke tragen die Namen von Verbrechern. Das heißt, wir wollen, dass unsere Kinder deren Werk fortsetzen. Das heißt, wir wollen, dass sowjetische Menschen heranwachsen. Und nun werden auch noch Stalin-Denkmäler aufgestellt."
Die im Studio anwesenden Politiker protestierten prompt. Zubow blieb mit seiner Kritik an den Verbrechen des Sowjetregimes allein.
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