Rosch Chodesch

Ein weiblicher Feiertag

Neumond vor partieller Sonnenfinsternis, aufgenommen Januar 2011 in Freiburg
Rosch Chodesch - ein besonders weiblicher Tag kurz vor dem Neumond © picture alliance / dpa
Von Lissy Kaufmann · 25.07.2014
Rosch Chodesch ist der Beginn des neuen Monats im jüdischen Kalender. Schon während der Nomadenzeit hatten die Israeliten den zu- und wieder abnehmenden Mond als Zeitmesser benutzt. Bis heute wird dieser Tag am Schabbat vor Neumond in der Synagoge angekündigt, und die Gemeinde betet für einen gesegneten Monat.
Gleichzeitig ist Rosch Chodesch ein besonders weiblicher Tag. So treffen sich an diesem Tag zum Beispiel die Frauen der Gruppe "Women of the Wall" an der Klagemauer in Jerusalem zum gemeinsamen Beten und Singen. Linda Avitan weiß, warum. Sie ist eine der "Women of the Wall" und gehört der konservativen Masorti-Bewegung an:
"Rosch Chodesch wird in der Bibel als Feiertag genannt. Es gibt eine genaue Erklärung, wie er zu feiern ist, wie man dem Herrn danken soll für den neuen Monat. Auch in den Synagogen segnen wir am letzten Schabbat des alten Monats den kommenden Monat. Und jedes Mal hoffen wir auf einen guten, gesegneten, friedlichen und erfolgreichen Monat. Der Tag wird aufgrund des weiblichen Zyklus und der Idee der Erneuerung als ein Feiertag für Frauen betrachtet. Früher mussten Frauen an Rosch Chodesch auch nicht arbeiten."
Doch die Frauen haben sich diesen Feiertag nicht nur auf natürliche Weise verdient, sondern auch, weil sie sich der Götzenanbetung widersetzt haben, wie eine bekannte Bibelstelle belegt. Linda Avitan:
"Moses stieg auf den Berg, um die zehn Gebote zu erhalten. Er blieb dort 40 Tage lang und die Menschen wurden ungeduldig. Sie fragten sich, wo er bleibt, ob er sie vergessen oder im Stich gelassen hat. Die Leute brauchten einen Gott. Moses' Bruder Aron hatte die Idee, ein Goldenes Kalb zu bauen, damit die Leute etwas anbeten konnten. Die Frauen wollten aber ihren Schmuck nicht hergeben für das Goldene Kalb und das wurde als Stärke der Frauen gesehen. Ihr Glaube war stark genug."
Feiern, beten und studieren
Rosch Chodesch ist heute kein offizieller Feiertag, und nur die wenigsten Frauen verzichten daher darauf, Wäsche zu waschen oder das Haus zu reinigen. Frauen wie Linda gehen ganz normal zur Arbeit. Der Tag hat für sie aber eine spirituelle Bedeutung. Viele treffen sich deshalb in Rosch-Chodesch-Gruppen, um gemeinsam zu feiern, zu beten und zu studieren – nicht immer genau an Rosch Chodesch, aber zumindest regelmäßig einmal im Monat:
"Hier in unserer Synagoge in Rehovot haben wir Frauen eine Rosch-Chodesch-Gruppe. Nicht immer genau an Rosch Chodesch, aber zumindest einmal im Monat treffen wir uns zum Studieren. Jedes Jahr haben wir ein anderes Thema, manchmal ist es der Lebenszyklus oder jüdische Symbole. Nächstes Jahr ist unser Thema ‚jüdische Frauen' – in der Vergangenheit, heute und in der Zukunft."
Und auch die "Women of the Wall" haben sich Rosch Chodesch ganz bewusst ausgesucht. Sie treffen sich seit 26 Jahren an diesem Tag morgens um 7 Uhr an der Klagemauer, sie singen und beten, viele tragen einen Tallit, den Gebetsschal, und legen Tefillin, die traditionellen Gebetsriemen. Auch Linda Avitan, die in Rehovot nahe Tel Aviv wohnt, kommt dazu einmal im Monat vor der Arbeit in den frühen Morgenstunden nach Jerusalem:
"Es ist sehr spirituell, all diese Frauen aus verschiedenen Gruppen: orthodox, konservativ oder säkular. Wir kommen alle zusammen. Das Singen, das Beten und das Zusammensein, das gibt mir viel spirituelle Kraft."