Rückblick auf das Kinojahr 2018

"Unheimlich abwechslungsreich"

Sandra Hüller und Franz Rogowski in dem Film "In den Gängen", der auf der Berlinale im Wettbewerb läuft.
Einer aus dem 2018er Jahrgang: Sandra Hüller und Franz Rogowski in "In den Gängen" von Thomas Stuber © Sommerhaus Filmproduktion / Anke Neugebauer
Susanne Burg und Anke Leweke im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 25.12.2018
Es war ein spannendes Kinojahr 2018 - Filme konnten begeistern, Schauspielerinnen sind zu Ruhm gekommen. Aber es gab auch Entwicklungen, die das Kino, wie wir es kennen, auf den Kopf stellen können: die Online-Portale werden immer wichtiger. Ein Rückblick.
Die Bilder, die Filmredakteurin Susanne Burg am stärksten aus dem Kinojahr 2018 in Erinnerung behalten wird, sind dokumentarische. Ein Rechtsextremist fährt im US-amerikanischen Charlottesville vorsätzlich mit seinem Auto in eine Gruppe Gegendemonstranten, tötet eine 32-Jährige und verletzt mindestens 19 Menschen. Zu sehen sind die Szenen in "BlacKkKlansman" von Spike Lee.

Kritisch und unterhaltsam

"Ein Film, der so vieles ist - Polizeithriller, Buddy-Komödie, Blaxploitation-Hommage, der lustig ist, unterhaltsam und unglaublich klug. Weil er Rassismus auf so unterschiedlichen Ebenen analysiert, auch auf der Bilder-Ebene. Dieser Film beweist für mich, dass gutes US-amerikanisches Kino eben beides seien kann, kritisch, satirisch, intelligent und wahnsinnig unterhaltsam", so Burg.
Filmkritikerin Anke Leweke fand das Filmjahr 2018 "unheimlich abwechslungsreich". Im Gegensatz zum wütenden, aber auch lustigen "BlacKkKlansman" hätte z.B. "Roma" von Alfonso Cuarón in seiner Stillheit eine unheimliche Wucht entwickelt. "Dieser Film zeigt eigentlich, dass auch unter Ausbeutungsverhältnissen wahrhaftige Gefühle entstehen können und genau diesem Paradoxon stellt sich der Film auch", sagt Leweke.

Online-Portale machen den Hollywood-Studios Konkurrenz

"Roma" ist eine Netflix-Produktion. Auch das ist ein Trend im Kinojahr 2018: die Online-Portale ziehen mit den klassischen Filmstudios gleich. "Sie sind inzwischen ernsthafte Konkurrenz geworden für alle großen Produzenten in Hollywood", sagt Susanne Burg. Dagegen sei im Prinzip auch nichts zu sagen, vor allem, wenn so Filme entstehen, die es sonst vielleicht gar nicht geben würde - z.B Martin Scorseses "The Irishman" oder Guillermo del Toros "Pinocchio".
"Was durchaus schwierig ist, ist die Diskussion um die Daten, die Netflix sammelt über die Nutzer. Sie analysieren genau, was wer mag und schaut, und auch wenn sie es abstreiten, ich finde, man sieht schon, dass sie zukünftig auch Serien und Filme machen für entsprechende Zielgruppen - das ist nicht immer gut für die Qualität, weil es so arg kalkuliert ist", meint Susanne Burg.

Ist das der Weckruf?

Anke Leweke hingegen meint, Konkurrenz belebe das Geschäft. Vielleicht sei der Netflix-Erfolg der benötigte Weckruf für andere Produzenten, gerade in Deutschland. "Vielleicht muss man sich da andere Verwertungsstrategien ausdenken. Dass man mit zehn Filmen einfach rumtourt, mit den Regisseuren, (sie) im Kino zeigt und dann zum nächsten Ort fährt. Um den neuen Konkurrenten gerecht zu werden, müssen die Kinobetreiber flexibler werden", erläutert Leweke.
Das deutsche Kinojahr beurteilen Burg und Leweke überwiegend positiv. "Interessant finde ich, dass auch sperrige Werke ihr Publikum gefunden haben", sagt Burg. Zu erwähnen sei beispielsweise die Liebesgeschichte auf dem Großmarkt, die Thomas Stuber in "In den Gängen erzählt", oder die Anna-Seghers-Verfilmung "Transit" von Christian Petzold. Aber auch das Road-Movie "303" von Hans Weingartner oder das Debüt von Eva Trobisch "Alles ist gut".

Diversifizierung kommt, aber langsam

Allgemein beobachten Leweke und Burg, dass der Trend zur Diversifizierung langsam vorankommt, aber es auch noch Luft nach oben gibt. "Filme mit starken Frauenfiguren haben mehr Geld in diesem Jahr eingespielt, als solche mit männlichen Hauptdarstellern. Diversifizierung bleibt eine Herausforderung für das US-amerikanische Kino. Es gibt den einen oder anderen Schwarzen-Superhelden-Film, wie "Black Panther", die Mexikaner sind sehr stark, Guillermo del Toro oder Alfonso Cuarón, aber es ist alles andere, als eine Selbstverständlichkeit geworden", sagt Susanne Burg.
(beb)