Rundfunkorchester in Deutschland (7/7)

Goldene Schottische Schlüssel

Die Dirigentin Mirga Gražinyté-Tyla
Die Dirigentin Mirga Gražinyté-Tyla © Philipp Zinniker/Landestheater Salzburg
24.07.2016
Diese junge litauische Musikerin hat eine neue Ära der Gleichberechtigung am Dirigentenpult begonnen: Mirga Gražinyté-Tyla leitete erstmals das hr-Sinfonieorchester in einem Programm mit Musik von Weinberg, Bruch und Tschaikowsky.
Rasant und scheinbar unaufhaltsam ist der Aufstieg dieser jungen Dirigentin - mit gerade einmal 30 Jahren ist Mirga Gražinyté-Tyla schon Direktorin des Landestheaters Salzburg und Ständige Gastdirigentin beim Los Angeles Philharmonic. Vor wenigen Monaten hat sie das City of Birmingham Symphony Orchestra zu ihrer Chefdirigentin ernannt - in der Nachfolge von Simon Rattle, Sakari Oramo und Andris Nelsons. In ihrer Heimatstadt Vilnius hat sie studiert, später noch in Graz und Leipzig.
Chöre und Sinfonieorchester, auf der Bühne oder im Operngraben - alle Ensembleformen und Metiers beherrscht sie. Und überall erntet sie mit ihren ergreifenden und durchdachten Interpretationen Lob.
Beim hr-Sinfonieorchester in Frankfurt am Main dirigierte sie Anfang Juni ein besonderes Programm mit Musik, die ihr schon geografisch nahesteht: Eine Ballettsuite des Schostakowitsch-Vertrauten Mieczysław Weinberg, der aus Warschau stammte und dessen Werk in den letzten Jahren erst als eigenständige Größe entdeckt wird, jenseits seines großen Freundes und Förderers. Am Ende stand die vierte Sinfonie von Peter Tschaikowsky. Und nicht weit weg von ihrer neuen Wirkungsstätte Birmingham - in Schottland fand Max Bruch einstmals seine musikalischen Anregungen für seine Fantasie für Violine und Orchester in Es-Dur.
Ein weiterer Debütant hat sich an diesem Abend im hr-Sendesaal vorgestellt: Der chinesische Geiger Ning Feng erzielte als erster Student in der fast zweihundertjährigen Geschichte der Royal Academy of Music in London die Höchstpunktzahl in einem Abschlusskonzert der renommierten Hochschule. Jetzt kommt er erstmals zum hr-Sinfonieorchester. Dafür hat er ein bekanntes romantisches Stück einstudiert: Max Bruchs "Fantasie für Violine mit Orchester und Harfe unter freier Benutzung schottischer Volksmelodien", wie der offiziöse Titel des Werks in voller Länge lautet.
Mirga Gražinyté-Tyla führt mit ihren 30 Jahren das Leben einer vielbeschäftigten Dirigentin, die beinahe zeitgleich auf mehreren Kontinenten arbeitet. Wie so häufig bei Musikern üblich erholt auch sie sich mit der Musik, beim Arbeiten also: "Wenn ich die Zauberflöte vorbereite, ist das oft auch eine innere Reise, und ich beschäftige mich mit mir selbst", sagte sie einer deutschen Zeitung. "Musik ist der Weg, ein Mensch zu sein und zu werden." Das ist mehr noch ein hoher Anspruch als allein ein Lebensrezept.
hr-Sendesaal, Frankfurt am Main
Aufzeichnung vom 3. Juni 2016
Mieczysław Weinberg
4. Suite aus dem Ballett "Der goldene Schlüssel"
Max Bruch
Schottische Fantasie Es-Dur op. 46 für Violine und Orchester
Peter Tschaikowsky
Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36
Ning Feng, Violine
hr-Sinfonieorchester
Leitung: Mirga Gražinytė-Tyla