Rücktritt von Ministerpräsident Jazeniuk

"Wir sind alle Geiseln"

Arseni Jazenjuk, Ukrainische Premierminister (27.05.2014)
Arseni Jazenjuk, Ukrainische Premierminister. © dpa / picture alliance / Nikitin Maxim
Von Florian Kellermann · 11.04.2016
Der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazeniuk hat seinen Rücktritt angekündigt. Er wolle damit die "künstlich erzeugte politische Krise" beenden, erklärte er. Parteifreunde Jazeniuks sehen seinen Abschied als Anklage gegen Präsident Poroschenko.
Er wolle die politische Krise in der Ukraine beenden, so begründete Arsenij Jazeniuk seinen Rücktritt.
"Diese politische Krise ist künstlich erzeugt worden. Der Wunsch, eine Person auszutauschen, hat die Politiker blind gemacht. Es hat ihren Willen gelähmt, das Land wirklich zu verändern. Wir sind letztendlich nur noch auf der Stelle getreten. Die Autoren der Krise haben uns alle zu ihren Geiseln gemacht!"
Jazeniuk sprach es nicht aus, aber die Ukrainer sollen dies als Anklage besonders gegen Präsident Petro Poroschenko lesen. Dessen Mannschaft habe täglich Intrigen gegen den Ministerpräsidenten gesponnen, kommentierte Anton Heraschtschenko, Abgeordneter von Jazeniuks Partei "Volksfront". Poroschenkos Ziel sei es dabei gewesen, mehr Einfluss auf die Regierung zu erhalten.

Mehr Einfluss für Poroschenko

Das wird der Präsident wohl erreichen: Das Parlament wird am Dienstag sehr wahrscheinlich den bisherigen Parlamentssprecher Wolodymyr Hrojsman zum neuen Regierungschef wählen. Hrojsman ist ein politischer Zögling von Poroschenko. Der 38-Jährige war lange Bürgermeister in Poroschenkos Heimatstadt Winniza.
In den vergangenen Tagen hatte Hrojsman bekräftigt, er wolle lange versprochene Reformen umsetzen.
"Schon das Programm der bisherigen Koalition war gut, wir müssen es nur verwirklichen und monatlich der Gesellschaft Rechenschaft ablegen. Ein Beispiel: der Zoll. Dort gehen uns zig Milliarden Hrywnja durch Korruption verloren. Wenn wir echte Reformen anpacken, können wir in einem Jahr Zoll, Finanzamt und Justiz reformieren und die Wirtschaft ankurbeln. Das ist zu schaffen."
Hrojsman hofft, dass er sich - anders als zuletzt Jazeniuk - auf eine funktionierende Regierungskoalition wird stützen können. Trotzdem wird er weiterhin auf den alten Ministerpräsidenten Rücksicht nehmen müssen. Jazeniuks Partei "Volksfront" und die Partei von Präsident Poroschenko werden wieder den Kern der Regierungskoalition bilden.

IWF warnte vor Neuwahlen

Ohne neue Regierung wäre die Ukraine auf Neuwahlen zugesteuert. Ein Szenario, vor dem vor allem der Internationale Währungsfonds gewarnt hatte, der derzeit mit der Auszahlung einer weiteren Kredit-Tranche an die Ukraine zögert.
Allerdings hatten sich die westlichen Partner nicht Hrojsman als Ministerpräsidenten gewünscht, sondern die in den USA geborene Finanzministerin Natalija Jaresko. Diese werde immerhin auch der neuen Regierung angehören, heißt es in Kiew.
Diejenigen proeuropäischen Parteien, die in den vergangenen Monaten aus der Koalition ausgeschieden sind, erwarten indes wenig von der neuen Regierung. So Oleh Berezjuk von der Partei "Selbsthilfe", die Neuwahlen fordert:
"Ein Ministerpräsident, der heute von diesem Parlament gewählt wird, wird nicht der Ministerpräsident der ukrainischen Nation sein. Er wird in Wahrheit der Ministerpräsident von fünf, sechs, sieben Oligarchen sein. Ihren Willen wird er umsetzen, nicht den Willen der Menschen."
Hrojsman wird ohnehin erst zeigen müssen, dass er die politische Krise tatsächlich beenden kann. Dass er im Parlament eine Mehrheit bekommt, gilt zwar als sicher. Denn die meisten Abgeordneten fürchten bei Neuwahlen um ihren Sitz.
Viel schwerer dürfte es für den künftigen Regierungschef dagegen werden, einen neuen Koalitionsvertrag auszuhandeln, den auch wirklich eine Mehrheit der Abgeordneten unterstützen wird.
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