Rundgang durch Ägyptens versunkene Schätze

Von Barbara Wiegand · 10.05.2006
Der sagenumwobene Hafen von Alexandria, die Stadt Kanopus und das verloren geglaubte Heraklion - Naturkatastrophen hatten diese vorchristlichen Zentren alter ägyptischer Hochkulturen vor mehr als 1000 Jahren versinken lassen. Doch dem Unterwasserarchäologen Franck Goddio gelang es, diese Schätze zu heben. Rund 500 von ihnen sind ab Samstag in einer Ausstellung im Martin-Gropius-Bau zu sehen.
Tiefes Blau an den Wänden, sphärische Klänge und Meeresrauschen stimmen den Besucher ein auf diesen Rundgang durch eine untergegangene Zeit. Entlang Alexandrias legendärem antiken Hafen mit dem Königsviertel, durch Kanopus und Heraklion, die nach der Eroberung durch Alexander den Großen zu Vorstädten der nach ihm benannten Metropole wurden.

Ein Rundgang durch Ägyptens versunkene Schätze, die von den einstigen Hochkulturen im westlichen Nildelta zeugen. Etwa der aus der Bucht von Abukir geborgene Naos der Dekaden, den Pharao Nektanebos I. im vierten Jahrhundert vor Christus errichten ließ. Ein dem Gott Schu gewidmeter Tempelschrein als Beispiel für das Puzzle, dass Unterwasserarchäologie bedeutet.

Denn im Meerwasser blieben die Fundstücke zwar gut erhalten, aber nicht immer im Stück. Strömungen und Seebeben setzten ihnen zu, sofern sie nicht schon vorher von fanatischen Christen zerschlagen wurden. Das pyramidenförmige Dach des Naos entdeckte man schon im 18. Jahrhundert und brachte es in den Pariser Louvre. Ein weiteres Teil fand man in den 1930er Jahren. Gemeinsam mit den 2000 von Franck Goddio geborgenen Seitenteilen ist der dunkle Granitblock im Martin Gropius Bau wieder als astrologischer Kalender zusammengesetzt - ein steinerner Beweis für das Wissen der Ägypter um den Lauf der Zeit.

Althistoriker Manfred Clauss: "Deshalb heißt er auch der Naos der Dekaden. Weil hier die ägyptische Jahreseinteilung in 36 Teile zu zehn Tage. Das ergibt so ungefähr das Jahr, dann kommen noch ein paar Schalttage hinzu. Diese Jahreseinteilung ist dargestellt mit den Erklärungen, dass es eben Gottheiten sind, die diese Perioden des Jahres schützen. Es sind fünf Gottheiten, die sich auch immer wiederholen und die Phasen dieser Perioden bestimmen und damit letzten Endes auch das Schicksal bestimmen, Ägypten schützen und seinen Gegnern schaden."

Ein solcher Schrein war auch das erste Fundstück, das auf einem Ruinenfeld weiter östlich geortet wurde. Dem Gott Amun Gereb geweiht, ließen antike Quellen vermuten, dass man das vielleicht nach einem Seebeben in einer Flutwelle versunkene Heraklion entdeckt hatte - zumal der Gott Amun der griechische Herakles war. Eine Wiederentdeckung unter Wasser, die sich nach systematischen Vorarbeiten mit Hilfe hoch entwickelter Technologie zunächst als undurchsichtige Angelegenheit erwies.

"Von dem Tempel konnten wir da unten erst mal nichts sehen. Wir haben erst mal die Bucht mit moderner Elektro- und Magnettechnik untersucht. Und wir stellten wir fest, dass da etwas sein musste. Als wir dann anfingen mit den Ausgrabungen mussten wir erst mal die zwei Meter hohen Sand-Ablagerungen abtragen. Erst dann haben wir erkannt, dass wir uns in den Überresten Heraklions befinden. Immerhin - man ist dort sieben Kilometer entfernt von der Küste mitten im Meer."

Nicht zu übersehen sind dagegen drei ebenfalls aus dem Meer geborgene, imposante, fünf Meter Hohe Statuen im Lichthof des Martin Gropius Bau. Einst vor dem Tempel in Heraklion postiert, spürt man heute noch die kolossale Übermacht und welchen Respekt diese "Türsteher" den Normalsterblichen abnötigten, die keinen Zugang zur Tempelanlage hatten.

Ein wenig übertrieben mystisch in ägyptischer Finsternis präsentiert, sollen auch andere mühsam aus dem Wasser geborgene Schätze das Alltägliche wie das religiöse Leben in der untergegangenen Handelsstadt zeigen. Steinerne Kopfstützen, die von recht harten Schafgewohnheiten zeugen, die kleinen Figuren der Göttin Isis, die bei einer alljährlichen Prozession geehrt wurden.

Und eine mit Hieroglyphen bedeckte Tafel liefert den Beweis, das Franck Goddio nicht nur die einstig Handelsmetropole Heraklion fand.

"Als wir diesen Tempel ausgruben fanden wir eine völlig erhaltene Tafel - eine Tafel, die besagt, dass auf alle von den Griechen importierten Waren eine 10-prozentige Abgabe erhoben wird. Laut Befehl des Pharaos sollte die Tafel in der Stadt Thonis errichtet werden – wir fanden sie aber in Heraklion. Also wussten wir - es war eine Stadt- Tonis war der Pharaonische Name, Heraklion, der griechische."

Eine Stadt - zwei Namen. Dermaßen unkompliziert fanden auch sonst die Kulturen zueinander. Nach dem Tod Alexanders übernahmen die ptolemäischen Könige die Herrschaft und auf repräsentativen Portraitköpfen den ebenmäßigen "Look" der Pharaonen – die Statue einer Königin erinnert mit ihrem durchsichtigen Gewand sowohl an die ägyptische Isis, als an die griechische Aphrodite.

""Der antike Mensch hat an seine Götter geglaubt und wenn er etwas Ähnliches in anderen Religionen sah hat er es einfach zusammengesetzt. Was für die Griechen Aphrodite war, war für die Ägypter Isis. Die Römer haben daraus die Venus gemacht. Der antike Mensch hat seine Vorstellungen von Gottheiten bei anderen wiederentdeckt und dadurch eine Reihe von Götterfiguren in einem gesehen."

Erkenntnisse, die man mit einiger Leichtigkeit erlangt in dieser erfreulich lebendigen Schau, die genügend Basisinformationen auf Leuchtstelen, Zeittafeln und an Hörstationen bietet, jedoch manchmal etwas vollgestellt wirkt. Insgesamt aber bleiben viele Eindrücke, wenn am Ende des Rundganges der alte Hafen Alexandrias, die Städte Kanopus und Heraklion symbolisch im Wasser versinken....

Die Ausstellung "Ägyptens versunkene Schätze" findet im Berliner Martin-Gropius-Bau vom 13. Mai bis 4. September 2006 statt.