Romain Puértolas: "Der kleine Kaiser ist zurück"

Die heißen Nächte von Napoléon

Cover des Buches "Der kleine Kaiser ist zurück" von Romain Puértolas, im Hintergrund Cancan-Tänzerinnen
Eine schrille kaiserliche Wiedergeburt, die der Gegenwart den Spiegel vorhält. © Hoffmann und Campe Verlag / imago
Von Dirk Fuhrig · 08.08.2018
Das Buch "Der kleine Kaiser ist zurück" ist eine durchgeknallte Satire auf den französischen Kaiser Napoléon Bonaparte. Er erwacht nach 200 Jahren Schlaf und hat heiße Liebesnächte mit einer Tänzerin und einem Dschihadisten. Urkomisch und respektlos.
Der deutsche Titel dieses Romans führt etwas in die Irre. Er lässt im ersten Moment an ein Kinder- oder Jugendbuch denken. Dabei ist "Re-vive l’empereur" – wörtlich also: "Der Kaiser, er lebe wieder" – eine nicht ganz jugendfreie, erzählerisch gewagte und ziemlich schrille Satire auf den Mythos Napoléon Bonaparte.
Der Kaiser der Franzosen – von den reaktionären Fürsten Russlands, Deutschlands, Österreichs und Großbritanniens bei Waterloo 1815 final besiegt und auf die ferne Insel St. Helena verbannt – erwacht nach 200-jährigem Schlaf, gelangt auf seltsamen Wegen nach Paris, wo er sich seinen berühmten Zweispitz wiederholt.
Dazu trägt er hautenge Slim-Fit-Jeans, also diese körpernahen Stretch-Hosen, was ihm immer wieder spöttische Bemerkungen einträgt, er sei wohl schwul. Dabei ist er eher ein Trans-Mann: denn seiner Leiche wurde – das ist historische Wahrheit – der Penis abgeschnitten, der fortan eine Reise durch die Auktionshäuser der Welt antrat.
Trotz fehlenden Glieds hat er in seinem zweiten Leben heiße Liebesnächte mit einer Cancan-Tänzern: Penetration ist eben nicht alles, so heißt es im Text (ganz gendergerecht). Ständig trinkt er Coca-Cola-light – von ihm "schwarzer Champagner" genannt. In der Wirklichkeit war der Kaiser der Franzosen dafür berühmt, in jeder Lebens- und Kriegslage das Pickelwasser aus der Champagne zu sich zu nehmen. Aber er geht eben mit der Zeit …

Als Pazifist gegen die Islamisten

Und die Zeit – das Buch ist kurz nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" geschrieben – bringt es mit sich, dass Frankreich sich im Kampf gegen die Islamisten befindet. Als ehemals genialer Schlachtenlenker stürzt er sich sofort in den Kampf – diesmal allerdings mit pazifistischen Mitteln.
Mit einer Truppe von Varieté-Künstler und Prosituierten macht er sich auf nach Mossul, um einen Ober-Dschihadisten zu besiegen. Der erweist sich nicht nur als brutaler Killer, sondern auch als Liebhaber von SM-Spielen, er hat sogar ein entsprechendes Folter-Studio in seinem Haus eingerichtet. Unter einer das Geschlecht unkenntlich machenden Burka dient Napoleon sich dem Terroristen als Domina an.
Von durchgeknallt bis urkomisch
So weit die Handlung. Kurzum: das Buch ist völlig durchgeknallt, absurd, verquer, schrill.
Man kann diesen Roman als banal, abgeschmackt, effekthascherisch, geschwätzig abtun. Man kann in dem Buch aber auch einen grandiosen, haltlosen Humor entdecken. Ein bisschen kindlich an vielen Stellen, oft aber auch urkomisch und respektlos.
Kein Kalauer ist dem Autor zu vordergründig, gelegentlich hat die Ironie aber durchaus Tiefgang: Ob es um die unreflektierte Übernahme englischer Begriffe im Französischen geht, um politische Korrektheit, Feminismus oder Rassismus – den ganzen "ismen" hält diese schrille kaiserliche Wiedergeburt den Spiegel vor. Vor allem aber, wenn es um den Umgang mit dem Islam einerseits – und dem islamistischen Fundamentalismus andererseits geht. Auch die Lügen und Inkonsequenzen der laizistischen Republik Frankreich in Fragen der Religionsausübung.

Heiter-satirischer Anti-Houellebecq

Romain Puértolas war DJ und Zauberkünstler, bevor er vor einigen Jahren mit dem Buch "Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Ikea-Schrank feststeckte" einen Bestseller landete. Der Napoléon-Roman ist eine grelle Satire, die sowohl den Kaiser-Mythos auf die Schippe nimmt als auch die Post-Anschlags-Hysterie in Frankreich, die Fantasien vom Kampf der Kulturen, nationale Überheblichkeiten und patriotische Skurrilitäten. Ein heiter-satirischer Anti-Houellebecq.
Der anspielungsreiche Sprachwitz, der an vielen Stellen im Französischen aufleuchtet, ist sehr, sehr schwer ins Deutsche zu übertragen. Vieles ist nur verständlich, wenn man sich in der französischen Geschichte und Gegenwart etwas besser auskennt. Die Übersetzung von Maja Ueberle-Pfaff ist solide, schafft es aber nicht immer, den überdrehten Stil wirklich in die deutsche Fassung zu bringen.
Insgesamt: Kein literarischer Höhepunkt im klassischen Sinn. Aber ein herrlich unkonventionelles Buch mit enorm viel Humor – sofern man sich auf diese Art der Satire einlassen kann.

Romain Puértolas: "Der kleine Kaiser ist zurück"
Aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff
Hoffmann und Campe, Hamburg 2018
320 Seiten, 16 Euro

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