Rückgabe kolonialer Kunst in Frankreich

"Wir haben kein Recht, diese Dinge zu behalten"

The Quai Branly museum is pictured in Paris, Wednesday Oct. 18, 2017. The musee du Quai Branly-Jacques Chirac is a museum featuring the indigenous art and cultures of Africa, Asia, Oceania, and the Americas. (AP Photo/Christophe Ena) |
Das Musée du Quai Branly in Paris. Dort werden Kunstgegenstände aus Afrika, Asien, Ozeanien und Amerika gezeigt. © picture alliance/dpa/ AP
Lorenz Rollhäuser im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 21.11.2018
Frankreich prescht vor: In einem von Emmanuel Macron beauftragten Gutachten empfehlen Experten die Rückgabe von kolonialen Kunstobjekten ohne Wenn und Aber. Der Kulturjournalist Lorenz Rollhäuser sieht Deutschland nun in Zugzwang, ebenso zu handeln.
Am 23. November wird Frankreichs Präsident Macron die Ergebnisse der von ihm in Auftrag gegebenen Empfehlung zum Umgang mit kolonialen Objekten in französischen Museen vorstellen. Schon jetzt wurde bekannt, wofür die beiden beratenden Experten, die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und der Ökonom Felwine Sarr plädieren, nämlich für eine radikale Lösung: Die Kunstgegenstände, die sich Frankreich aus seinen ehemaligen Kolonien, vor allem in Afrika, einverleibt hat und jetzt in Museen wie dem Musée du Quai Branly in Paris präsentiert, müssen zurückgegeben werden.
Französische Kunsthistorikerin Benedicte Savoy (R) und senegalesischer Ökonom Felwine Sarr (L) am 21.03.2018 in Paris. - Die zwei Akademiker wurden von Emmanuel Macron beauftragt einen Leitfaden für Frankreich zum Umgang mit kolonialen Objekten herauszugeben
Die französische Kunsthistorikerin Benedicte Savoy (R) und senegalesischer Ökonom Felwine Sarr. Sie plädieren für eine Rückgabe von kolonialen Objekten.© AFP / ALAIN JOCARD

Eine richtige Entscheidung

Für den Kulturjournalisten Lorenz Rollhäuser ist das die einzig richtige Entscheidung. Savoy und Sarr hätten die kolonialen Kunstgegenstände beziffert – Hundertausende von Objekten seien betroffen – und dies zum Anlass genommen, zu zeigen: "Da herrschte eine strukturelle Asymmetrie. Das waren keine Verhältnisse von freiwilligem Verkauf – oft wurde geraubt, geplündert." Und dies offenkundig systematisch: "Die Militärmaschine hatte den Auftrag, Werke mitzunehmen, und es wurde auch genau gesagt, wie sie die mitzunehmen haben, damit die heil nach Frankreich kommen."
Den Vorabinformationen über den Savoy-Sarr-Bericht zufolge soll die Beweislast für das Vorliegen eines Raubkontextes umgedreht werden: Das heißt, die Museen müssen beweisen, dass etwas nicht unrechtmäßig erworben wurde.

Museen werden nicht leergeräumt

Das Argument, nun würden die Museen leergeräumt, wenn tatsächlich die Objekte ohne Wenn und Aber zurückgegeben werden, lässt Rollhäuser nicht gelten: Es handle sich um eine überschaubare Zahl. Im Übrigen: "Diese Dinge gehören uns nicht. Wir haben kein Recht, sie zu behalten." Es sei eine vorgeschobene Sorge, um nichts zurückgeben zu müssen.
epa00746808 Sculptures from the collections of the Musee du Quay Branly are on display, in Paris, France, Monday 19 June 2006. The museum, devoted to the arts and civilisations of Africa, Asia, Oceania and the Americas, will be inaugurated on Tuesday 20 June by French President Jacques Chirac and UN Secretary General Koffi Annan. EPA/HORACIO VILLALOBOS |
Ausstellungsstücke im Musee Quai du Branly in Paris.© picture alliance/dpa/EPA
Es gebe bereits aus einigen Ländern Anträge auf Rückgabe. Zunächst müssten noch juristische Fragen geklärt werden, doch wo ein politischer Wille sei, gebe es auch Wege, Verfahren schnell abzuwickeln.
Rollhäuser sieht die deutsche Kulturpolitik nach dem großen Schritt, den Frankreich nun getan hat, unter Zugzwang. Eine Rückgabe kolonialer Objekte sei auch für Deutschland geboten, wenn es Beziehungen auf Augenhöhe mit den betroffenen Ländern pflegen wolle. "Ziemlich schräg" findet Rollhäuser das Angebot an Länder wie das westafrikanische Benin, Objekte als Leihgabe dorthin zu schicken – also etwas zu verleihen, was einem gar nicht gehöre.
(mkn)
Mehr zum Thema