Rumena Buzarovska: "Mein Mann"

Paare am Rande des Nervenzusammenbruchs

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Das Buchcover "Mein Mann" mit der Darstellung eines Männerporträts, das mit blauen Farbstrichen übermalt wurde, vor einem grafischen Hintergrund.
Rumena Buzarovska nimmt in "Mein Mann" emotionale Grundmuster aufs Korn, die sich in vielen Beziehungen zeigen. © Deutschlandradio / Suhrkamp Verlag
Von Ursula März · 10.05.2021
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Was für eine Wohltat in Zeiten verbissener Genderdebatten: In Rumena Buzarovska Erzählband "Mein Mann" beugen sich elf Frauen über die pathologischen Abgründe ihres Ehe- und Familienlebens. Zornig, polemisch, aber auch voller Komik.
Das Sujet dieses Erzählbandes ist nicht ganz neu, man kennt es unter anderem von der französischen Starautorin Yasmina Reza: Bürgerliche Ehepaare am Rande des Nervenzusammenbruchs.
Neu ist, zumindest für das deutsche Lesepublikum, die kulturelle Herkunft der Privatkriege, die sich zwischen Wohn- und Schlafzimmer abspielen. Die vierzigjährige Schriftstellerin Rumena Buzarovska ist Mazedonierin, wurde in Skopje, der Hauptstadt der heutigen Republik Nordmazedoniens, geboren und lehrt an der dortigen Staatsuniversität amerikanische Literatur. Die Rollenmuster ihrer literarischen Paare sind patriarchaler als die der Pariser Gesellschaft von Yasmina Reza.
Viele der mazedonischen Ehefrauen üben keinen Beruf aus, die Männer sind die alleinigen Versorger der Familie und benehmen sich entsprechend autoritär. Aber das emotionale Grundmuster ist das gleiche: Wo einmal Liebe und gegenseitige Bewunderung waren, haben sich Verachtung, ja Abscheu, eingestellt.

Künstlerische Hybris des Mannes

Der einstmals gnädige Blick auf das eheliche Gegenüber ist einem gnadenlos sezierenden gewichen. Das gilt für Frauen wie Männer. Allerdings sind die Erzählstimmen der elf Stories, die der Band von Rumena Buzarovska umfasst, ausschließlich weiblich. Elf Frauen beugen sich über die pathologischen Abgründe ihres Ehe- und Familienlebens: zornig, polemisch, aber auch komisch.
In der ersten Geschichte mit dem Titel "Mein Mann, der Dichter", nimmt die Ich-Erzählerin die künstlerische Hybris ihres Gatten auseinander, der seinen lyrischen Amateurkitsch nicht nur bei Poesiefestivals vorträgt, sondern auch beim ehelichen Geschlechtsverkehr. In "Ehebrecher" greift eine Frau zu immer drastischeren detektivischen Mitteln, um Beweise für die Untreue ihres Mannes zu sammeln, dessen plumpes Leugnen sie in die Hysterie treibt.

Meisterin des grotesken Kammerspiels

Der mal laute, mal subtile Protest der Frauen gegen ihre Entmündigung ist ein Kernthema der Erzählungen. Jahrelang erträgt eine Ehefrau den Vorwurf ihres Mannes, ihre Gene seien für den missratenen Charakter des gemeinsamen Sohnes verantwortlich, der alles stiehlt, was ihm in die Finger kommt. Seine "Gene" – so der Titel dieser Geschichte – könnten es nicht sein, da er aus einer sozial, moralisch und ethnisch tadellosen Familie stamme. Am Ende stellt sich heraus, dass er in dieser Familie zwar aufwuchs, aber als Pflegekind. Seine vermeintliche genetische Überlegenheit beruht auf einem bösen Irrtum.
So wichtigtuerisch oder tyrannisch die Männer sich auch aufspielen, der Blick der Erzählerinnen zeigt, was sie in Wahrheit sind: Scheinriesen. Tragikomische Gestalten, die sich an eine überholte Geschlechterordnung klammern und nicht merken, dass sie aus der Zeit gefallen sind.
Rumena Buzarovska ist eine Meisterin des grotesken Kammerspiels und des schmissigen Dialogs. Die besondere Qualität ihres Erzählbandes, der in Mazedonien bereits 2014 erschien und zum Bestseller wurde, liegt jedoch in seiner Doppelbödigkeit. Unter dem zornigen liegt ein melancholischer Ton. So wie es zwischen Männern und Frauen einmal war, kann es nicht bleiben. Aber wie es mit ihnen weitergehen soll, wissen beide Geschlechter nicht. In Zeiten verbissener Genderdebatten hat diese ebenso melancholische wie komische Ratlosigkeit etwas Wohltuendes.

Rumena Buzarovska: "Mein Mann"
Aus dem Mazedonischen von Benjamin Langer
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021
175 Seiten, 22 Euro

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