Rosenkrieg aus Kinderperspektive

Von Anke Leweke · 09.07.2013
Die Regisseure David Siegel und Scott McGehee haben einen Roman von Henry James über einen Sorgerechtstreit aus dem 19. Jahrhundert ins jetzige New York verlegt. "Das Glück der großen Dinge" lief beim Filmfest München und kommt diese Woche in die Kinos.
Auf den ersten Blick wächst die aufgeweckte Maisie in einem wohlbehüteten Haushalt auf. Mit ihren Eltern lebt die Sechsjährige in einer schicken New Yorker Wohnung. Der Vater ist Kunsthändler, die Mutter Rocksängerin, die ihre große Zeit hinter sich hat und ihrer Kleinen Gute-Nacht-Lieder vorsingt.

Doch der schöne Schein trügt. Die Eltern leben längst aneinander vorbei. Permanent wird geschrien, diskutiert, knallen Türen, werden Vorwürfe laut - und lauter. Eines Tages tauscht sie die Schlösser an der Wohnungstür aus. Man trennt sich. Ein erbitterter Streit um das Sorgerecht beginnt

"Wenn Du das glauben willst – schön! Wenn Du Dir das einreden willst – von mir aus!"

"Bitte nimm sie mir nicht weg!"

"Ich nehme sie dir nicht weg, sie haben sie mir gegeben."

(Kind kommt ins Zimmer)

"Hey Baby ... schön, dass Du da bist. Schätzchen, wieso holst Du nicht ein paar Klamotten und was du sonst so mitnehmen willst?"

Auf Augenhöhe der kleinen Heldin
Das Ungewöhnliche an diesem Film ist seine Perspektive. Von Beginn an ist die Kamera auf Augenhöhe der kleinen Heldin, nimmt ihre Sichtweise ein. Ihr Gesicht wird zum Spiegel für das Verhalten der Erwachsenen. Für einen Vater, der seiner Tochter ein Kinderzimmer voller Spielzeug spendiert und doch nur am Telefon hängt.

"Äh ich hab noch n paar Anrufe zu erledigen, ich komm später zu Euch."

Für eine Mutter, die abends mit Ihrer Exband Konzerte von einst anschaut.

"Ich steh drauf, wie relaxed Peter den Beat durchzieht. Yeah"

Sie geht wieder auf Tour, er hat in London zu tun. Und wo bleibt Maisie? Immer wieder wartet sie vor der Schule, weil keiner sie abholt, weil die Eltern mit dem Ausleben ihres Egos beschäftigt sind. Dennoch bekommt man es hier nicht mit einem Drama zu tun. Vielmehr sieht man einem Mädchen dabei zu, wie sie sich ihre eigene Patchworkfamilie erobert. Wie sie mit den jeweils neuen Partnern der Eltern einen Ausflug in den Central Park unternimmt.

"Guckt mal, da ist eine Babyschildkröte"

"Wow – sieh Dir den an, der guckt Dich ganz genau an. Es sind unfassbar viele. Echt der Wahnsinn!"

"Ja, es ist schön hier."

Was die großen Dinge sind, die das Glück bringen, das liegt stets im Auge des Betrachters. Für Maisie sind es die Schildkröten im Park oder eine Bootsfahrt auf dem Meer. Und weil die Eltern sie und ihre Bedürfnisse immer wieder übersehen, beginnt sie ihre eigenen Wege zu gehen. Der Film folgt ihr dabei.

USA 2012 - Regie: Scott McGehee, David Siegel; Darsteller: Julianne Moore, Alexander Skarsgard, Onata Aprile, Joanna Vanderham, Steve Coogan, 93 Minuten

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