Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

D-S-C-H und BB

Der Geiger Gil Shaham hat lachend seine Geige im Arm und schaut über sie hinweg.
Der Geiger Gil Shaham spielt eine der wertvollen Stradivari-Geigen. © Gil Shaham / Christian Steiner
20.01.2015
Sie waren echte Freunde - die Komponisten Benjamin Britten und Dmitrij Schostakowitsch. Im Konzert des RSB mit dem brillanten Geiger Gil Shaham treffen des Briten Violinkonzert und die vierte Sinfonie des Russen aufeinander. Chefdirigent Marek Janowski widmet sich somit einem Komponisten, den er eher selten im Programm hat.
Im Konzert mit dem RSB prallen Welten aufeinander, begegnen sich zwei Komponisten, die zu Lebzeiten ein bemerkenswert enges Verhältnis pflegten, über die Grenzen eines großen Kontinents hinweg, der vom Eisernen Vorhang geteilt war: Benjamin Britten und Dmitrij Schostakowitsch. Trotz der ideologischen und auch kulturellen Ost-West-Gegensätze verband sie gemeinsames Wertefundament: Aufrichtigkeit, Authentizität und künstlerische Verantwortung. Beide haben sich getroffen und sich mehrfach gegenseitiger Werkschätzung versichert.
Benjamin Brittens Violinkonzert aus dem Jahre 1939 ist ein komplexes Werk, das in seiner Herbheit überzeugt. Beinahe seismographisch nimmt es die Stimmungen der schicksalhaften Zeit auf. Man könnte das Konzert als eine Antwort auf Schostakowitschs Vierte verstehen.
"Statt zu bereuen, schrieb ich die Vierte Sinfonie!" Der Publizist Isaak Glikman hat diesen Ausspruch seines engen Vertrauten Dmitrij Schostakowitsch überliefert. Der Komponist hat sich mit dieser Sentenz im Januar 1974 an eine schlimme Zeit erinnert, nämlich an die Tage 38 Jahre zuvor, als in der Parteizeitung "Prawda" der berüchtigte Artikel "Chaos statt Musik" erschienen war. "Die Klarheit, die der Hörer verlangt, wird durch rhythmischen Wahn ersetzt." So lautete die gefährliche Anklage darin, gemünzt war sie auf Schostakowitschs Oper "Lady Macbeth von Mzensk". Die Parteikritik (wahrscheinlich vom Großen Führer Stalin selbst diktiert) führte weiter aus: "Dieser Musiklärm soll Leidenschaft ausdrücken....Diese Musik ist absichtlich so verkehrt geschaffen...Dieses Spiel kann aber böse enden."
Schostakowitschs Antwort auf diese Drohungen, seine grandiose Sinfonie, landete zunächst in der Schublade und wurde erst lange nach Stalins Tod erstmals aufgeführt. Diese Vierte Sinfonie gehört zu seinen absoluten Meisterwerken. Auch wenn er in ihr ausnahmsweise mal nicht seine Toninitialen D-S-C-H- zitiert, die in seiner Musik ansonsten immer für Momente höchster Bedrohung stehen.
Live aus der Philharmonie Berlin
Benjamin Britten
Konzert für Violine und Orchester op. 15
Konzertpause ca. 20.40 Uhr, darin:
Friederike Westerhaus im Gespräch mit Gil Shaham - Arne Reul über die neue Kategorie "Vokalensemble" beim Felix-Mendelssohn-Wettbewerb der UdK Berlin
Dmitrij Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 4 c-Moll op. 43
Gil Shaham, Violine
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Marek Janowski