Stickoxid

EU erlaubt laschere Grenzwerte für Diesel-PKW

Dieselrauch kommt aus einem Auspuff eines Kleintransporters
Stickstoffdioxid wird ab September 2017 unter realen Alltagsbedingungen gemessen © dpa / picture-alliance / Patrick Pleul
Von Thomas Otto · 28.10.2015
Weil Dieselfahrzeuge künftig unter realen Alltagsbedingungen getestet werden, dürfen neue Modelle ab 2017 in der EU mehr als doppelt so viel Stickoxid ausstoßen. Autobauer hatten sich zuvor gesorgt, die Vorgaben unter dem neuen Testverfahren nicht einhalten zu können.
Die EU kommt den Herstellern von Diesel-PKW deutlich entgegen. Ab 2017 dürfen neue Modelle mehr als doppelt so viel Stickoxid ausstoßen, wie nach der Euro-6-Norm vorgeschrieben. Dieser Grenzwert liegt eigentlich bei 80 Milligramm pro Kilometer. Auf dem Prüfstand unter Laborbedingungen wird dieser Grenzwert auch meist eingehalten.
Ab September 2017 wird in der EU aber unter realen Alltagsbedingungen gemessen. Und da stoßen Diesel-PKW, nach Angaben der EU-Kommission, viermal so viel Stickoxid aus, wie erlaubt. Deshalb hatte die zuständige Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska vor der heutigen Entscheidung auch gefordert:
"Wir müssen das jetzt so schnell wie möglich umsetzen, damit wir dann wirklich belastbare Testverfahren haben. Die Kommission will das schnell machen, aber wir können das nicht alleine umsetzen. Wir sind hier auf die Unterstützung der Mitgliedsstaaten angewiesen."
Barbara Hendricks: "Ziele müssen technologisch umsetzbar sein"
Zwar äußerte sich Bienkowska mit der Einigung zufrieden. Das Ergebnis liegt aber deutlich über den von der Kommission vorgeschlagenen 60 Prozent maximaler Überschreitung. Neue Modelle dürfen ab September 2017 mit Einführung der strengeren Tests 210 Prozent des eigentlichen Stickoxid-Grenzwertes ausstoßen. Für Neuwagen generell gilt die Grenze erst ab 2019. Ab Januar 2020 beziehungsweise 2021 wird der Wert dann auf 150 Prozent gesenkt.
Damit dürfte auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zufrieden sein, die gefordert hatte:
"Ich kann mir immer ehrgeizige Ziele wünschen, das ist vollkommen richtig. Aber sie müssen natürlich auch technologisch umsetzbar sein. Und deswegen glaube ich nicht, dass es sinnvoll ist, wenn man sich Ziele setzt, die sich gut anhören, die aber hinterher ständig gerissen werden. Da glaube ich, ist es vernünftiger zu sagen, wir setzen uns ehrgeizige Ziele, ja. Aber wir setzen uns die Ziele, die auch in dieser kurzen Frist erreichbar sind."
Vor allem die Mitgliedsstaaten mit starker Automobilindustrie haben sich durchgesetzt, allen voran Deutschland. Einzig die Niederlande sollen nach Diplomatenangaben gegen die neuen Werte gestimmt haben.
Rebecca Harms: Dem Druck Deutschlands nachgegeben
Industrievertreter hatten im Vorfeld der heutigen Entscheidung von Milliardenkosten und Arbeitsplatzverlusten gesprochen. Die Industrie könnte die strengen Vorgaben mit dem neuen, realistischen Testverfahren auch gar nicht einhalten, hatte der CDU-Abgeordnete Werner Langen heute Morgen im Deutschlandfunk erklärt:
"Was die einzelnen Komponenten angeht, kann man die nicht von heute auf morgen herbeizaubern. Die müssen produziert werden. Deshalb ist die längere Übergangszeit richtig. Und ich meine, es ist auch richtig, dass man die Grenzwerte in Anbetracht der realen Ergebnisse noch mal überprüft und nach meiner Überzeugung hochsetzen muss, generell."
Die Kommission habe dem Druck Deutschlands nachgegeben, kommentierte die Vorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, die Entscheidung. Europäische Automobilhersteller würden für ihre Dreistigkeit belohnt, keine Anstrengungen zu unternehmen, die europäischen Regeln einzuhalten und ihre Fahrzeuge zu verbessern. Ihr Fraktionskollege Martin Häusling, Mitglied im Umweltausschuss des Europaparlaments, kündigte an, rechtliche Schritte gegen die Entscheidung zu prüfen.
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