Romanbiografie über Mary Shelley

"Frankenstein"-Schöpferin war eine moderne und starke Frau

Ein undatiertes Porträt von der Frankenstein-Autorin Mary Shelley.
Ein undatiertes Porträt von der Frankenstein-Autorin Mary Shelley. © imago/Leemage
Barbara Sichtermann im Gespräch mit Joachim Scholl · 12.07.2017
Viele wissen nicht, dass hinter dem Schauerroman "Frankenstein" eine Frau, die Autorin Mary Shelley, steckt. Ein Blick auf das Leben dieser emanzipierten und klugen Frau lohnt sich sehr Das beweist die Romanbiografie von Barbara Sichtermann.
Fast jeder kennt den Jahrhundertroman "Frankenstein", der mit seinem Erscheinen die Gattung der Gruselgeschichten revolutionierte. Doch wer war Mary Shelley (1797–1851), die Frau, die diese Figur erfand? Die junge Mary, Tochter der Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft Godwin und des Sozialphilosophen William Godwin, verliebte sich mit gerade einmal 16 Jahren in den Dichter Percy Shelley. Eine berührende, skandalträchtige und geistreiche Beziehung beginnt. Die Verliebten brennen gemeinsam durch, leben lange in "wilder Ehe" – und bekommen in rascher Folge insgesamt vier Kinder.
Barbara Sichtermann erzählt in ihrer Romanbiografie "Mary Shelley. Leben und Leidenschaften der Schöpferin des Frankenstein" die spannende Geschichte einer inspirierenden, emanzipierten und starken Frau, die für die Liebe große Risiken eingeht und selbstbewusst ihren Traum vom Schreiben verfolgt.

"Frankenstein" entstand am Genfersee

In illustrer Runde am Genfer See in Shelleys Villa und unter dem Einfluss von Opiaten entstand 1816 die Idee, eigene Schauergeschichten zu verfassen. Mary Shelley geht als kreative Siegerin aus diesem inoffiziellen Wettbewerb hervor - "Frankenstein" wird geboren. Da war Mary Shelley noch keine 20 und zum dritten Mal schwanger. Das Buch erschien 1818 und erlangte Weltruhm, wurde Vorlage für unzählige Verfilmungen und ist bis heute populär.
Ein Porträt der Autorin Barbara Sichtermann
Autorin Barbara Sichtermann ist fasziniert vom Leben Mary Shelleys.© Foto: Simon Brückner
Was hat die Autorin besonders an Mary Shelley, die bereits 1822 ihren Liebsten auf tragische Weise bei einem Bootsunfall verlor, fasziniert?
"Das Leben dieser Frau ist so einzigartig, so seltsam und auch über weite Strecken so schwer gewesen, dass ich schon den Ehrgeiz hatte, sie darzustellen. Sodass man sich heute eine Vorstellung von ihr machen kann."

Moderne Ansichten über die Ehe

Besonders interessant findet Sichtermann, die selbst als eine der wichtigsten Protagonistinnen des (west-)deutschen Feminismus gilt, Mary Shelleys Haltung zur Institution Ehe:
"Die Vorstellung, dass man die Institution des Staates kritisiert, angreift, verändert und völlig neue Lebensformen propagiert – das erinnerte mich natürlich an meine Jugend, 1968. Es sind im Grunde dieselben Ideen."
Warum wählte Sichtermann das Genre der Roman-Biografie? Die Autorin lacht: Dass der Verlag sie dazu verpflichtet habe – und nicht zu einer normalen Biografie – habe sie erst registriert, nach dem sie den Vertrag unterschrieben habe. Dies habe ihr natürlich sehr viele künstlerische Freiheiten – etwas bei den Dialogen – gelassen.
Zur besonderen Qualität Shelleys als Schriftstellerin meint Sichtermann, es sei ihr vor allem darum gegangen, die besessenen Forschergeist darzustellen – verkörpert durch Victor Frankenstein, der die Rolle des göttlichen Schöpfers einnehmen will, ohne aber Verantwortung für seine Schöpfung zu übernehmen. Und daran schließlich zugrunde geht.
Shelley blieb übrigens auch später auf Dystopien abonniert: Ein weiterer Roman entwirft das Szenario einer durch Krankheiten entvölkerten Erde, auf der nur ein einziger Mann überlebt hat.

Barbara Sichtermann: "Mary Shelley. Leben und Leidenschaften der Schöpferin des Frankenstein"
Romanbiografie, Herder Verlag, 2017, 288 Seiten, 16,00 Euro

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