"Rühr meine Gene nicht an!"

Von Martina Zimmermann |
Frankreichs Intellektuelle machen mobil gegen einen Gesetzentwurf, der Gentests vorsieht für Ausländer, die Familiennachzug beantragen. Eine Menge Prominente unterstützen den Aufruf "Rühr meine Gene nicht an!". Viele fürchten, dass das Gesetz Rassismus staatlich sanktioniert.
Ein außergewöhnliches Foto, wie man es lange nicht gesehen hat, verspricht Filmemacher Serge Moati und ruft die Prominenten auf die Bühne. Darunter Schauspieler wie Emanuelle Beart, Isabelle Adjani, Romane Bohringer, Michel Piccoli und Sänger wie Carla Bruni, Benabar, Renaud, Sanseverino und Rapper Stomey Bugsy. Politiker, die meisten aus dem linken Lager, darunter der Pariser Bürgermeister, aber auch Zentristen und ein konservativer Abgeordneter, der Genforscher Axel Kahn, die Schriftstellerin Amelie Nothomb... eine beeindruckende Liste von Berühmtheiten, die alle die Petition "Mach meine Gene nicht an" unterstützen, die fast 200.000 Franzosen unterschrieben haben.

Es geht dabei um einen Gesetzentwurf, der Ausländern im Rahmen des Familiennachzugs nahelegt, mit Gentests zu beweisen, dass es sich tatsächlich um ihre Kinder handelt. Filmstar Isabelle Adjani ruft zum Widerstand auf:

"...Wir lassen die Benutzung von Gentests nicht zu. Weil ein solcher Test den Ausländer verdächtig macht. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Einwanderer legal hier sind. Der Ausländer wird verdächtigt, zu tricksen. Um das zu beweisen, wird von ihnen ein Herkunftsnachweis verlangt, als ob es sich um Tiere, um Rinderwahn handelt? Wir dürfen nicht vergessen: Wenn Wissenschaft und Technik in den Dienst der Fremdenfeindlichkeit gestellt wurden, war immer das Schlimmste möglich!"

Der Philosoph Bernard Henry-Levy ist einer der Veranstalter der Kundgebung:

"Die diese Maßnahme wollen, sind Zauberlehrlinge, die extrem schlimme Breschen öffnen. ... Diese Maßnahme wird langsam dazu führen, dass heimtückisch der Unterschied gemacht wird zwischen den guten und den schlechten Kindern, zwischen den echten und den adoptierten, die nicht dem Gesetz des Blutes gehorchen."

Außer Bernard Henry-Levy haben die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo", die linke Pariser Tageszeitung "Liberation" und die Antirassismusorganisation SOS Racisme zu der Veranstaltung aufgerufen. Der Slogan "Rühr meine Gene nicht an!" erinnert an eine Kampagne der 80er Jahre, als SOS Racisme gegründet wurde: "Mach meinen Kumpel nicht an!", lautete damals die Parole, es ging darum, Einwandererkinder vor Rassismus und Polizeiübergriffen zu schützen. Der Präsident von SOS Racisme, Dominique Sopo:

"Dieser Gesetzentwurf bringt Einwanderung und Fälschung immer enger zusammen, diese Reden gegen Einwanderer müssen aufhören!"

Die Maßnahme wurde im Rahmen eines neuen Einwanderungsgesetzes vom Parlament in erster Lesung verabschiedet. In der ursprünglichen Form sollten Familienangehörige durch Gentests ihre Nachkommenschaft beweisen, mit der Aussicht, dass ihr Antrag auf Familiennachzug dann schneller und positiv beschieden würde. Die Kosten für den Test sollten die Ausländer übernehmen.

Bei der Lesung im Senat protestierten dann selbst konservative Abgeordnete, und die Maßnahme wurde erheblich abgeschwächt: Der freiwillige Gentest gilt nun nur für die Mütter, um nicht potentielle Vaterschaftsklagen auszulösen. Zudem wird er auch nicht in Ländern wie zum Beispiel Algerien angeboten, in denen die Standesämter korrekt funktionieren. Die Kosten für einen Test soll der französische Staat übernehmen. De facto betrifft die Maßnahme damit kaum hundert Menschen im Jahr. Dazu Philippe Val, Chefredakteur von "Charlie Hebdo":

"Man kann den Entwurf ändern, wie man will, er bleibt ein Symbol, auch ohne jeden praktischen Nutzen. Aber das Symbol einer Republik, die keine Gentests benutzt ist doch stärker als ein Symbol, das der Fremdenfeindlichkeit der Rechtsextremen schmeichelt!"

Selbst im Regierungslager sorgte der Gesetzentwurf für eine Polemik. Die für die Vororte zuständige Staatssekretärin Fadela Amara sprach sich gegen Gentests aus, die sie "zum Kotzen" findet. Auch die anderen Minister, die Sarkozy aus dem linken Lager geholt hat, üben Kritik. Der Premierminister und die Minister für Einwanderung und nationale Identität verteidigen den Gesetzestext damit, dass Gentests auch in anderen europäischen Ländern benutzt werden. Philippe Val läßt das Argument nicht gelten:

"Es gibt auch Länder, in denen untreue Ehefrauen gesteinigt werden, Homosexuelle umgebracht werden. Soll das heißen, wir müssen das auch machen?"

Dank Musik kam zwischen den Kampfreden Partystimmung auf, zum Beispiel mit Reggae von Tiken Jah Fakoly, der verkündete:

"Ich bin heute abend da, um Herrn Sarkozy zu sagen, er soll meine Gene in Ruhe lassen. Ich bin ein Afrikaner, aber ich bin kein Bandit!"

Der sonst allgegenwärtige Präsident Sarkozy hat sich noch nicht zur Frage geäußert. Die Künstler appellieren an den französischen Präsidenten, als Garant der Verfassung dafür zu sorgen, dass der Gesetzentwurf zurückgezogen wird. Besonders viel Applaus bekam Schauspieler Michel Piccoli, der Sarkozy voller Ironie anrief:

"... Zu Hilfe, Herr Präsident! Müssen wir alle Hoffnung auf Gerechtigkeit und Menschlichkeit verlieren und auf das Jenseits warten? Welches Jenseits? Das von Gott? Oder das Jenseits unsere künftigen hiesigen Gottes Sarkozy?"

Riesenapplaus. Merci, Michel Piccoli!